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Hobby zum Beruf?

Grundlagen und Expertenwissen.
Thundersnow
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Re: Hobby zum Beruf?

Beitrag von Thundersnow »

Hallo zusammen

Vier Jahre später stehe ich nach abgeschlossenen BSc in Physik an der ETH wieder vor dieser Frage. Ich habe im Master bisher je eine Vorlesung zu den Grundlagen der Atmosphärenphysik und zu numerischer Modellierung des Wetters besucht. Interesse ist definitv vorhanden, daher überlege ich mir, mich nun auf Atmosphärenphysik zu spezialisieren. Ich müsste mir die entsprechenden Bereiche noch genauer anschauen, aber sowohl Forschung, Modellentwicklung, als auch Prognostiker interessieren mich. Da ich nach dem Studium auch einen Job möchte und ein ausreichendes Einkommen, habe ich zwei Fragen:

Wie stehen die Jobchancen? Gemäss berufsberatung.ch ist das Stellenangebot "äusserst knapp". Gibt es auch nur wenige Absolventen auf die wenigen Stellen? Oder gibt es viel mehr Studienabgänger, als benötigt würden? Im Internet finde ich üblicherweise nur wenige ausgeschriebene Stellen als Meteorologe/Atmosphärenphysiker, aktuell sind es immerhin 4 von Meteoschweiz, eine von SRF Meteo und eine von Meteomatics.

Wie steht es um den Lohn? Scheinbar ist dieser für einen Akademikerjob relativ tief. Gemäss jobs.ch und lohnanalyse.ch verdienen Meteorologen durchschnittlich um 70'000 CHF. Für die Länge der Ausbildung und vor allem verglichen mit Ingenieuren ist das relativ wenig. Klimatologen liegen anscheinend bei 90'000 CHF, ich nehme an, in der Forschung verdient man mehr als als Prognostiker. Ein hohes Einkommen ist mir nicht so wichtig, aber es sollte für ein gutes Leben reichen und vielleicht habe ich mal ein Kind, dass ich beim Studium finanziell unterstützen möchte :) .

Ich würde mich freuen, wenn jemand, der im Bereich Wetter/Klima tätig ist, mir sagen könnte, ob die Ergebnisse meiner Internetrecherche die Wahrheit sind, oder was anders ist. Das würde mir sehr helfen bei meiner Entscheidung. Willi hat damals noch verwandte Richtungen vorgeschlagen. Umwelttechnik und Energie interessieren mich ebenfalls und wären Möglichkeiten. Aber Meteorologie war halt schon immer mein Favorit.

Vielen Dank bereits im Voraus!
Thundersnow
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Federwolke
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Re: Hobby zum Beruf?

Beitrag von Federwolke »

Zuerst mal: Gratulation zum Physik-BSc, das ringt mir auch heute noch gewaltigen Respekt ab.

Bezüglich Jobchancen und Verdienstmöglichkeiten kann ich dir nur aus Erfahrung in der Wetterdienstbranche berichten. Interessant, die Postings von vor bald 5 Jahren zu lesen und nein: Allzu falsch lag meine Einschätzung von damals nicht. Vorneweg: Viele meiner ehemaligen Berufskollegen sind raus aus dem Metier. Sei es, weil die Stellen wegrationalisiert wurden oder weil es ihnen auf die Dauer zu anstrengend wurde. Was ich dabei gelernt habe: Man kann mit einem naturwissenschaftlichen Studium auch ein Wullelädeli eröffnen oder Yoga-Lehrerin werden...

Vor allem stimmt das Verhältnis Aufwand zu Ertrag bei den privaten Wetterdiensten nicht. Wie du schon selbst herausgefunden hast: Die Löhne der Prognostiker sind tief, vor allem auch weil die meisten Kunden immer weniger zu bezahlen bereit sind angesichts der vielen Gratisangebote und Automatisierungen. Und bedenke, dass der Mittelwert bedeutet, dass es auch wesentlich tiefer geht. Wenn du gut bist und bei MeteoSchweiz unterkommst (z.B. in der Flugmeteorologie), hast du vielleicht das grosse Los gezogen, mal abgesehen von den Arbeitszeiten - aber die sind anderswo auch nicht viel angenehmer. Dienstbeginn um 3 Uhr morgens im Zweischichtbetrieb oder 12-Stunden-Schichten (auch nachts) sind nicht unüblich. Daher würde ich nach wie vor bzw. heute erst recht von diesem Job abraten. Das vor allem auch dann, wenn du gerne frei in deiner Kreativität sein möchtest und dir persönliche Kundenbeziehungen wichtig sind. Je nach Wetterdienst diktiert dir ein Betriebswirtschafter oder ein Redaktor, was zu du zu schreiben hast bis hin zum Befehl, dass die Höchsttemperatur im Wetterbericht der Zeitung noch etwas rauf muss (selber mehr als genug erlebt, Bezug zur Aktualität ist natürlich rein zufällig). Und sich für die Medien zum Kasper zu machen, dazu muss man auch geboren sein :roll:

Würde ich mit meiner heutigen Erfahrung an deiner Stelle stehen, würde ich mich ganz klar für Forschung und Entwicklung entscheiden. Das dir am besten zusagende Gebiet musst du allerdings selbst herausfinden.


Michael (Seon)
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Re: Hobby zum Beruf?

Beitrag von Michael (Seon) »

Im Prinzip folgst du meinem Weg. Ich habe auch den Bachelor in Physik und den Master in Atmosphären- und Klimawissenschaften. Danach war ich aber erst in der Forschung (Doktorarbeit) und habe dann in die "Wirtschaft" gewechselt. Wenn du dazu mehr wissen willst kann ich es noch etwas ausführen. Ich kann dir schon einmal sagen, dass gerade Leute im Bereich der Modellierung von Klima(wandel)-Risiken und Nachhaltigkeit im Moment sehr gefragt sind.

Thundersnow
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Re: Hobby zum Beruf?

Beitrag von Thundersnow »

Vielen Dank euch beiden!
Federwolke hat geschrieben: Di 12. Jul 2022, 20:15 Zuerst mal: Gratulation zum Physik-BSc, das ringt mir auch heute noch gewaltigen Respekt ab.
Dankeschön! :)

Eure beiden Antworten bestätigen somit im Grossen und Ganzen, was das Internet mir gesagt hat. Es ist immer wieder schade zu lesen, wie Du, Fabienne, beziehungsweise dir bekannte Meteorologen die Arbeitswelt als Prognostiker erlebt haben. Also schade, weil die Wertschätzung so gering zu sein scheint, nicht die Tatsache, dass du mir das mitteilst! Solche Erfahrungen sind wichtig, um sich selber ein Bild zu machen. Und auch schade, weil es einer meiner Berufswünsche ist.

Aber es macht jedenfalls Mut, zu wissen, dass im Bereich Forschung und Modellentwicklung die Nachfrage grösser ist. Nachhaltigkeit ist naturgemäss ein sehr breites Gebiet, aber ich denke in den nächsten Jahren werden da immer noch viele Leute gesucht. Hoffentlich ist dieser Trend nicht nur ein Hype, sondern tatsächlich nachhaltig ;) .

Danke euch zwei für den Input. Bin gespannt, was es sonst noch für Erfahrungen gibt.

Gruss,
Thundersnow
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lukasm
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Re: Hobby zum Beruf?

Beitrag von lukasm »

Ich erlaube mir mal noch meine Meinung kundzutun, der mehr im Bereich Wettermodelle tätig ist.

Wenn dich Meteorologie interessiert und das dein Wunschberuf ist, dann ist meine Meinung, ist ein IAC Master eine tolle Sache. Du weisst natürlich zum jetzigen Zeitpunkt nicht, ob du dann in einigen Jahren tatsächlich im operationellen Wetterdienst arbeiten wirst, aber wenn dies dein Wunsch/Traum ist, so kannst du dir die Chancen erhöhen indem du versuchst Kontakte zu knüpfen bei Meteoschweiz / dein Praktikum dort absolvierst / etc. Schlussendlich ist es sicher auch Glücksacke und/oder eine Ausdauerfrage, weil ja dann auch tatsächlich zum Zeitpunkt X eine Stelle frei sein muss, oder du kämpfst dich durch bis solch eine Stelle frei ist.

Aber wie schon Michael sagt: Es gibt auch sonst viele Orte, wo Meteorologen durchaus gerne gesehen werden, z.B. Rückversicherer haben oftmals Klimatologen oder Meteorologen im Team (bezüglich Gehalt sicher im Vorteil, aber halt auch was anderes). Im Bereich Modelling gibt es auch viele Möglichkeiten, gerade auch in der Schweiz (Meteoschweiz, C2SM, IAC, CSCS, Meteomatics mit ihrem WRF, etc.); ich sehe wenig Grund, dass sich dies in der kommenden Zeit ändern sollte.

Dann gibt es natürlich einen nicht unwesentlichen Teil, der auch einen PhD macht, man macht den PhD ja nicht wegen dem Gehalt, aber der Vollständigeit halber findest du die Gehälter hier: https://ethz.ch/de/die-eth-zuerich/arbe ... /lohn.html (wobei die USYS/IAC Löhne mW eher Standard oder Ansatz 2 sein dürften).

Bei Fragen - nur fragen oder PN :)

Viele Grüsse

Lukas
Der Donner erschüttert die heitere Bläue des Himmels,
Weil hochfliegende Wolken im Äther einander sich stoßen,
Wenn in der Mitte sie stehn von entgegengerichteten Winden.

aus "De rerum natura", 1. Jh. v. Chr. (Titus Lucretius Carus, Lukrez)

Thundersnow
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Re: Hobby zum Beruf?

Beitrag von Thundersnow »

Hoi Lukas

Auch dir vielen Dank für deine Inputs. Gerade die Optionen im Bereich Modelling werde ich mir mal genauer anschauen. Einige der von dir genannten Institutionen haben ja auch Verbdindungen zur ETH. Jedenfalls ist es hilfreich zu wissen, dass Leute aus dem Bereich Atmosphärenphysik in der Arbeitswelt grundsätzlich gefragt sind.

Ein PhD ist grundsätzlich eine Option, aber nur wenn ich während der Semesterarbeit oder Masterarbeit einen Bereich entdecke, in welchem ich unbedingt weiterforschen will. In diesem Fall hätte dann das Gehalt für ein paar Jahre eine tiefere Priorität. ;)

Gruss
Thundersnow
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