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Kaltluftseen

Grundlagen und Expertenwissen.
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Stephan
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Stärke und Häufigkeit von Inversionen in Hintergräppelen

Beitrag von Stephan »

Seit Ende September 2017 steht in Hintergräppelen neben der Hauptstation in der Senke eine Nebenstation am Mittelberg:
Stephan hat geschrieben: Do 28. Sep 2017, 01:25 Und wenn man schon grad dran ist, dann kann man auch gleich den Hang zur Dritt-Station ausleben:

Bild

Diese Nebenstation ist über dem Kaltluftsee platziert: Damit lässt sich die Stärke der Inversion bestimmen.
Mittlerweile sind mehr als ein Jahr mit Daten aufgelaufen. Zeit, einen ersten Blick in diese zu werfen und zu kucken, wie es sich mit den vertikalen Temperaturunterschieden so verhält. Ausgewertet wurde das tägliche Maximum der Differenz zwischen der Senke und der Hanglage über dem Kaltluftsee. Leider gab es nach dem 12. Oktober 2018 Probleme mit dem Logger am Mittelberg, sodass nur 377 Tage ausgewertet werden konnten. Hier die Resultate auf einen Blick:

Bild

Folgende Punkte Fallen auf:
  • An etwa 6 von 7 Tagen trat eine erwähnenswerte Inversion auf (>2 K)
  • An 5 von 7 Tagen war die Inversion stärker als 5 K - das merkt auch der unbedarfte Wanderer schon ganz gut am eigenen Leib. Maximum erstaunlicherweise im Hochsommer...
  • In jedem Monat traten Inversionen von mehr als 10 K auf. Bei dieser Klasse lohnt sich die Betrachtung über den Jahresverlauf: Von einer stabilen Hochdrucklage geprägt war der Oktober 2018. In den Monaten November und Dezember 2017 lag ordentlich Schnee und es gab immer wieder Strahlungsfenster, welche hier die Werte in die Höhe treiben. Grausam für einen Hochwintermonat dann der Januar 2018. Der Februar war zwar relativ kalt, jedoch gab es häufig auch Phasen mit hochreichendem Hochnebel. Interessant dann die Phase der Schneeschmelze im April: Es ist zu vermuten, dass unten im Kaltluftsee der Schnee noch konserviert wird, während es weiter oben schon ausapert – mit dem entsprechenden Einfluss auf den Temperaturverlauf. Im Mai zeigt sich vermutlich, dass sich die komplette Ausaperung in einer ersten Phase auf die Bodenfeuchte durchschlägt, welche die beginnende meteorologische Trockenheit zu kompensieren vermag: sowohl die Anzahl als auch die Stärke der Inversionen ist gedämpft. Über die Sommermonate nimmt dann die Stärke und Anzahl der Inversionen wieder zu – Stichworte: blockierende Wetterlagen und Trockenheit…
  • Inversionsstärken von mehr als 20 K sind auf Situationen mit Schnee am Boden beschränkt und extreme Inversionen von mehr als 25 K traten nur an drei Tagen im Dezember 2018 auf - interessanterweise während sog. Persistent Cold-Air Pool (PCAP)-Situationen, als der Kaltluftsee über mehrere Tage hinweg nicht ausgeräumt wurde, und nicht etwa in den Situationen mit den tiefsten Minima Mitte bzw. Ende Februar 2018.
Gruss, Stephan

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Stephan
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Neue Station mit Echtzeitdaten in La Chaux-d‘Abel

Beitrag von Stephan »

Seit dem 28. Dezember gibt es eine neue Messstation mit Echtzeitdatenübertragung in der Senke beim Hochmoor von La Chaux-d’Abel im Berner Jura.

Hier der Blick von oben auf den Kaltluftsee:

Bild

An seiner tiefsten Stelle ist die Senke 50 m (Schluckloch in einer Schlucht), flächig ausserhalb etwa 30 m tief. Der Kaltluftsee weist auf der Höhe des Überlaufpunktes eine Fläche von ca. 2.35 km2 auf, der für tiefe Temperaturen essentielle Sky View Faktor weist mit >0.99 phänomenal hohe Werte auf.

Seit Mitte Juli 2018 wurden Testmessungen durchgeführt und am 12. Dezember konnte das bisherige Minimum von -23.9 °C registriert werden. Dieser Wert liegt um fast 4 Grad tiefer als das Minimum, welches gleichentags in La Brévine registriert wurde (vgl. z.B. MeteoSchweiz-Blog „Herrlich frisch“ vom 12. Dezember 2018: http://www.meteoschweiz.admin.ch/data/b ... risch.html). Hier die Übersicht über die Daten der Teststation für den Dezember:

Bild

Die definitive Station mit Echtzeitübertragung der Daten wurde so aufgestellt, dass sie im erlaubten Bereich liegt (Schutzgebiet!), möglichst weit weg von störenden Einflüssen (2 Weiher, vgl. Bild weiter unten sowie Wald) aufgestellt ist und trotzdem möglichst tief unten in der Senke liegt:

Bild

Hier der eine der beiden oben angesprochenen Weiher (man beachte das einige cm dicke Schwarzeis sowie den generell den fehlenden Schnee):

Bild

Zusätzliche Infos zur Station und zur Lage gibt es unter dem folgenden Link: https://kaltluftseen.ch/la-chaux-dabel/

Die Messdaten sind unter https://kaltluftseen.ch/la-chaux-dabel- ... messwerte/ zu finden.

Beste Grüsse, Stephan


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Stephan
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Re: Kaltluftseen

Beitrag von Stephan »

Vergangenen Samstag war wieder mal Loggerauslesen angesagt. Der Januar war in Hintergräppelen bisher recht frisch:

Bild

Es haben sich recht regelmässig Inversionen ausgebildet, Temperaturen von unter -20 °C traten mehrfach auf:

Bild

Auch wenn kaum eine Nacht perfekt (im Sinne von ungestört) war, gab es in der Nacht vom 22. auf den 23. Januar ein Minimum von -32.2 °C (nur auf der Glattalp war es noch ein gutes Grad kälter).

Speziell war der Verlauf der Temperatur am vergangenen Freitag: bis in den Morgen hinein bewölkt. Am Vormittag reisst es auf, die Strahlungsbilanz wird negativ und die Temperatur sinkt mehr oder weniger konstant bis am Abend, bevor aufziehende Warmfrontbewölkung die Temperatur wieder ansteigen lässt. Gegen Mitternacht kommt dann noch etwas Windunterstützung hinzu und räumt den Kaltluftsee mit einem Temperaturanstieg von 10 Grad innerhalb von 20 Minuten endgültig aus:

Bild

Severestorms
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Re: Kaltluftseen

Beitrag von Severestorms »

Hallo Stephan

Wie sieht es eigentlich mit dem Muttsee auf 2'446m als möglichen Kaltluftsee-Kandidat aus? Im Westen, Norden und Osten der Senke stehen Bergflanken und die Staumauer im Süden ist immerhin bis zu 35m hoch.


Bild

Foto: Axpo / Quelle: https://www.espazium.ch/de/aktuelles/veredeltes-elixier


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Quelle: https://www.muttseehuette.ch/lagezustieg/

Wegen des vermutlich stark schwankenden Seepegels (Stausee) wäre die Platzierung eines geeigneten Messstandort mit Sicherheit eine besondere Herausforderung. Was meinst du dazu?

Gruss Chris
Founder, Owner and Operator of SSWD - Engaged in Science & Research since 1997.
Follow @SturmarchivCH on Twitter to get accurate information about severe, extreme or unusual weather events in Switzerland - fast and reliable.

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Stephan
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Re: Kaltluftseen

Beitrag von Stephan »

Ciao Chris

Primavista sicher interessant, aber ich vermute nicht, dass der Muttsee zu absoluten Extremen neigt. Er hat sicher eine klare Saisonalität (Regimewechsel bei Zufrieren/Schmelzen des Eises auf dem See). Wie du bereits schreibst, wird der schwankende Seepegel einen wesentlichen Einfluss haben - und noch wenn man das handeln könnte (z.B. mit Boje/Floss), dann bliebe die Frage nach der Interpretation der Minima bei unterschiedlichen Seeständen... Ich probiere mal einige Satellitenanalysen aufzutreiben: daraus liesse sich exemplarisch sehen, ob sich der Muttsee auf besondere Weise hervortut.

Gruss, Stephan

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