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Kaltluftseen

Verfasst: So 8. Jan 2017, 21:14
von Chicken3gg
Mich würde ja wunder nehmen, wenn man zu Testzwecken in ein paar Dolinen im Jura Messgeräte aufstellen würden.
Es gibt bestimmt weitere Senken und Dolinen z.B. im Jura, die evtl. noch ein deutliches Stück kälter werden können als La Brévine.
In der Gemeinde Bassine gibt es ein richtigehendes Loch, 1196 m ü.M. am tiefsten Punkt, rundherum geht es mind. 55 bis >100 Meter hoch.
https://goo.gl/maps/bFyafiMZKa32
Auf Google Earth sieht man es echt schön (Höhenmodell 2x eingestellt):
Bild
Bild

Sieht doch zumindest auf den ersten Blick nach viel mehr Potential für eine Kaltluftansammlung aus, als das langgezogene und ziemlich Flache Hochtal bei La Brévine:
Bild


Aber auch knapp nördlich kann sich sehr wahrscheinlich die kalte Luft jeweils gut ansammeln:
https://goo.gl/maps/FPvMKWdM6VK2
https://goo.gl/maps/Fz94bBBRtBp
https://goo.gl/maps/Ywzc3FC3d9D2


Gibt es da schon Testmessungen, etc...?

Re: Tiefe Temperaturen Do - Sa, 05.01.2017 - 07.01.2017

Verfasst: So 8. Jan 2017, 22:08
von Federwolke
Aus der Sèche des Amburnex (dein letzter Link) gibt es historische Messungen. Sollte über Google zu finden sein. Grundsätzlich sind weite Täler mit wenig Wald die effizienteren Kaltluftseen als locker bewaldete Senken. Wald speichert Wärme. Das Tal von La Brévine ist daher fast perfekt. Allerdings muss dort immer zuerst der nahe See überfrieren, bevor Rekorde purzeln können.

Re: Tiefe Temperaturen Do - Sa, 05.01.2017 - 07.01.2017

Verfasst: So 8. Jan 2017, 22:47
von Thomas Jordi (ZH)
Cedric, lies die neue Promet des DWD. Cooler Artikel über genau das Thema...

Re: Tiefe Temperaturen Do - Sa, 05.01.2017 - 07.01.2017

Verfasst: Mo 9. Jan 2017, 00:23
von Stephan
Was die Combe des Amburnex angeht, kann ich das Buch "Le Parc Jurassien Vaudois", Edition 24 heures, 1994, ISBN 2-8265-1099-1 empfehlen. Ist nur noch antiquarisch oder in Bibliotheken erhältlich. Da gibt's ein schönes Kapitel über das Klima im Waadtländer Jura und einen Exkurs über das "Vallon des Amburnex".

Ich bin im Kontakt mit dem Autor und versuche mehr über die dort erwähnten -45 °C bis -47 °C, welche im Januar 1985 gemessen worden sein sollen, zu erfahren. Kaltluftsee-mässig entdeckt wurde die Combe des Amburnex, wie sie normalerweise bezeichnet wird, durch Samuel Aubert (1871 - 1955), der 1901 zum Thema "La flore de la Vallée de Joux" an der Universität Zürich promoviert hat. Meines Wissens wurden in diesem Kontext die ersten systematischen Untersuchungen in Kaltluftseen durchgeführt.

Seit 2012 wird dort durch Agrometeo eine automatische Station betrieben (die Daten sind gratis abrufbar), zuvor gab es immer wieder Perioden mit z.T. langjährigen Messungen - leider halt nicht durchgängig...

Im Jura gibt es eine recht aktive aber eher verschwiegene Community von Leuten, die sich der Suche von Kaltluftseen widmen:
http://www.localsat.net/forum/forum/135 ... s-des-taf/. Im Zweifelsfalle sind die von Cedric erwähnten Kandidaten bereits von den Leuten dort im Visier...

NIcht allzu weit weg von Allschwil entfernt gibt es jedoch einen interessanten Kandidaten - vielleicht nicht unbedingt um mit der Glattalp oder La Brévine zu konkurrenzieren, aber wegen seiner Höhenlage: Auf dem Gebiet der Gemeinde Seewen gibt es einen durch einen Bergsturz aufgestauten und mittlerweile wieder ausgelaufenen See. Die Überlaufhöhe beträgt doch immerhin fast 20 m: https://map.geo.admin.ch/?topic=ech&lan ... air=marker.

Re: Tiefe Temperaturen Do - Sa, 05.01.2017 - 07.01.2017

Verfasst: Mo 9. Jan 2017, 09:53
von Philippe Zimmerwald
La Brevine ist sicher nicht der kälteste Ort im Jura, deshalb ist Cedrics Frage interessant. Zur Messung in Trois Chalets (Fabiennes Hinweis):
BLOESCH & CALAME (1994) ont comparé en 1988 les températures enregistrées aux Trois Chalets avec celles de la Brévine, considéré comme le point le plus froid de Suisse et d’Europe occidentale, et ont trouvé une température moyenne systématiquement 4 à 5° plus basses aux Trois Chalets.Mais, comme toujours, les moyennes reflètent peu les conditions réelles endurées par les plantes. Et dans le cas présent, c’est avant tout le gel qui pose des problèmes. Pas un mois ne se passe sans avoir de gel, et les jours de gel peuvent être nombreux, comme 31 jours en mai 91, 14 jours en juillet 96 (avec 4 nuits consécutives inférieures à -5°), ou 17 jours en août 91. Les valeurs les plus basses observées pendant la période de végétation sont -14.7° le 5 mai 91, -8.4° le 6 juin 89, -6.6° le 16 juillet 89, -9.5° le 30 août 93 et -11.4° le 6 septembre 93. Ces coups de gel sont souvent accompagnés de grandes amplitudes thermiques, tout particulièrement en hiver, comme le 16 février 88 où la température a passé de -30.5° à 7.7° (amplitude de 38.2°), mais également en été, avec, comme valeur extrême, un minimum de -0.1° et un maximum de 29.7° (amplitude de 29.8°) le 25 août 92. Ce jour fut aussi le jour le plus chaud pendant les 10 années de mesures faites dans la combe des Amburnex.
Quelle:
https://serval.unil.ch/resource/serval: ... 3.P001/REF

PS: Offene, waldlose Ebenen dürften für tiefe Tmin günstig sein, für tiefe Tjahr sind hingegen bewaldete, schattige Dolinen/Karstsysteme/Höhlen ideal - dort gibts ja die JuraGletscher.
http://www.kley.ch/hansjoerg/2014/2014_ ... esi_NE.pdf

Grüsse
Philippe

Re: Tiefe Temperaturen Do - Sa, 05.01.2017 - 07.01.2017

Verfasst: Mo 9. Jan 2017, 14:05
von Thomas Jordi (ZH)
Nochmals Werbung für promet:
http://www.dwd.de/DE/leistungen/pbfb_ve ... bId=370522

Inhaltsverzeichnis gleich hier.
Es geht im Paper von Dorninger um die Doline "Grünloch", wo das TMin immerhin bei -52.6 °C liegt.
Google Maps

Re: Tiefe Temperaturen Do - Sa, 05.01.2017 - 07.01.2017

Verfasst: Mo 9. Jan 2017, 14:11
von Stephan
Bis die aktuelle promet-Ausgabe in etwa einem Jahr auch für Nicht-Abonnenten online verfügbar ist, können sich diese (und allen anderen auch) die Zeit mit der sehr lesenswerten Diplomarbeit von Berhard Pospichal vertreiben: https://img.univie.ac.at/fileadmin/user ... pichal.pdf. Hier wird das Grünloch bzw. die dortigen Messkampagnen ausführlich beschrieben.

Gruss, Stephan

Re: Kaltluftseen

Verfasst: Mo 9. Jan 2017, 17:52
von Uwe/Eschlikon
Ich vote immer noch für die Dejenalp in den Glarner Alpen: keine Sonne im Winter, schmale abflusslose Senke und knapp 1700m hoch. Mit Bestimmtheit kälter als die Glattalp. Ich war in vergangenen Jahren im Herbst/Spätherbst mehrere Male dort oben...ab Oktober ist meist schon alles gefroren und mit Rauhreif bedeckt :roll:

Der Haken: Im Winter kaum oder nur erschwert zugänglich.

https://map.geo.admin.ch/?lang=de&X=212 ... air=marker

Re: Kaltluftseen

Verfasst: Mo 9. Jan 2017, 21:08
von Stephan
Uwe/Eschlikon hat geschrieben:Ich vote immer noch für die Dejenalp in den Glarner Alpen: keine Sonne im Winter, schmale abflusslose Senke und knapp 1700m hoch. Mit Bestimmtheit kälter als die Glattalp. Ich war in vergangenen Jahren im Herbst/Spätherbst mehrere Male dort oben...ab Oktober ist meist schon alles gefroren und mit Rauhreif bedeckt :roll:

Der Haken: Im Winter kaum oder nur erschwert zugänglich.

https://map.geo.admin.ch/?lang=de&X=212 ... air=marker
Die Dejenalp ist zwar um einiges tiefer als die Glattalp (ca. 55 m), sie hat aber einen entscheidenden Nachteil: der Sky View Factor ist zu tief (0.75 - 0.8 -> Glattalp: >0.9)

Bild

Der Sky View Factor ist der sichtbare Anteil des Himmels: bei einer Ebene beträgt er 1, in einer tiefen Schlucht wird er sehr klein. Der Sky View Factor parametrisiert den Umstand, dass der Betrag der zur Erdoberfläche hin gerichteten Gegenstrahlung bei klarem Himmel und trockener Luft sehr viel kleiner ist als die langwellige Abstrahlung der Erdoberfläche (hier im speziellen: die Flanken bzw. Hänge eines Kaltluftsees). Kurz: Grosser Sky View Factor = grosse Abstrahlung = grosser Wärmeverlust = effiziente Abkühlung und umgekehrt.

Der Sky View Factor erklärt, was die statische Disposition einer Senke angeht, das Auftreten extrem tiefer Temperaturen wohl am besten. Andere Einflussfaktoren sind hier zusammengestellt: https://kaltluftseen.ch/grundlagen/geom ... -faktoren/



Was das ausmachen kann, zeigen der Sämtisersee bzw. die Senke bei Hintergräppelen im Alpstein. Hier mal die geomorphologischen Kennwerte:

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Merkmale                            Sämtisersee            Hintergräppelen
Tiefste Stelle                     ~1209 m	              ~1286 m
Höhe Überlaufstelle                 1279 m                1330 m
maximale Tiefe	                    ~70 m	                ~44 m
Fläche auf Höhe der Überlaufstelle  1.28 km2              0.36 km2
Volumen des Kaltluftsees            51'292'000 m3	        2'087'271 m3
Einzugsgebiet des Kaltluftsees      13.21 km2             2.36 km2
Sky View Faktor	                    0.84 - 0.87           0.89 - 0.94
... und hier ein Fallbeispiel aus dem letzten November:

Bild

--> Hintergräppelen wird in den beiden Fällen 6 - 9 K kälter als der Sämtisersee.

Gruss, Stephan

Re: Kaltluftseen

Verfasst: Di 10. Jan 2017, 09:06
von Uwe/Eschlikon
Hallo

Und wie hoch ist der Einfluss der Sonneneinstrahlung tagsüber? Vor klaren Nächten scheint ja meist auch die Sonne und erwärmt die Luftschicht, was auf der Glattalp der Fall ist, auf der Dejenalp jedoch nicht. Oder ist das vernachlässigbar?

Das mit der Abstrahlung stimmt, aber das Luftvolumen auf der Dejenalp ist im Verhältnis auch viel kleiner, gleicht sich das nicht aus?