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Winter 2014: Wie kommen wir bloss dahin?

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Rontaler
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Winter 2014: Wie kommen wir bloss dahin?

Beitrag von Rontaler »

Hallo

Es ist ein reichlich befremdliches Unterfangen, dass man sich Ende Dezember geradezu auf die Suche machen muss, um Winter zu finden und ihn dennoch an für Mitteleuropa im weiteren Verlauf entscheidenden Orten NICHT findet - noch nicht mal ansatzweise.

Nun, warum ist das so?

Leider greifen seit einigen Wochen, ja gar Monaten, die Rädchen der Wintermaschinerie perfekt ineinander - für Winter in Kanada und den USA.

Unentwegt flossen/fliessen sehr kalte Luftmassen (tlw. bis - 35°C in 850 hPa) in Richtung Nordostkanada, um im weiteren Verlauf die Zyklogenese auf dem offenen Atlantik auf Hochtouren zu bringen. Die Tiefdruckgebiete stellen sich in Reih und Glied auf und marschieren strikte Gewehr bei Fuss in Richtung Europa. Für steten Nachschub ist gesorgt, solange der westliche Atlantik mit Kaltluft geflutet wird und die Temperaturgegensätze aufrecht erhalten werden. Problematisch für Vollwetter bei uns ist hierbei jedoch das unglaublich druckresistente ost- und südosteuropäische Hochdruckgebiet, das sich seit dem 7. Dezember 2013 nicht verabschiedet hat. Die Tiefdruckgebiete aus dem Westen laufen allesamt an diesem Hochdruckgebiet auf und drehen vor Mitteleuropa gezwungenermassen nach Norden ab. Die mit dem Aufzug der Tiefdruckgebiete einhergehende kräftige Warmluftadvektion sorgt nun gleich selbst für die unglaubliche Erhaltungsneigung des Hochdruckgebiets, indem diese den Aufbau hohen Geopotenzials immer und immer wieder stützt/vorantreibt. Die aktuell sehr winterfeindliche Ausgangslage ist quasi zur selbstversorgenden Anti-Winter-Maschinerie verkommen.

Die bisweilen völlig festgefahrene, vertrackte Lage wie sie sich heute präsentiert.

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Permanente Kaltluftflutung des westlichen Atlantiks = Tiefdruckbildung = aktiver Atlantik = Stützung des osteuropäischen Hochdruckgebiets = unmöglich für die Frontalzone endlich nach Osten hin durchzubrechen um die Karten neu zu mischen. Schauen wir einmal nach Nordostkanada, wo das Temperaturniveau derzeit und in der Prognose durchschnittlich bis unterkühlt ist.

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Letztes Jahr gab es ein Major Warming (vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Sudden_str ... ic_warming), das den Polarvortex massiv gestört und in der Folge zu einer Strömungsumkehr geführt hat. Dieses Jahr ist der Polarvortex zum Leidwesen aller Vollwinterfans hingegen bilderbuchmässig aufgestellt.

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Mittel- und längerfristig verliert der Polarvortex etwas an rundlicher Struktur, zudem zeichnet sich auf der asiatischen Seite der Nordhemisphäre ein Minor Warming ab. Dieses hat jedoch keinen Einfluss auf die Stabilität des Polarvortex und führt auch nicht zu einer Strömungsumkehr.
"Minor warmings are similar to major warmings however they are less dramatic, the westerly winds are slowed, however do not reverse. Therefore a breakdown of the vortex is never observed."
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Der AO-Index (Arktische Oszillation) verdeutlicht das zu erwartende Szenario. Die Westdrift dürfte, korrespondierend mit der leichten Abschwächung des Polarvortex, nach den Festtagen und in der Altjahreswoche allmählich etwas an Kraft verlieren, jedoch zu keinem Zeitpunkt versiegen.

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Quelle: http://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/p ... x/ao.shtml

Werfen wir zuguterletzt einen Blick nach Russland, wo unser Winter zumeist herkommt.

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Wir sehen also, dass es nicht mal in Nordrussland, Bereich Nördliche Dwina/Weisses Meer, auch nur ansatzweise einwintert. Von daher muss man davon ausgehen, dass der Winter 2014 bei uns in mitteleuropäischen Gefilden bis auf Weiteres aussetzt, freilich ist diese Aussage auf die dominierenden Grosswetterlagen bezogen. Lokale winterliche Events wie Nachtfröste, Schnee < 1'000 m und Reifbildung durch Nebel können natürlich jederzeit vorkommen, dies jedoch erweckt bei mir nicht den Eindruck echten Winters.

Beste Grüsse und trotzdem frohe Festtage an alle. :)
Rontaler
Wetterfanatisch mit Leib und Seele. :)

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Willi
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Re: Winter 2014: Wie kommen wir bloss dahin?

Beitrag von Willi »

Schöne Analyse, vielen Dank. Ich meine, dass über die 2. Winterhälfte, so ab Mitte Januar, noch kaum Aussagen möglich sind. Ich selbst bin einigermassen beruhigt, dass der NOA auch im Winter wieder mal nach oben ausschlagen kann. Ich hoffe, dass die Hochs im Stil "Varnia" für diesen Winter Geschichte sind, auch wenn die Besonnung im Flachland unüblich hoch war. Es gibt nichts öderes als leere Radarbilder ;) . Das kommende wechselhafte Wetter gefällt mir gut, da fehlt wenig, damit die Kaltluftschübe stärker werden und bei uns mind. zeitweise weisse Überraschungen möglich werden.

Schöne Festtage an alle und Gruss
Willi
Gruss Willi
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Andreas -Winterthur-
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Re: Winter 2014: Wie kommen wir bloss dahin?

Beitrag von Andreas -Winterthur- »

Wow :up: Saubere Analyse Rontaler. Hut ab und trotzdem schöne Festtage ;)

Gruss Andreas
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nordspot
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Re: Winter 2014: Wie kommen wir bloss dahin?

Beitrag von nordspot »

@ Rontaler: Super Analyse, danke :up:

Grüße

Ralph
nordspot Konstanz

Stefan Hörmann
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Re: Winter 2014: Wie kommen wir bloss dahin?

Beitrag von Stefan Hörmann »

Rontaler hat geschrieben: Nun, warum ist das so?
Leider greifen seit einigen Wochen, ja gar Monaten, die Rädchen der Wintermaschinerie perfekt ineinander - für Winter in Kanada und den USA.
Wieso leider? Muss ein milder Winter - er ist gerade 22 Tage alt - schlecht sein. Sicher ist das Dein pers. empfinden.
Rontaler hat geschrieben:Unentwegt flossen/fliessen sehr kalte Luftmassen (tlw. bis - 35°C in 850 hPa) in Richtung Nordostkanada, um im weiteren Verlauf die Zyklogenese auf dem offenen Atlantik auf Hochtouren zu bringen. Die Tiefdruckgebiete stellen sich in Reih und Glied auf und marschieren strikte Gewehr bei Fuss in Richtung Europa. Für steten Nachschub ist gesorgt, solange der westliche Atlantik mit Kaltluft geflutet wird und die Temperaturgegensätze aufrecht erhalten werden. Problematisch für Vollwetter bei uns ist hierbei jedoch das unglaublich druckresistente ost- und südosteuropäische Hochdruckgebiet, das sich seit dem 7. Dezember 2013 nicht verabschiedet hat. Die Tiefdruckgebiete aus dem Westen laufen allesamt an diesem Hochdruckgebiet auf und drehen vor Mitteleuropa gezwungenermassen nach Norden ab.
Sehe ich nicht so. Entscheidend ist der troposphärische Teil des Polarwirbels, der seit Wochen für sehr zonale Verhältnisse sorgt. Sein steuernder Kern liegt nicht etwa in einem Trog, sondern die vertiefenden Tröge zirkulieren mit ihren Tiefdruckwirbeln um ihn herum. Es ist nicht ungewöhnlich, dass mit dem Jahreszeitenwechsel sich auch die Zirkulationsform nachhaltig umstellt.
Die mit dem Aufzug der Tiefdruckgebiete einhergehende kräftige Warmluftadvektion sorgt nun gleich selbst für die unglaubliche Erhaltungsneigung des Hochdruckgebiets, indem diese den Aufbau hohen Geopotenzials immer und immer wieder stützt/vorantreibt. Die aktuell sehr winterfeindliche Ausgangslage ist quasi zur selbstversorgenden Anti-Winter-Maschinerie verkommen.
Nicht, dass die Warmluft vertrieben werden könnte... Doch dafür muss eine Änderung der Lage des steuernden troposphärischen Polarwirbels her. Dann hat der hohe winterliche Lutfdruck (normal) wenig zu melden.
Letztes Jahr gab es ein Major Warming (vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Sudden_str ... ic_warming), das den Polarvortex massiv gestört und in der Folge zu einer Strömungsumkehr geführt hat. Dieses Jahr ist der Polarvortex zum Leidwesen aller Vollwinterfans hingegen bilderbuchmässig aufgestellt.
Diesen gab es erst Anfang Januar. Es war ein normales Warming der stratosphärischen Polarwirbels. Zum vergleich die Situation 2012 und 2013.

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Nahezu deckungsgleiche Situation aktuell. Von daher kann ein (fehlendes) Major Warming zur jetzigen Zeit nicht als Trigger des Antiwinters dienen.

Angemerkt muss werden auch , dass der stratosphärische Polarwirbel sich durch Stratosphärenerwärmung meist erst im Janaur umstrukturiert. Seine Umstrukturierung wird auch auf die Troposphäre einwirken, womöglich mit des Zentrums des troposphärischen Polarwirbels, der die Tröge steiert, vielleicht dann mehr Richtung Nordmeer. Und zack...Nordwestlagen und Schnee, wo man denk, der Antiwinter würde in die Geschichte eingehen.
Werfen wir zuguterletzt einen Blick nach Russland, wo unser Winter zumeist herkommt.
Aber das ist doch Unsinn. Der Winter kommt aus Nordwesten oder Norden. Schnee. Aus Russland kommt selten Schnee. Winter, wie ihn die Schweizer definieren, mit Schnee und Kälte, der kommt sicher nicht aus Russland. Eis bringende Bise ist nicht gleich Winter.

Keine Ahnung wie der weitere Winterverlauf wird. Vielleicht ist die aktuelle Situation auch der Auftakt zu einer längeren, stark zonal geprägte Phase, nach vielen Jahren mit hoher Meridionalneigung? Vielleicht ist das aber auch nur eine kurze Phase mit hohem Zonalindex und schon im Janaur verfallen wir wieder ins altbekannte Muster? Wir werden es sehen. Verwunderlich wäre das Eintreffen einer langanhaltenden Westphase nicht. Wer erinnert sich noch an die stark westlastigen 90er?
Zuletzt geändert von Stefan Hörmann am So 22. Dez 2013, 20:51, insgesamt 2-mal geändert.
Viele Grüße,
Stefan, Ehingen/Donau, 545NN, Südrand Schwäbische Alb
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Re: Winter 2014: Wie kommen wir bloss dahin?

Beitrag von Zumi (AI) »

So schlecht war der Winter hier bis anhin gar nicht: seit dem 20.11. hat es in unserer Region auch in tieferen Lagen durchgehend Schnee und geschneit hats davor auch schon ein paar Mal. Zusätzlich gab es ein paar wirklich sonnige Wintertage (einige davon erst noch am Wochenende! ). Wenn man nicht gerade auf die Südhänge schaut, gibts sogar weisse Weihnachten. Allerdings ist jetzt ein bisschen Schneenachschub nötig - scheint ja aber zu klappen am 25/26.12.

DomE
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Re: Winter 2014: Wie kommen wir bloss dahin?

Beitrag von DomE »

Das stimmt überhaupt nicht dass es bis jetzt ein milder Winter war. Es war viel zu trocken und gab fast keine Niederschläge. Wenn man sich die Temperaturverläufe der Station Luzern anschaut war es bis jetzt im Dezember sogar deutlich kühler im Vergleich zum Durchschnitt von 1980 - 2010. Und bei den meisten Mittellandstationen ist es gleich wie in Luzern. Auch gab es bis zum 20. Dezember an vielen Stationen jeden Tag Temperaturen unter Null Grad. In Winterthur gab es bis zum 20. Dezember an 20 Tagen Temperaturen unter Null. Da wird man nicht viele Jahre finden wo es so war.

http://www.meteoschweiz.admin.ch/web/de ... tation=LUZ


Chicken3gg
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Re: Winter 2014: Wie kommen wir bloss dahin?

Beitrag von Chicken3gg »

Kalt genug war er bisher, der Winter. Eher unterdurchschnittlich denke ich (wobei die nächsten Tage dies ändern könnten).
Aber schaut man ihn aus Basler Sicht an - ist es nur zum Heulen.

Wir hatten 2x Schneefall. Beide Male war der Schnee bis zum Mittag wieder weggetaut.
Der Dezember dann brachte mit 2 Wochen Reif am Stück mehr weiss als der Schneefall.

Vor allem, wenn man so hört (und auch selbst gesehen hat), dass z.B. in Zürich gut und gerne mal 5-10cm Schnee lagen und liest, dass in Bern Belp eine Woche lang alles weiss war und Nachtfröste bis -8°C auftraten während mehrerer Tage ist dies purer Hohn und Spott für einen Winterliebhaber hier.

Am 22. Nov. 2013 wurde am Flughafen Basel Mulhouse der einzige Zentimeter Schnee registriert bisher. 1x 1cm, sonst nichts.

Ausserdem hatten wir bis und mit 18. Dezember etwa 6-8mm Niederschlag, mittlerweile 15.6mm (-71% der Norm)...


Ich weiss, Basel ist keine Schneedestination. Aber gibt es viele Winter, die bis Neujahr gerade mal 1cm Neuschnee bringen?

221057Gino
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Re: Winter 2014: Wie kommen wir bloss dahin?

Beitrag von 221057Gino »

hallo zusammen

23.12.2013
northern hemisphere
polar cortex ... splitting ?

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Michi, Uster, 455 m
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Re: Winter 2014: Wie kommen wir bloss dahin?

Beitrag von Michi, Uster, 455 m »

Immer wieder spannend anzusehen die CFS-Prognosen (bis zu 9 Monate voraus), jaja ich weiss ;-)
http://www.meteociel.fr/modeles/cfse_cartes.php

SIe machen gegen Mitte Januar mal was an einem blockierenden Nordeuropahoch herum, bevor es mit einer zügigen Westströmung Ende Januar usw. weitergeht...
Die grossräumige Entwicklung für Europa hatten für November/Dezember Wochen im Voraus bestens im Griff!

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