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Ostereier über Ostern? 19.04.2019 - 22.04.2019

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
Mike, 4055 Basel
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Re: Ostereier über Ostern? 19.04.2019 - 22.04.2019

Beitrag von Mike, 4055 Basel »

Sali Hans-Jörg,

beim konventionellen Sonnenschein-Recorder nach Campbell–Stokes hat man das Problem der schwankenden Sonnenscheinintensitäten im Jahresverlauf mit unterschiedlichen Registrierstreifen versucht zu lösen.
https://www.wetterdienst.de/Deutschland ... nenscheins
Max Bider schrieb schon 1958 dass bei wolkenlosem Himmel zwischen dem astronomischen Sonnenaufgang und dem Beginn der Registrierung des Sonnenscheins mit dem Sonnenscheinautograph Cambpell-Stokes im Jahr durchschnittlich 42 min und ab Ende der Brennspur bis zum astronomischen Sonnenuntergang 39 min vergehen. Das heisst, dass bei der konventionellen Methode ca. 81 min! vergehen ohne das Sonnenschein registriert wird.
https://link.springer.com/article/10.1007/BF02242909
Ich kann ausserdem nur nochmal empfehlen, diesen Bericht zu lesen:
Berichte des Deutschen Wetterdienstes 181
Ermittlung der Sonnenscheindauer aus pyranometrisch
gemessenen Bestrahlungsstärken der Global- und Himmelsstrahlung

https://www.dwd.de/DE/leistungen/pbfb_v ... 1_pdf.html
Da steht bezüglich der Schwellenwerte von 120 W/m2 und 200 W/m2 viel Informatives drin. Z.B. auf Seite 6:
"Da auf keinen Fall der Schwellenwert von 200 W/m2 bestätigt werden konnte, wird in WMO (1981 b) ein Schwellenwert von 105 W/m2 zur Diskussion gestellt. In Kenntnis der soeben ausfuhrlich geschilderten neuen Ergebnisse hinsichtlich des Schwellenwertes und der Schwierigkeiten, die beim IRSR-CAMPBELL STOKES auftreten, hat nun die WMO (1982) aufder CIMO-VIII Tagung beschlossen, ein Standard-Pyrheliometer mit einem Schwellenwert von 120 W/m2 als neues Referenzgerät fur die Messung der Sonnenscheindauer zu empfehlen."
Eine für mich nicht nachvollziehbare Erklärung, warum der Schwellenwert von 200 W/m2 in der Schweiz beibehalten wurde gibt es hier.
Punkt 2.3.3.3 (Seite 23) Sehr lesenswert.
https://www.meteoschweiz.admin.ch/home/ ... eispi.html
Zuletzt geändert von Mike, 4055 Basel am Mo 22. Apr 2019, 20:53, insgesamt 1-mal geändert.

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Cyrill
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Re: Ostereier über Ostern? 19.04.2019 - 22.04.2019

Beitrag von Cyrill »

Mike, 4055 Basel hat geschrieben: Mo 22. Apr 2019, 20:51 Sali Hans-Jörg,

…... hat nun die WMO (1982) aufder CIMO-VIII Tagung beschlossen, ein Standard-Pyrheliometer mit einem Schwellenwert von 120 W/m2 als neues Referenzgerät fur die Messung der Sonnenscheindauer zu empfehlen."[/i][/b]
Eine für mich nicht nachvollziehbare Erklärung, warum der Schwellenwert von 200 W/m2 in der Schweiz beibehalten wurde gibt es hier.
Punkt 2.3.3.3 (Seite 23) Sehr lesenswert.
https://www.meteoschweiz.admin.ch/home/ ... eispi.html
Hoi Mike
mal herzlichen Dank für den Link zu diesem interessanten Paper.
Nach meiner Lesart bezieht sich die Frage zur Ansprechschwelle nicht generell quasi auf die gesamte Schweiz, sondern nur auf die Messstation in Davos. Der WMO-Forderung hätte eigentlich schon entsprochen und die Registrierschwelle von 200 auf 120 W/m2 gesenkt werden können. Doch durch Paralellmessungen zweier auf beide Ansprechschwellen geeichten Geräte, erbrachten aufgrund der örtlichen Bedingungen keine Unterschiede. Wo in anderen orografischen Verhältnissen und in tieferen Lagen (untere Troposhäre) erst nach einer gewissen Zeit nach Sonnenaufgang die Schwelle von 120 W/m2 überschritten wird, ist es im Hochgebirge (in Davos) offenbar1 ein abrupter Übergang, wenn die Sonne hinter dem Jakobshorn z.B. hervor tritt - und wie es im Bericht nach meinem Verständnis heisst, werde da sogleich der Schwellenwert von 200 W/m2 überschritten.
Zitat: "Dies ist im wesentlichen auf den eingeschränkten Horizont und die geringe Lufttrübung der Station zurückzuführen. Sobald die Sonne am Morgen
hinter den Bergen auftaucht, ist die Strahlungsintensität oft so hoch, dass sofort beide Ansprechschwellen überschritten werden."

Insofern kann diese Station nicht als Referenz für das ganze Land herangezogen werden und vermutlich daher ist man demnach nicht der Empfehlung der WMO gefolgt.
Beim Textteil "abrupter Übergang" habe ich "offenbar" kursiv gesetzt, um hier noch persönlich etwas anzufügen. Ich war als Kind jeden Winter und jeden Herbst in Davos, lief Ski, oder ritt mit Pferden ins Sertigtal, wenn rundherum der goldene Herbst einzog, unter tiefblauem Himmel. Wenn die Sonne noch hinter dem Jakobshorn im Osten versteckt war, sah man schon Dämmerlicht; bis sie hinter dem Horizont richtiggehend hervor brach und das ganze Tal in helles Licht tauchte.

Gruss Cyrill


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Cyrill
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Re: Ostereier über Ostern? 19.04.2019 - 22.04.2019

Beitrag von Cyrill »

Federwolke hat geschrieben: So 21. Apr 2019, 10:43
Furion hat geschrieben: So 21. Apr 2019, 09:03 Es ist halt nicht leicht mit diesen Prognosen.... Zumal es eine wirklich schwere Wetterlage ist. :lol:
Dabei wäre Ostern doch eine gute Gelegenheit gewesen, unseren Wetterdiensten mal einen Zugang zu IR-Satellitenbildern und Saharastaub-Modellen zu schenken. Können sich aber leider nur Laien und Kleinstunternehmen leisten :roll:
Gute :idee: :unschuldig:

Zwar ein bischen "Mäusekino" und man muss natürlich "Dust" nicht "Fog" anwählen; und am besten im Dropdownmenü einen zurückliegenden Termin, z.B. den 20.04.19, 00Z (Uiii mitten in der Nacht :lol: ) ansteuern, dann 24 Bilder-Animation aktivieren und Play drücken..... natürlich unter RGB-Composits.... "R = Red = Dust"
https://eumetview.eumetsat.int/static-i ... /index.htm


Bild


Interessante Form.
@ Fabienne. Laut gedacht: könnten z.B. Sonnenscheindauer-Messwerte von Italien im Verlauf des 20.04. auf das noch zu erreichende Gebiet (CH) interpoliert werden, wenn gewisse Werte der Opazität einer ankommenden Saharastaubwolke bekannt sind? Dies würde vermutlich die Vorhersage erleichtern, denke ich.... :roll:

Gruss Cyrill

Mike, 4055 Basel
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Re: Ostereier über Ostern? 19.04.2019 - 22.04.2019

Beitrag von Mike, 4055 Basel »

Hallo zusammen,

meine Beobachtung, dass es am Ostersonntag in Basel mehr Sonnenschein gab, als von MeteoSchweiz gemessen, wurde von der weitergeführten, konventionellen Reihe bestätigt. Es sollen mit der Campell-Stokes Messung um die 4 h gewesen sein. Was mich wiederum in meiner Ansicht bestärkt, dass die weitergeführte koneventionelle Reihe repräsentativer und homogener als die MetoSchweiz-Reihe ist.
Die Antwort von Michael im MeteoSchweiz-Blog.
https://www.meteoschweiz.admin.ch/home/ ... etter.html

Edit: Was in dem Zusammenhang auch noch erwähnenswert ist, dass inzwischen 10 Jahre! nach der Verlegung - auf dem Dach immer noch weitergemessen wird. Kann deshalb aus heutiger Sicht, die Begründung von damals noch weniger verstehen.
viewtopic.php?f=3&t=8997&start=20#p167716
Zuletzt geändert von Mike, 4055 Basel am Mi 24. Apr 2019, 15:07, insgesamt 1-mal geändert.

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Marco (Hemishofen)
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Re: Ostereier über Ostern? 19.04.2019 - 22.04.2019

Beitrag von Marco (Hemishofen) »

Hoi zämä

hier an der MCH ist man sich durchaus den verschiedenen Problematiken rund um das Thema Sonnenscheindauer (betrifft nicht nur Basel) bewusst: Verschiedene Schwellwerte, zwei verschiedene Messgeräte im Einsatz (Hänni, SPN1) und - sonst wäre es ja viel zu einfach! - es gibt auch viele SwissMetNet-Stationen, wo die Sonnenscheindauer gar nicht gemessen sondern aus der Globalstrahlung in Kombination mit weiteren gemessenen Grössen (wenn ich mich recht erinnere aus der 2m- und 5cm-Temperatur) hergeleitet wird.

Letzteres trifft e.g. bei Möhlin zu: Dort wird der Parameter Sonnenscheindauer gar nicht direkt gemessen sondern indirekt berechnet, was einen Teil der Diskrepanz erklärt, die ihr in den Grafiken von Matt's tool schön diskutiert habt. Der Algorithmus wurde natürlich nicht für Spezialfälle wie diesen hier mit sehr viel Staub und somit hohem Anteil diffuser Strahlung getuned. Im Rahmen der Homogenisierung wurden diese Probleme erkannt, so dass von der Strategie der Berechnung mittlerweile wieder versucht wird, wegzukommen und mehr Sensoren aufzustellen.

Und noch eine Ergänzung zur Diskussion über den Watt-Schwellwert, bzw. der Versuch, das Verständnis zu fördern: Scheinbar hat die MeteoSchweiz (viel zu) früh mit der Automatisierung des Messnetzes Anfang 80er Jahre begonnen. Damals waren die 200W noch "best practise" international und das wurde so umgesetzt mit der Einführung von ANETZ. Wenig später änderte offenbar die WMO ihre Empfehlung auf den 120W Schwellwert, und damit gingen die Probleme eigentlich schon los, die wir heute noch haben. Hätte man gleich ändern sollen kurz nach Einführung von ANETZ und bewusst eine zeitliche Inhomogenität produzieren? Oder war es richtig ("weniger falsch"), bei den von Beginn an konfigurierten 200W zu bleiben und eine räumliche Inhomogenität im internationalen Vergleich in Kauf zu nehmen?

Das Thema wird auf jeden Fall nicht nur hier im Forum sondern auch bei uns intensiv diskutiert und wir streben natürlich Verbesserungen an. In Anbetracht der Zwickmühlen dürften aber sowieso nicht alle Kunden ihre höchsteigene Wunschlösung realisiert erhalten, das ist meine persönliche Einschätzung :-?

Liebe Grüsse, Marco
Gruss Marco
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Federwolke
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Re: Ostereier über Ostern? 19.04.2019 - 22.04.2019

Beitrag von Federwolke »

Marco (Hemishofen) hat geschrieben: Do 25. Apr 2019, 15:20 Letzteres trifft e.g. bei Möhlin zu: Dort wird der Parameter Sonnenscheindauer gar nicht direkt gemessen sondern indirekt berechnet, was einen Teil der Diskrepanz erklärt, die ihr in den Grafiken von Matt's tool schön diskutiert habt.
Ganz herzlichen Dank für die aufschlussreichen Erklärungen. Ich hatte schon befürchtet, dass ich mich vollständig zum Deppen gemacht hab...

Mike, 4055 Basel
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Re: Ostereier über Ostern? 19.04.2019 - 22.04.2019

Beitrag von Mike, 4055 Basel »

Marco (Hemishofen) hat geschrieben: Do 25. Apr 2019, 15:20 Hoi zämä
Und noch eine Ergänzung zur Diskussion über den Watt-Schwellwert, bzw. der Versuch, das Verständnis zu fördern: Scheinbar hat die MeteoSchweiz (viel zu) früh mit der Automatisierung des Messnetzes Anfang 80er Jahre begonnen. Damals waren die 200W noch "best practise" international und das wurde so umgesetzt mit der Einführung von ANETZ. Wenig später änderte offenbar die WMO ihre Empfehlung auf den 120W Schwellwert, und damit gingen die Probleme eigentlich schon los, die wir heute noch haben. Hätte man gleich ändern sollen kurz nach Einführung von ANETZ und bewusst eine zeitliche Inhomogenität produzieren? Oder war es richtig ("weniger falsch"), bei den von Beginn an konfigurierten 200W zu bleiben und eine räumliche Inhomogenität im internationalen Vergleich in Kauf zu nehmen?

Das Thema wird auf jeden Fall nicht nur hier im Forum sondern auch bei uns intensiv diskutiert und wir streben natürlich Verbesserungen an. In Anbetracht der Zwickmühlen dürften aber sowieso nicht alle Kunden ihre höchsteigene Wunschlösung realisiert erhalten, das ist meine persönliche Einschätzung :-?

Liebe Grüsse, Marco
Hallo Marco,
danke für deine Antwort. Das ist eigentlich das, was ich schon seit Jahren schreibe.
Ich hatte es im Wetterzentrale-Forum mal so formuliert.
"Klingt für mich als hätte man zu früh, mit zu schlechten Geräten, im Zuge der ANETZ-Errichtung, den Campbell-Stokes Sonnenscheinautographen abgelöst und das dann nicht mehr rückgängig machen können.
Wenn jetzt nicht der Schwellenwert von 120 W/m2 eingesetzt wird, weiss ich auch nicht mehr weiter."

http://www.wzforum.de/forum2/read.php?3 ... sg-3234367
Im MeteoSchweiz-Blog habe ich die Thematik auch wiederholt angesprochen.
https://www.meteoschweiz.admin.ch/home/ ... tehen.html
Die Antwort, die ich erhalten habe, ist für mich leider nicht zufriedenstellend, da man mir immer noch nicht erklären konnte, welche Homogenität man erhalten will bzw. wollte, wenn im Mittelland mit der Einführung des Haenni Solar im Vergleich zum C. St. an allen Stationen im Durchschnitt weniger Sonnenschein registriert wurde. (Beispiel für Basel habe ich im obigen MeteoSchweiz-Blog gepostet) Da hätte man doch spätestens 1982 mit der neuen Empfehlung der WMO die Reissleine ziehen und auf die 120 W/m2 umstellen müssen. Da waren doch nur 4 Jahre an den Stationen vergangen, wo der Haenni inzwischen eingesetzt wurde !? Schade, dass man damals so stur war.
Zuletzt geändert von Mike, 4055 Basel am Do 25. Apr 2019, 23:12, insgesamt 1-mal geändert.

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