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Sommertage und erste Hitzetage vom 01.-05.06.2019

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Federwolke
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Re: Sommertage und erste Hitzetage vom 01.-05.06.2019

Beitrag von Federwolke »

Laut dem WMO-Stationskatalog sind folgende SwissMetNet-Stationen internationale Klimareferenz-Stationen:

Basel/Binningen
Payerne
Zürich/Fluntern
Säntis
Genève/Cointrin
Gr. St. Bernhard
Sion
Lugano

Für die landesinternen Statistiken werden noch einige Stationen mehr hinzugezogen. Man sieht, dass alle Grossregionen und zwei Bergstationen vertreten sind. Kritisch ist bei dieser Auswahl eigentlich nur Sion, das in der näheren Umgebung brutale Veränderungen durchmachen musste, besonders durch den Bau des Hangars im Südwesten. Genf könnte demnächst kritisch werden, weil drumherum stetig gebaut wird, dort wäre aber zumindest genug Platz für eine Stationsverlegung vorhanden, wenn nötig. Die anderen Stadt- bzw. Stadtrandstationen sind gut durchlüftet und daher akzeptabel.

Bei einem solchen Mix ist es sogar gut, wenn einzelne Stationen den urban heat effect mit abbilden. Denn angesichts des sich stetig ausbreitenden und die Umwelt verändernden Menschen ist nicht nur die Erwärmung durch das CO2, sondern auch durch die Flächenversiegelung ein wichtiger Faktor. Die Klimatologen sind schon schlau genug, nur jene Stationen mit über die Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte nahezu unveränderter Umgebung herauszufiltern, wenn es darum geht, nur die Erwärmung durch das CO2 nachzuweisen. Dafür gibt es bei der WMO eine eigene Kategorie der "Centennial Observing Stations" (in der Schweiz sind dies Gr. St. Bernhard und Säntis, und hier gibt's die ganze Weltkarte: https://public.wmo.int/en/our-mandate/w ... g-stations).

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Rontaler
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Re: Sommertage und erste Hitzetage vom 01.-05.06.2019

Beitrag von Rontaler »

Hallo zusammen

Zum Thema Messorte und deren Aussagekraft oder Richtigkeit nachfolgend einige TMax von gestern, Schwerpunkt Innerschweiz (MeteoGroup und offizielle MCH-Stationen):

Bild
Quelle: http://www.meteocentrale.ch/de/wetter/h ... turen.html + eigene Aufbereitung

Die offiziellen MCH-Stationen habe ich grün hinterlegt und fett markiert, sie dienen der Einordnung der gemessenen TMax der MeteoGroup-Stationen in dieser Liste.

Auf den ersten Blick würde man jetzt vermutlich sagen, dass die MeteoGroup-Stationen mit TMax > 30 °C falsch/zu hoch sein müssen, da ja die beiden MCH-Stationen Luzern nur 28.7 °C resp. 29.7 °C als TMax registriert haben.

Der zweite Blick jedoch offenbart jedoch noch einiges mehr als nur "ist falsch, ist zu hoch":

1.) Die MCH-Stationen Gersau, Luzern, Wädenswil und Cham haben allesamt eine grössere Fläche (kühles) Wasser in der Nähe und zwar buchstäblich jeweils dort woher gestern der Wind wehte.

=> Gestern wehte der Wind zum fraglichen Zeitpunkt aus Richtung Süd/Südost bis Nordost (vgl. nachfolgende Grafik der MG-Station Buchrain). Demzufolge wurden die Temperaturen der oben genannten "See-Stationen" mutmasslich durch das kühle Wasser gedämpft. Dieser Ansatz wird durch die ebenfalls kühlen MG-Stationen in der Nähe der Offiziellen (Kriens, Weggis) gestützt. Ich könnte mir vorstellen, dass die Seen derzeit noch unterdurchschnittlich kühl sind und dieser Kühl-Effekt gestern deshalb so frappant in Erscheinung getreten ist.

2.) Die voralpinen Stationen in der Zentralschweiz massen gestern generell tiefere Werte als weiter draussen im angrenzenden Mittelland (Bsp. Giswil, Altdorf, Flüelen), was mir bei einigen Föhnlagen aber auch schon aufgefallen ist.

3.) Die offizielle MCH-Station Mosen/LU und die MG-Stationen Schwyz, Zug, Buchrain, Küssnacht, Hitzkirch befinden sich bei vorherrschender Windrichtung aus Süd/Südost bis Nordost allesamt nicht im direkten Einflussbereich eines kühlenden Gewässers.

Nachfolgend zwei Anschauungsbeispiele, Temperatur/Besonnung und Wind/Windrichtung der MG-Station Buchrain. Der Temperatursprung und die heisse Phase jeweils markiert:

Bild

Bild

=> Während der markierten Phase dominierte durchschnittlich Ostwind, das heisst, es wurde mutmasslich die überwärmte Luft aus dem verbauten und asphaltierten Rontal "hinaufgeblasen" - der angesprochene "Urban Heat Island Effect". Es war nämlich nicht nur eine Hitzeblase einer nahen Strasse, sondern erhitzte Luft eines ganzen Talabschnitts, der sich an meiner Station in Form von 31.5 °C bemerkbar machte.

Fazit:

Nein, ich will meine semi-professionelle Station nicht als sakro-sankt anpreisen und sagen meine Messwerte sind absolut fehlerfrei. Vielmehr möchte ich aufzeigen, dass nicht pauschalisiert werden darf. Es ist falsch, dass nur weil die Hitliste von MeteoGroup stammt die vielen semi-professionellen Stationen sofort belächelt und ohne genaueres Hinsehen als unrealistisch abgestempelt werden. Ich für meinen Teil warte meine Station seit der Anschaffung im August 2010 regelmässig, prüfe ob der 24h-Sauglüfter auch wirklich läuft (letztmals vor 2 Wochen). Zudem wurde die gesamte Station 2015 gesamterneuert.

Es ist mir völlig klar, dass mittlerweile diverse Stationen 100%-ig zu hohe Messwerte abliefern und das auch schon lange. Leider sind seit der Übernahme von Meteomedia durch MeteoGroup die Themen Datenkontrolle-/plausibilisierung und Unterhalt der Messstationen wohl eben kein Thema mehr (Spardruck?). :neinei: Ich habe die Stationen Honau schon mehrfach als unrealistisch eingestuft und auch der entsprechenden Stelle gemeldet. Erstens befindet sich diese Station gerade mal knapp 7 km von der Station Buchrain entfernt, etwa auf gleicher Höhe und zweitens steht die Station Honau in einem Garten einer Privatperson, nicht auf einem Flugplatz oder auf einem Firmengelände. Insofern können diese Messwerte nicht stimmen. Aber das interessiert wohl niemanden, genauso wenig wie die mittlerweile zig-fach auftretenden Höhenangaben "0 m"...

Es betrifft nur eben nicht alle Stationen. Gewisse, so auch meine, messen wie Fabienne weiter oben erwähnt hat dort, wo die Leute leben und wohnen. Gewiss, 100% WMO-konform ist wohl keine semi-professionelle MG-Station, aber sie geben meistens ein gutes Bild wie es dort ist wo die Leute leben und die Temperaturen ERleben. Weiter unten im Industriegebiet (Grenze Ebikon/Root) war es wahrscheinlich noch heisser und dort leben mehrere 1'000 Einwohner.

Gruss
Zuletzt geändert von Rontaler am Do 6. Jun 2019, 18:08, insgesamt 9-mal geändert.
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Gernot
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Re: Sommertage und erste Hitzetage vom 01.-05.06.2019

Beitrag von Gernot »

Danke Damian für die Zusammenstellung - ich denke diese Diskussion ist wichtig und hilfreich. Und aus deutscher Sicht betrachtet gibts hier auch so die ein oder andere Wetterstation, die nicht 100% DWD konform ist, aber dennoch Werte einspeist. Bei der Berichterstattung zu immer neuen Maxima bieten solche Stationen natürlich immer schöne Maxima. Auch wenn das ein wenig offtopic sein mag - ich habe bei meiner seit einem Jahr installierten Davis festgestellt, dass vor allem am späten Abend die TEmperaturen immer deutlich höher sind, als mit einem manuellen Thermometer gemessen, dabei ist mir dann aufgefallen, dass der Lüfter (über Solarpanel ) getrieben, genau in den Abendstunden im Sonnenschatten liegt und dan einfach der Lüfter nicht mehr läuft. Lesson learnt : das nächste Mal 24h Lüfter, aber an so kleinen Dingen kanns dann halt auch liegen....(von der Versieglung der Flächen und den Winden über Wasser mal abgesehen) - die Böen heute nacht haben übrigens die Wassertemperatur heute nacht schnell von 23° auf 21° abkühlen lassen durch die Umwälzung...

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Federwolke
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Re: Sommertage und erste Hitzetage vom 01.-05.06.2019

Beitrag von Federwolke »

Rontaler hat geschrieben: Do 6. Jun 2019, 17:58 Es ist falsch, dass nur weil die Hitliste von MeteoGroup stammt die vielen semi-professionellen Stationen sofort belächelt und ohne genaueres Hinsehen als unrealistisch abgestempelt werden.
Es geht nicht darum, diese Stationen zu belächeln oder diese Werte als unrealistisch abzustempeln. Man muss aber auf die auffälligen Unterschiede aufmerksam machen, damit sie hinterfragt werden und ein Lernprozess stattfindet. Es ist richtig und wichtig, dass es solche Stationen gibt. Aber man darf nicht der Versuchung verfallen, diese Werte mit denen, die in Klimastatistiken und Wetterprognosen genannt werden, auf eine Stufe zu stellen. Und das wird leider viel zu häufig getan - sei es indem man eine solche Hitliste unhinterfragt konsumiert oder gar in den Medien veröffentlicht. Der Durchschnitts-Wetterkonsument weiss diese Werte nicht einzuordnen und denkt sich vielleicht, die Prognosen lagen wieder mal viel zu tief oder die Klimastatistiken seien gefälscht.

Ich finde es zum Beispiel schade, dass MeteoSchweiz im Gegensatz zu unseren Nachbarländern keine echten Stadtstationen betreibt. Stadtklimatologie ist ein zunehmend wichtiger werdender Forschungsbereich. Mit den offiziellen Stationen in unserem Land wird man dem aber überhaupt nicht gerecht: Die Stationen stehen alle auf der grünen Wiese (Zürich-Affoltern, Bern, Luzern, Thun und noch etliche mehr), auf einem Hügel neben der Stadt (Basel, St. Gallen) oder in einem grünen Quartier in erhöhter Lage (Zürich/Fluntern, Lausanne, Neuchâtel, Locarno), oder direkt am See (Lugano).

Der DWD geht da beispielhaft voran. Wer sich dafür interessiert, gibt im Suchfeld des Wetterstations-Atlas München-Stadt, Berlin-Alexanderplatz oder Freiburg-Mitte ein und zoomt die mal ran. Man kann also durchaus Stationen repräsentativ für Städte der WMO-Norm entsprechend aufstellen. Es sollen in Deutschland noch weitere solche Stationen folgen. Die italienischen Beispiele sind hingegen oftmals eher abschreckender Natur und daher auch nur in seltenen Fällen bei der WMO gemeldet ;)

flowi
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Re: Sommertage und erste Hitzetage vom 01.-05.06.2019

Beitrag von flowi »

Ein wahrlich abruptes Ende des Frühsommermärchens... :frost:

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