Ciao zäme
Ja, vergangenen Donnerstag, den 12. Juni war eine spezielle, hochinteressante Gewitterlage! Eine 1A-Loaded-Gun, welche m.E. zusammen mit etwas mehr Windscherung gefährliche, langlebige Superzellen hätte produzieren können. Aber auch so waren die Gewitter alles andere als harmlos, im Gegenteil: Grosser Hagel im Limmattal, grosse Hagelmengen in Rüderswil, Hochwasser im Raum Luzern und Sturzfluten resp. Erdrutsche im Sarganserland – um nur einige zu nennen. Kein Wunder bei der Energie, welche zur Verfügung gestanden hat.
Mein Bericht zur Zelle zwischen Aarau und Lenzburg:
Federwolke hat geschrieben:Absolut chaotische Entwicklung jetzt. Vor allem Bözberg-Aarau im Rücken der soeben in Richtung Zürich abgezogenen Zelle ist der Hammer. Von 0 auf 100 in 10 Min.
Gegen 17 Uhr, als die „Limmattaler Hagelzelle“ (nachfolgend L-Zelle genannt) von Döttingen aus Richtung Zürich zog, wehte in Lenzburg ein stürmischer Westwind (vermutlich saugte die Zelle an). Bereits da war nordwestlich von meinem Standort eine gesunde Quellung auszumachen.
16.59 Uhr (Handybild):
Kurze Zeit später, der Wind drehte um 180° (vermutlich Outflow der L-Zelle), explodierte die Quellung förmlich.
17.09 Uhr (Handybild):
Zehn Minuten später dann erste Niederschlagsechos über dem Bözberg.
Während sich diese Zelle prächtig entwickelte, zeigte sich im Osten den sich über Dietikon entleerenden Hagelschlot der L-Zelle:
17.29 Uhr (Handybild):
Radarbild zur selben Zeit:
Quelle: Meteotest.ch
Kurz nach 18 Uhr sah die Zelle nordöstlich von Aarau erstmals organisiert aus:
Von da an galt ihr meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Ich packte die Kamera und begab mich auf die Dachterrasse, wo ich eine phänomenale Sicht auf die dunkle, runde Aufwindbasis hatte. Sie war deutlich vom Abwind getrennt und es war offensichtlich, dass es sich hierbei um eine Mesozyklone handeln musste. Rotation konnte ich von Auge aber nicht erkennen.
18.10 Uhr:
Plötzlich wurde es auf der Nordseite der Wallcloud turbulent. Eine Tailcloud arbeitete sich Richtung FFD (Forward Flank Downdraft) vor, Wolkenfetzen wurden deutlich sichtbar nach oben in den Aufwind gesogen – rotiert hat das Ding nicht.
Folgende vier Bilder habe ich um 18.16 Uhr gemacht (leider mit Grossbaustelle drauf):
Spätestens jetzt schoss Adrenalin in meine Adern…
Zu diesem Zeitpunkt war die Zelle in etwa über Rupperswil/Hunzenschwil – die Wallcloud südöstlich des Downdrafts.
Quelle: Meteotest.ch
Was passierte jetzt? In welche Richtung würde die soeben entstandene mutmassliche Superzelle ziehen? Verstärkt sie sich dabei? Entwickelt sich womöglich noch eine Funnelcloud? Tausende Gedanken schossen durch meinen Kopf. Ich war gespannt wie eine Feder, darauf, was jetzt gleich passieren würde..
Doch was ich soeben vor die Linse bekommen hatte, war – zumindest von meinem Standort aus – wohl schon der Höhepunkt gewesen. Denn während die Zelle langsam nach Süden wegzog, disorganisierte sich die Wallcloud mehr und mehr. Bald erreichte mich der FFD mit riesigen Tropfen und wenigen eher kleinen Hagelkörnern.
Wie folgt eine Radarbild-Sequenz von 18.10 bis 18.30 Uhr:
Und hier die Entwicklung im Zeitraffer (17.10 Uhr - 18.35 Uhr):
Quelle: Meteoradar.ch
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Themenwechsel..
Federwolke hat geschrieben:Irgendwo muss die ganze Luft, welche der Cluster in der Zentralschweiz in die Höhe bläst, ja auch wieder runterkommen. Scheint so, dass dies vor allem in der Westschweiz geschieht. Neuentwicklungen dort eher unwahrscheinlich, anhand des Höhenkeils im Südwesten auch logisch.
Eine Grafik dazu:
Quelle:
http://www.mmm.ucar.edu/mm5/On-Line-Tut ... hysics.pdf
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Matt (Thalwil) hat geschrieben:In Thalwil gabs neben Regen auch Hagelkörner bis rund 1cm, stark abgeflacht und deshalb mit nicht allzu hoher kinetischer. Energie.
Gruess, Matt
Hoi Matt, kannst du mir das bitte genauer erläutern? Mich interessiert, was du damit meinst. Danke im voraus!
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Markus Pfister hat geschrieben:
Der Kern des Niederschlags liegt etwa bei Mels, respektive noch etwas südwestlich davon im Weisstannental zwischen Mels und Schwendi. Ich fahre ein Stück in den Core rein, aber es ist so dunkel, und schüttet so extrem ohne Unterbruch runter, dass es mir zu heiss wird, auf dem schmalen Strässchen womöglich in die Falle zu fahren, zumal bereits da und dort Bächlein mit Geröll und Schlamm über die Strasse fliessen. Ich möchte nicht die Nacht im Weisstannental verbringen, weil ich nicht mehr rauskomme. Also kehre ich auf halbem Weg um, und werde bei der Rückfahrt prompt von Locals gefragt, ob man noch rein kommt nach Schwendi, oder ob Geröll die Strasse bereits verschüttet hat. Auch ein Polizeifahrzeug kommt mir entgegen und fährt taleinwärts. Es hat dort hinten vorsichtig geschätzt 50 bis 60mm in einer Stunde runtergehauen, ständig begleitet von lauten Donner-Böllern. Was für eine heikle Situation, in die man sich da plötzlich reinmanövrieren könnte. Ich habs nicht getan, sondern mache mich gegen 21 Uhr mit dem letzten Tageslicht auf den Rückweg nach Gais.
@Markus: Danke für deinen spannenden Bericht ! Das erinnert mich an mein Erlebnis am Napf vor 7 Jahren. Gute Entscheidung von dir, rechtzeitig wieder umzukehren. Mit Sturzfluten in den Bergen ist nicht zu spassen!
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@Kai: Danke für die Radaranalyse, Links und Webcambilder zum Ereignis in Rüderswil! Bilder von Andreas vom Tag danach sowie die auf TeleBärn ausgestrahlte Meldung der beschädigten Autos belegen, dass der Hageldurchmesser zumindest mancherorts > 3 cm gewesen sein muss
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@Andreas: Danke für die Bilder, eindrücklich!
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Kaiko (Döttingen) hat geschrieben:
PS: Zunzgen bis Bubendorf im Baselland übrigens auch >40mm innert einer Stunde.
Gemäss einer Meldung soll es in Lampenberg (BL) – liegt wenige Kilometer von Zunzgen und Bubendorf entfernt - Waldschäden durch einen möglichen Microburst gegeben haben. Zeitpunkt: irgendwann zwischen 21 bis 22 Uhr. Abklärungen sind noch im Gange.
Gruss,
Chris