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Mittelfrist / Langfrist Sommer 2020

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Tinu (Männedorf)
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Re: Mittelfrist / Langfrist Sommer 2020

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

Vielleicht ganz interessant in diesem Zusammenhang diese aktuelle Story, die ich basierend auf einem ETH-Projekt gemacht habe:

Juni-Regen lindert Trockenheit

«Es müsste jetzt einen Monat lang durchregnen»

Das Frühjahr 2020 war das trockenste seit zehn Jahren. Trockener sogar noch als der Frühling im «Dürrejahr» 2018. Das zeigen Bodenmessdaten der ETH Zürich. Die aktuelle Regenperiode kommt also – im Hinblick auf den Hochsommer – wie gerufen.

Kühle Temperaturen und immer wieder kräftige Regengüsse: Die «Schafskälte» hat die Schweiz derzeit fest im Griff. Während das garstige Sommerwetter für die meisten kein Anlass zur Begeisterung ist, freut sich Stephan Bader darüber. Dem in Ürikon wohnhaften Meteo-Schweiz-Klimatologen würde es nichts ausmachen, wenn diese Wetterlage noch länger anhalten würde: «Es müsste jetzt eigentlich einen ganzen Monat lang durchregnen.»

Baders Begeisterung für die aktuelle Nässe hat einen durchaus ernsthaften Hintergrund. Der Frühling war in der Schweiz extrem trocken. Besonders ausgeprägt war das Regendefizit im nördlichen Mittelland und in der Ostschweiz. Im März und April betrug die Regenmenge teilweise weniger als 30 Prozent im Vergleich zur langjährigen Klimanorm.

Im Mai wurde dieses Defizit besonders entlang der Voralpen (zum Beispiel am Zürichsee oder im Napfgebiet) und auf der Alpensüdseite zwar etwas kompensiert. Von normalen Zuständen sei man vielerorts aber nach wie vor weit entfernt, betont Bader.

Untermauert werden Stephan Baders Aussagen von den Ergebnissen eines Klimaprojektes, das seit 2009 an der ETH Zürich im Gange ist. Im Rahmen des Swiss Smex misst ein Team unter der Koordination von Klimatologin Sonia Seneviratne an verschiedenen Gras-Standorten in der Schweiz die sogenannte «Soil-Moisture-Anomalie».

In verschiedenen Bodentiefen bis etwa 120 cm registrieren Sonden die Feuchtigkeit. Daraus berechnet das ETH-Team dann einen durchschnittlichen, langjährigen Mittelwert – und die Abweichung davon.

Diese Abweichung erreichte diesen Frühling einen neuen negativen Tiefstwert (siehe Grafik). Derart knochentrockene Verhältnisse, wie sie in den Schweizer Böden während des April und wieder Ende Mai herrschten, hatten die Wissenschaftler während ihrer Arbeit zuvor noch nie angetroffen. «Der Frühling 2020 ist der trockenste seit Beginn unserer Messungen», sagt Martin Hirschi, der bei Swiss Smex unter anderem für die Datenaufbereitung zuständig ist.

Zwar gebe es je nach Station und Region gewisse Unterschiede, da die Beschaffenheit der Böden und auch die Niederschlagsmengen nicht überall gleich seien, betont Hirschi. Die Tendenz sei aber schweizweit dieselbe.

Langes hydrologisches Gedächtnis

Auffällig ist, dass sich der Feuchtigkeitsindex mit einigen Abweichungen bereits seit Beginn des laufenden Jahres vielerorts tendenziell am unteren, also trockenen Rand der Skala bewegt. Selbst die teils kräftigen Niederschläge im stürmischen Februar konnten daran nicht viel ändern.

Gemäss Martin Hirschi ist das durchaus erklärbar. Der Boden habe – aus hydrologischer Sicht – ein «langes Gedächtnis». Extreme Defizite im Wasserhaushalt werden nicht durch ein paar Regengüsse wieder kompensiert. Das kann Monate, sogar Jahre dauern.

Genau diese Kompensation fand in den vergangenen Jahren nicht wirklich statt. Gemäss Stephan Bader war eher das Gegenteil der Fall: «Die vergangenen zwölf Sommerhalbjahre waren im Schweizer Mittelland allesamt zu trocken.» Besonders massiv war die Trockenheit im Jahr 2018. Davon hat sich die Natur vielerorts bis heute nicht erholt.

Dem Wetter im Frühling kommt in diesem Zusammenhang eine spezielle Bedeutung zu. Zwischen März und Mai werden bezüglich Wasserhaushalt nämlich die Weichen für die weitere Entwicklung des ganzen Jahres gestellt. Ist es im Frühjahr zu trocken, fehlt im Sommer am Boden die Feuchtigkeit. Dies hemmt die Bildung von Gewittern, die in der Schweiz für einen erheblichen Teil der Sommerniederschläge verantwortlich sind.

Mit den steigenden Temperaturen im Hochsommer nimmt auch die Verdunstung zu, was die Böden weiter austrocknet. Dies wiederum begünstigt das Auftreten von mehrtägigen Hitzewellen mit Tagestemperaturen über 30 Grad, wenn sich eine entsprechende Wetterlage einstellt. Ein regelrechter Teufelskreis also, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt.

Derartige Prozesse führten unter anderem zum Hitzesommer 2003, konnten aber auch in den heiss-trockenen Sommern der Jahre 2015 und 2018 beobachtet werden.

«Schafskälte» durchbricht Teufelskreis

So erklärt sich, warum bei Meteorologen und Klimatologen jeweils die Alarmglocken läuten, wenn es im Frühling deutlich zu trocken ist: Das «Set-up» für einen potenziellen Hitzesommer ist dann gelegt.

Entsprechende Szenarien werden auch für diesen Sommer herumgereicht. So äusserte die Weltwetterorganisation (WMO) Ende Mai die Befürchtung, dass für weite Teile Mitteleuropas ein extremer Hitzesommer bevorstehen könnte, wobei vor allem der Norden und Osten Deutschlands stark betroffen wäre. In den genannten Regionen war es im Frühling besonders trocken.

Ob dieses Hitzeszenario auch hierzulande eintreffen wird, ist angesichts der aktuellen Wetterentwicklung jedoch fraglich. Das kühle und regnerische Wetter wird bis mindestens Mitte Juni andauern. Die Frühlingstrockenheit wird dadurch wohl erheblich abgemildert. Und der Teufelskreis aus Trockenheit und Hitze wird fürs Erste unterbrochen – das sind gute Nachrichten.

Wer die Story im Original mit Bildern und Grafik lesen will findet sie hier (mit Aboschranke):
https://www.zsz.ch/es-muesste-jetzt-ein ... 8415831983
Tinu (Männedorf ZH, 422 m ü. M)
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Furion
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Re: Mittelfrist / Langfrist Sommer 2020

Beitrag von Furion »

Ja das ist ja genau das was ich auch schon angemerkt habe. In den letzten Jahren kamen wir immer so gerade knapp genug Niederschlag ab, aber nie übermässig. Klar das die Gesamtsituation dann nicht mega toll ist, da brauchts auch keine Studierten um das zu merken.

Wir sind einfach konsequent nie auf einer zu nassen Wetterlage zu liegen gekommen die letzten Jahre. Aber es kommen sicher wieder Zeiten wo dann das passiert. Kurz um es ist immer was im Busch. Zu nass, zu trocken, zu windig oder dann zu normal. Das nun alle immer einen Hitzesommer in der Glaskugel sehen liegt natürlich auch ein wenig daran, dass man die letzten Jahre damit immer gut richtig lag. Aber das geht nicht ewig so weiter, irgendwann steht uns das Wasser dann schon wieder bis zum Halse und nicht die Hitze.

Momentan ist ein riesen Chaos bei den Modellen, ich schau dennoch täglich rein, obwohl man das mit viel Vorsicht geniessen sollte.

Gruss Furion
Zuletzt geändert von Furion am Di 9. Jun 2020, 19:22, insgesamt 1-mal geändert.


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Federwolke
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Re: Mittelfrist / Langfrist Sommer 2020

Beitrag von Federwolke »

Man merkt, dass Stephan Bader ein Klimatologe ist. Für ihn stimmt es einfach, wenn das Soll erreicht ist, bzw. das Defizit aufgeholt wird - das Wie scheint dabei keine Rolle zu spielen. Der Natur ist es nämlich nicht egal, wenn der ganze Juni nass-kalt verlaufen würde, und den Bauern erst recht nicht. Man kann eine "Katastrophe" nicht mit einer anderen "Katastrophe" wieder gut machen. Wenn ein Mensch an einer massiven Unterkühlung zu sterben droht, wirft man ihn schliesslich auch nicht gleich in die Sauna...

Das ist leider das Tückische am Klimawandel: Bei den Niederschlägen gibt es (im Gegensatz zu den eindeutig steigenden Temperaturen) langfristig keinen klaren Trend zu mehr oder weniger. Aber es gibt ganz klar eine Umverteilung, zum Teil nur im mittelfristigen und mesoskaligen Bereich. Entweder ist es monatelang zu trocken oder dann schiffts gleich wochenlang flächig oder auch nur ein paar Stunden extrem auf kleinem Raum, bis alles absäuft, während es nebenan trocken bleibt. Daran Schuld ist die Persistenz der grossräumigen Zirkulationen, wie wir sie seit einigen Jahren und verschärft seit 2018 beobachten können. Nur schon wenn wir auf dieses Jahr zurückblicken: Sieben Wochen von Ende Januar bis Mitte März fast nur West in Extremstform, danach zwei Monate fast nur Hochdruck und Bise. Im Gegensatz zu Stephan Bader hoffe ich daher ganz fest, dass jetzt nicht der ganze Sommer in Troglagen und zyklonalen Ostlagen versenkt wird. Aber es bleibt ja noch die Hoffnung, dass es zum Siebenschläferzeitraum umstellt und sich im Hochsommer die üblichen West-/Nordwest-/Südwestlagen einstellen. 2016 und 2017 hat das schliesslich (noch) geklappt, mit Abstrichen auch 2018 und 2019...

flowi
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Re: Mittelfrist / Langfrist Sommer 2020

Beitrag von flowi »

Das Feuchtedefizit in tieferen Bodeschichten hat in der Tat zur Folge, dass die viele Bäume in den betroffenen Gebieten weiter in kritischem Zustand bleiben - und so beispielsweise anfälliger für Schadinsekten sind. Hier im Südschwarzwald ist die Situation dramatisch. Alleine die erste Generation Borkenkäfer hat bereits wieder ganze Waldstriche befallen. Für die Förster ein nahezu aussichtsloser Kampf.

martinhotz
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Re: Mittelfrist / Langfrist Sommer 2020

Beitrag von martinhotz »

Wer hat, dem wird gegeben... - Jedenfalls wurden die zentralen und östlichen Voralpen während der vergangenen 24 Stunden reichlich getränkt (bis 65 mm - und es regnet weiter). Während es hier in Steinhausen ZG einen Bruchteil der Menge gab (~ 10 mm) und in Zürich sozusagen trocken. Was für ein Gradient!

Quelle: https://meteoradar.ch/regenkarten/index.php


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Microwave
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Re: Mittelfrist / Langfrist Sommer 2020

Beitrag von Microwave »

Federwolke hat geschrieben: Mi 10. Jun 2020, 00:56 Im Gegensatz zu Stephan Bader hoffe ich daher ganz fest, dass jetzt nicht der ganze Sommer in Troglagen und zyklonalen Ostlagen versenkt wird.
Off Topic
Ist jetzt zwar ein bisschen asozial, aber doch, doch, da wäre ich durchaus ganz ganz vorne mit dabei.

2 Monate Dauerschiff aus einer schwülwarmen Pampe mit 20 bis 25 °C. Also das von den letzten Tagen aber einfach so 5 bis 10 Grad wärmer.
Oooh YASSSSS!! Wie ich da festen würde :mrgreen: :unschuldig: .
Aber ja. Die Persistenz von was auch immer ist durchaus beeindruckend in der letzten Zeit.

Grüsse - Microwave
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Federwolke
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Re: Mittelfrist / Langfrist Sommer 2020

Beitrag von Federwolke »

Und so sieht das dann aus, wenn es lange nix, und dann zu viel aufs Mal schifft (Ammersee in Bayern, heute):

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Geklaut von User antonw im WZ-Forum


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Dävu
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Re: Mittelfrist / Langfrist Sommer 2020

Beitrag von Dävu »

Es ist irgendwie ernüchternd, jeweils nach 1-2 Tagen Sommer wieder 1 Woche lang in der Kälte ausharren zu müssen. Ich habe schon länger das Gefühl, in der Mittelfrist wird uns jeweils angenehm temperiertes Sommerwetter versprochen, doch wir schieben einen quasi unabbaubaren Block mit kühlen Tagen vor uns her...

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Quelle: wetterzentrale.de

Gruss, Dävu
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Rontaler
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Re: Mittelfrist / Langfrist Sommer 2020

Beitrag von Rontaler »

Hallo Dävu

Ja, es ist schon ernüchternd. Und man muss leider sagen, dass der längste Tag des Jahres bereits heute in einer Woche wieder der Vergangenheit angehören wird. Heisst, dass zur Sommersonnenwende eher herbstliches, mit Glück (d. h. mit etwas Sonnenschein) frühlingshaftes Wetter herrscht als Sommer.

Nun denn, die massiv überhöhten Temperaturen kommen dann Ende Herbst und im Winter wieder, wo wir im November und Dezember wohl wochenlang in den Bergen wandern können statt Ski fahren...

Gruss
Wetterfanatisch mit Leib und Seele. :)

neco
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Re: Mittelfrist / Langfrist Sommer 2020

Beitrag von neco »

Schon interessant - trotz nasser/feuchter erster Junihälfte hat es in einigen Regionen (z.B. hier in der NW-Schweiz) mengenmässig noch nicht einmal die Hälfte der Norm-Monatsmenge geregnet. So wie es aussieht momentan, wird das Soll bis Ende Monat auch nicht wirklich erreicht und wir werden hier einen weiteren zu trockenen Monat erleben.

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