Dr. Funnel hat geschrieben:
Ich möchte noch eine Frage in die Runde werfen. Bisher ging ich davon aus, dass die Bildung von Wasserhosen am Morgen verstärkt wird, wenn die Sonne aufgeht und mit der aufkommenden Thermik auch Bewegung in die Luftmasse am Boden kommt. Für diese Theorie sprechen die schönen Bilder, die etliche Wasserhosen im orangen Licht nach Sonnenaufgang am Morgen des 26. August über dem Zürich- und Zugersee zeigen.
Offensichtlich ist dies aber nicht unbedingt nötig. Deshalb gehe ich davon aus, dass es bisher viel mehr nächtliche Wasserhosen gab, die einfach niemand gesehen hat. Wären die jetzigen Wasserhosen über dem Bodensee während der Nacht nicht so gut dokumentiert worden, würde man doch automatisch davon ausgehen, dass es keine gegeben hat.
Was meint ihr dazu?
Hallo Andreas
Danke für den Gedankenanstoss. Ich gehe mit dir einig, dass es vermutlich eine grosse Dunkelziffer an nicht registrierten Wasserhosen gibt. Spuren hinterlassen sie ja nicht und wenn Wolken das Mondlicht und Regenvorhänge irdische Lichtquellen verdecken und es dazu nicht mal blitzt, ja dann wird es extrem schwierig so eine nächtliche Wasserhose zu sehen.
Im vorliegenden Fall fällt auf, dass sich die zahlreichen Wasserhosen am Bodensee ausschliesslich vor Sonnenaufgang und die Wasserhosen am Zuger- und Zürichsee erst danach bildeten (über nächtliche Aktivität ist bei letzteren Seen bislang nichts bekannt). Bekanntlich ist es immer ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren, welche zur Bildung von Wasserhosen führen. Die wichtigsten «Zutaten» sind wohl eine mehr oder weniger beständige Bodenwindkonvergenz (horizontale Scherung) über dem Wasser und damit einhergend eine quasistationäre Lake-Effect-Zelle, eine stark feuchtlabile Schichtung in der Peplosphäre, sowie dynamische Hebung (Trog, PVA, etc.).
Im Forecast rechneten wir aufgrund des frühen Durchschwenkens der Trogachse und der im östlichen Bodenseebereich modellierten nächtlichen Schauerzelle eigentlich unisono damit, dass die Bedingungen dort bereits vor Sonnenaufgang sehr gut sein würden. Deswegen sind auch viele von uns bereits mitten in der Nacht angereist. Dass es dann wie erwartet auch zu Wasserhosen gekommen ist und nach Sonnenaufgang, also nach Durchzug der Trogachse nicht mehr, lässt mich davon ausgehen, dass im Fall vom Bodensee tatsächlich die Position der Trogachse das Zünglein an der Waage war. Die Höhendivergenz verstärkte den Aufwind an der vorhandenen Konvergenz und führte zum bekannten Pirouetteneffekt der zunächst unsichtbaren Konvergenzwirbel. Ich vermute, dass die Konvergenz (NW Wind postfrontal versus SE Wind aufgrund nächtlichem Ausfliessen aus dem Rheintal) in diesem Fall weniger stark ausgeprägt war als üblich und sie daher ohne Höhenunterstützung nicht mehr genügend starke Aufwinde zu produzieren vermochte.
Die Situation am Zuger- und Zürchersee war offenbar eine andere. Die Trogachse war zu dem Zeitpunkt bereits durch. Man darf also davon ausgehen, dass dynamische Hebung nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Ich denke, dass hier vor allem lokale Begebenheiten die Bildung der Wirbel erst ermöglicht haben. Damit meine ich zum Beispiel eine starke Konvergenz und/oder erhöhte Labilität. Letzteres könnte in der Tat mit dem Aufgehen der Sonne in Zusammenhang stehen und damit das Zünglein an der Waage gewesen sein. Dafür spricht der Zeitpunkt.
Es wäre aufschlussreich, mehr über das lokale Windfeld der drei Seen zu erfahren beziehungsweise wie es sich im Laufe der Nacht und am frühen Morgen verändert hat.
Was denkt ihr?
Gruss Chris