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Satbildanalyse (94) -Wolkenstrukturen heute morgen

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Felix Welzenbach
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Satbildanalyse (94) -Wolkenstrukturen heute morgen

Beitrag von Felix Welzenbach »

Hallo,
das Satellitenbild der Nordhemisphäre zeigt heute einer der interessantesten und abwechslungsreichsten Wolkenstrukturen seit langer Zeit, weswegen ich jetzt näher darauf eingehen möchte. Ich bewege mich dabei von West nach Ost:

Bild



i)

Über dem Osten der USA entwickelt sich derzeit ein mächtiger Tiefdruckwirbel,dessen Frontensystem äußerst wetteraktiv ist. Praktisch der gesamte Bereich an Bewölkung , der hier zu sehen ist, bringt kräftige Regenfälle, selbst im Golf von Mexico treten an der Kaltfront noch (konvektive) Niederschläge auf. Rückseitig fließt etwas kältere Luft ein, die aber längst nicht die vertikale Mächtigkeit massiver kontinentaler Kaltluftvorstöße von Norden her erreicht.Alles in allem eher unspektakulär, aber schön anzuschauen.

ii)

Südöstlich von Grönland befindet sich ein mächtiges Orkantief, welches ich in meiner letzten Satellitenbildanalyse (93) bereits in seiner Entwicklung prognostiziert hatte.Etwas weiter südlich liegt das alte, steuernde Neufundlandtief, dessen Okklusionsfront sich unter Aufhebung der Temperaturgegensätze und Kaltluftadvektion bereits aufgelöst hat. Es lenkt jedoch mit seiner zyklonalen Nordwestströmung weiterhin sehr kalte Luft nach Südosten. Der mit CAA (cold air advection) bezeichnete Bereich markiert relativ stabile Verhältnisse, erkennbar an der stratiformen und sehr niedrigen Wolkendecke. Die 850er gehen hier von -5 auf -15 über dem Festland zurück, in der Höhe -30°C in 500hPa, also ein verhältnismäßiger geringer Temperaturgegensätz ("labil" gewöhnlich ab ca. 25K Temperaturdifferenz zwischen 500 und 850hPa).

iii)

Wirklich markant ist jedoch die horizontale Ausdehnung des Troges bzw. des Kaltluftvorstoßes, der bis zu den Antillen reicht. Wegen steigendem Geopotential und Hochdruckeinfluss sowie daraus resultierender Höhenwärme schwächt sich die Kaltfront hier jedoch ab (cold front in dissipation) und löst sich mehr oder weniger auf. Geht man bei der Kaltfront aber nach Norden,so findet man eine wellenförmige Verdickung des Wolkenbandes. Tatsächlich entwickelt sich hier eine sogenannte offene Welle, d.h. ein Tiefdruckgebiet ohne abgeschlossenen Kern und ohne Spiralisierung (keine Okklusion). Sie liegt strömungsparallel ziemlich genau auf dem Jetstream. Es findet daher kaum Warmluftadvektion zum kalten Bereich hin und umgekehrt statt. Eine weitere Verwirbelung mit Vorstoß der Kaltfront zur Warmfront ist also zunächst unwahrscheinlich. GFS rechnet erst in etwa 2 Tagen mit einer stärkeren Tiefdruckentwicklung. Sowohl an der Westkante der Welle als auch auf der Ostseite bilden sich Jetcirren ab, die auf sehr hohe Windgeschwindigkeiten in der Höhe hinweisen. In der Tat handelt es sich hier um den Polarfrontjet mit bis zu 160Kn in 300hPa.

iv)

Ferner auffallend ist die massiv hochreichende Wolkenbedeckung in Richtung Kern des Orkanwirbels. Dort gibt es auch heftige Regenfälle, u.a. auch im südlichen Island, während der Norden aufgrund von Föhn geringere Niederschläge abbekommt bzw. teilweise ganz trocken bleibt. Ursache der markanten Wolkenbildung und erhöhten Niederschlagswahrscheinlichkeit ist die Lage der Region im linken Jetauszug. Dort hat sich ein massives Divergenzfeld in der Höhe entwickelt. Es fließt also erheblich Masse in der Höhe ab, das von unten nachströmt (Kontinuitätsgesetz). Daher herrscht heftige Aufwärtsbewegung => Hebung der Luftmassen, Kondensation und Niederschläge.

v)

Nun ein bedeutsamer Übergang nach Osten. Der Polarfrontjet über dem Atlantik wird weit nach Norden abgelenkt und schwächt sich über Skandinavien ab. Ein abgekoppelter Jetast hat sich am Westrand eines ausgedehnten Kaltluftkörpers über Spanien gebildet (weiß eingezeichnet). Er bestimmt zugleich die Verlagerungsrichtung des Kaltluftkörpers. Tiefdruckgebilde wandern IMMER mit der Höhenströmung. Da sich der Jetast nach Südosten und später nach Osten verlagert und einen neuen Ausläufer des Subtropenjets bildet, zieht auch der Kaltluftkörper nach Südosten und später nach Osten über Nordafrika hinweg.
Kaltluft in der Sahara ? Das bleibt nicht ohne Folgen ! Über Algerien entwickeln sich an einer Luftmassengrenze zwischen eingeflossener Kaltluft (gealterte Polarluft ,wenn man es so nennen kann) und vorderseitig advehierter Tropikluft kräftige Schauer und Gewitter. Je weiter sich die Luftmassengrenze nach Osten verlagert, desto geringer wird die Niederschlagswahrscheinlichkeit, da das Feuchteangebot über dem heißen Kontinent deutlich abnimmt. Im Mittelmeerraum bleibt es im Trogeinfluss aber ungemütlich.Da der Jetstream unverändert intensiv bleibt, bildet sich im linken Jetauszug ein Bodentief, das zu Sturm im Mittelmeer führen könnte. Zum Höhepunkt der horizontalen Luftmassengegensätze kommt es laut Modellrechnung (GFS) in 3 Tagen über Lybien, wenn trogvorderseitig +25 in 850hPa im Südosten liegen, während im Nordwesten postfrontal +1 in 850hPa vorherrschen.

vi)

Schließlich ist knapp westlich von Portugal ein wunderschönes Kommatief zu sehen. Es heißt so,weil es so aussieht und ist ein Bodentief am Westrand des Troges . Günstigerweise knapp im linken Auszug des stark gekrümmten Jets gelegen vertieft es sich noch ein wenig und intensiviert die Niederschläge später über der südlichen Iberischen Halbinsel,Gibraltar und Marokko.Es füllt sich dann über Nordafrika wieder auf,wenn sich die Luftmassengegensätze ausgleichen und die Lage im Jetbereich ungünstiger wird.

Fazit : Für mich eine der kurzweiligsten und lehrreichsten Satellitenbildanalysen , die ich seit Oktober 2003 machen durfte.
Ich hoffe, trotz der komplexen Vorgänge etwas von der Spannung, die das
nordhemisphärische Wettergeschehen mit sich bringt,nach außen transportiert zu haben.
Gruß Felix

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Peter,Walchwil ZG
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Beitrag von Peter,Walchwil ZG »

Hi Felix,
danke für den interessanten Blick über den Tellerrand.
Die kommende Woche scheint sich hier wieder die gleiche langweilige Wetterlage einzustellen,wie schon oft diesen Winter,oben blau unten grau.Wird Zeit,dass der Frühling kommt.

Grüsse Peter
Grüsse Peter


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Alfred
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Beitrag von Alfred »

Sali zäme

Ein Luftmasse-Bild ( (!) 510 KB) der Europäer http://oiswww.eumetsat.int/IDDS-cgi/lis ... .pl?m=prod

Gruss, Alfred
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Beitrag von Alfred »

Sali zäme

Leewellen am Atlas im Wasserdampfbild (Kanal 5) vom 30.01.2006 18Z. Q: http://www.sat.dundee.ac.uk/

Bild

Gruss, Alfred
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Felix Welzenbach
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Beitrag von Felix Welzenbach »

Markante Dry Intrusion am italienischen Stiefel außerdem - fördert dort die Zyklogenese bzw. Konvektion

Das über der Sahara sieht mir nach Transversalwellen im Bereich des Subtropenjets aus.
Gruß Felix

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Alfred
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Beitrag von Alfred »

@Felix, hallo

Die Strömung ist nach dem Sandsturm ( (!) 751 KB, von 11:00 bis 21:00 Z), den sie auslöste, aber sehr tiefreichend.
https://www.nemoc.navy.mil/about/dust/dust.html

Grüsse, Alfred
[hr]

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