Re: Mittelfrist / Langfrist Sommer 2020
Verfasst: Di 9. Jun 2020, 16:45
Vielleicht ganz interessant in diesem Zusammenhang diese aktuelle Story, die ich basierend auf einem ETH-Projekt gemacht habe:
Juni-Regen lindert Trockenheit
«Es müsste jetzt einen Monat lang durchregnen»
Das Frühjahr 2020 war das trockenste seit zehn Jahren. Trockener sogar noch als der Frühling im «Dürrejahr» 2018. Das zeigen Bodenmessdaten der ETH Zürich. Die aktuelle Regenperiode kommt also – im Hinblick auf den Hochsommer – wie gerufen.
Kühle Temperaturen und immer wieder kräftige Regengüsse: Die «Schafskälte» hat die Schweiz derzeit fest im Griff. Während das garstige Sommerwetter für die meisten kein Anlass zur Begeisterung ist, freut sich Stephan Bader darüber. Dem in Ürikon wohnhaften Meteo-Schweiz-Klimatologen würde es nichts ausmachen, wenn diese Wetterlage noch länger anhalten würde: «Es müsste jetzt eigentlich einen ganzen Monat lang durchregnen.»
Baders Begeisterung für die aktuelle Nässe hat einen durchaus ernsthaften Hintergrund. Der Frühling war in der Schweiz extrem trocken. Besonders ausgeprägt war das Regendefizit im nördlichen Mittelland und in der Ostschweiz. Im März und April betrug die Regenmenge teilweise weniger als 30 Prozent im Vergleich zur langjährigen Klimanorm.
Im Mai wurde dieses Defizit besonders entlang der Voralpen (zum Beispiel am Zürichsee oder im Napfgebiet) und auf der Alpensüdseite zwar etwas kompensiert. Von normalen Zuständen sei man vielerorts aber nach wie vor weit entfernt, betont Bader.
Untermauert werden Stephan Baders Aussagen von den Ergebnissen eines Klimaprojektes, das seit 2009 an der ETH Zürich im Gange ist. Im Rahmen des Swiss Smex misst ein Team unter der Koordination von Klimatologin Sonia Seneviratne an verschiedenen Gras-Standorten in der Schweiz die sogenannte «Soil-Moisture-Anomalie».
In verschiedenen Bodentiefen bis etwa 120 cm registrieren Sonden die Feuchtigkeit. Daraus berechnet das ETH-Team dann einen durchschnittlichen, langjährigen Mittelwert – und die Abweichung davon.
Diese Abweichung erreichte diesen Frühling einen neuen negativen Tiefstwert (siehe Grafik). Derart knochentrockene Verhältnisse, wie sie in den Schweizer Böden während des April und wieder Ende Mai herrschten, hatten die Wissenschaftler während ihrer Arbeit zuvor noch nie angetroffen. «Der Frühling 2020 ist der trockenste seit Beginn unserer Messungen», sagt Martin Hirschi, der bei Swiss Smex unter anderem für die Datenaufbereitung zuständig ist.
Zwar gebe es je nach Station und Region gewisse Unterschiede, da die Beschaffenheit der Böden und auch die Niederschlagsmengen nicht überall gleich seien, betont Hirschi. Die Tendenz sei aber schweizweit dieselbe.
Langes hydrologisches Gedächtnis
Auffällig ist, dass sich der Feuchtigkeitsindex mit einigen Abweichungen bereits seit Beginn des laufenden Jahres vielerorts tendenziell am unteren, also trockenen Rand der Skala bewegt. Selbst die teils kräftigen Niederschläge im stürmischen Februar konnten daran nicht viel ändern.
Gemäss Martin Hirschi ist das durchaus erklärbar. Der Boden habe – aus hydrologischer Sicht – ein «langes Gedächtnis». Extreme Defizite im Wasserhaushalt werden nicht durch ein paar Regengüsse wieder kompensiert. Das kann Monate, sogar Jahre dauern.
Genau diese Kompensation fand in den vergangenen Jahren nicht wirklich statt. Gemäss Stephan Bader war eher das Gegenteil der Fall: «Die vergangenen zwölf Sommerhalbjahre waren im Schweizer Mittelland allesamt zu trocken.» Besonders massiv war die Trockenheit im Jahr 2018. Davon hat sich die Natur vielerorts bis heute nicht erholt.
Dem Wetter im Frühling kommt in diesem Zusammenhang eine spezielle Bedeutung zu. Zwischen März und Mai werden bezüglich Wasserhaushalt nämlich die Weichen für die weitere Entwicklung des ganzen Jahres gestellt. Ist es im Frühjahr zu trocken, fehlt im Sommer am Boden die Feuchtigkeit. Dies hemmt die Bildung von Gewittern, die in der Schweiz für einen erheblichen Teil der Sommerniederschläge verantwortlich sind.
Mit den steigenden Temperaturen im Hochsommer nimmt auch die Verdunstung zu, was die Böden weiter austrocknet. Dies wiederum begünstigt das Auftreten von mehrtägigen Hitzewellen mit Tagestemperaturen über 30 Grad, wenn sich eine entsprechende Wetterlage einstellt. Ein regelrechter Teufelskreis also, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt.
Derartige Prozesse führten unter anderem zum Hitzesommer 2003, konnten aber auch in den heiss-trockenen Sommern der Jahre 2015 und 2018 beobachtet werden.
«Schafskälte» durchbricht Teufelskreis
So erklärt sich, warum bei Meteorologen und Klimatologen jeweils die Alarmglocken läuten, wenn es im Frühling deutlich zu trocken ist: Das «Set-up» für einen potenziellen Hitzesommer ist dann gelegt.
Entsprechende Szenarien werden auch für diesen Sommer herumgereicht. So äusserte die Weltwetterorganisation (WMO) Ende Mai die Befürchtung, dass für weite Teile Mitteleuropas ein extremer Hitzesommer bevorstehen könnte, wobei vor allem der Norden und Osten Deutschlands stark betroffen wäre. In den genannten Regionen war es im Frühling besonders trocken.
Ob dieses Hitzeszenario auch hierzulande eintreffen wird, ist angesichts der aktuellen Wetterentwicklung jedoch fraglich. Das kühle und regnerische Wetter wird bis mindestens Mitte Juni andauern. Die Frühlingstrockenheit wird dadurch wohl erheblich abgemildert. Und der Teufelskreis aus Trockenheit und Hitze wird fürs Erste unterbrochen – das sind gute Nachrichten.
Wer die Story im Original mit Bildern und Grafik lesen will findet sie hier (mit Aboschranke):
https://www.zsz.ch/es-muesste-jetzt-ein ... 8415831983
Juni-Regen lindert Trockenheit
«Es müsste jetzt einen Monat lang durchregnen»
Das Frühjahr 2020 war das trockenste seit zehn Jahren. Trockener sogar noch als der Frühling im «Dürrejahr» 2018. Das zeigen Bodenmessdaten der ETH Zürich. Die aktuelle Regenperiode kommt also – im Hinblick auf den Hochsommer – wie gerufen.
Kühle Temperaturen und immer wieder kräftige Regengüsse: Die «Schafskälte» hat die Schweiz derzeit fest im Griff. Während das garstige Sommerwetter für die meisten kein Anlass zur Begeisterung ist, freut sich Stephan Bader darüber. Dem in Ürikon wohnhaften Meteo-Schweiz-Klimatologen würde es nichts ausmachen, wenn diese Wetterlage noch länger anhalten würde: «Es müsste jetzt eigentlich einen ganzen Monat lang durchregnen.»
Baders Begeisterung für die aktuelle Nässe hat einen durchaus ernsthaften Hintergrund. Der Frühling war in der Schweiz extrem trocken. Besonders ausgeprägt war das Regendefizit im nördlichen Mittelland und in der Ostschweiz. Im März und April betrug die Regenmenge teilweise weniger als 30 Prozent im Vergleich zur langjährigen Klimanorm.
Im Mai wurde dieses Defizit besonders entlang der Voralpen (zum Beispiel am Zürichsee oder im Napfgebiet) und auf der Alpensüdseite zwar etwas kompensiert. Von normalen Zuständen sei man vielerorts aber nach wie vor weit entfernt, betont Bader.
Untermauert werden Stephan Baders Aussagen von den Ergebnissen eines Klimaprojektes, das seit 2009 an der ETH Zürich im Gange ist. Im Rahmen des Swiss Smex misst ein Team unter der Koordination von Klimatologin Sonia Seneviratne an verschiedenen Gras-Standorten in der Schweiz die sogenannte «Soil-Moisture-Anomalie».
In verschiedenen Bodentiefen bis etwa 120 cm registrieren Sonden die Feuchtigkeit. Daraus berechnet das ETH-Team dann einen durchschnittlichen, langjährigen Mittelwert – und die Abweichung davon.
Diese Abweichung erreichte diesen Frühling einen neuen negativen Tiefstwert (siehe Grafik). Derart knochentrockene Verhältnisse, wie sie in den Schweizer Böden während des April und wieder Ende Mai herrschten, hatten die Wissenschaftler während ihrer Arbeit zuvor noch nie angetroffen. «Der Frühling 2020 ist der trockenste seit Beginn unserer Messungen», sagt Martin Hirschi, der bei Swiss Smex unter anderem für die Datenaufbereitung zuständig ist.
Zwar gebe es je nach Station und Region gewisse Unterschiede, da die Beschaffenheit der Böden und auch die Niederschlagsmengen nicht überall gleich seien, betont Hirschi. Die Tendenz sei aber schweizweit dieselbe.
Langes hydrologisches Gedächtnis
Auffällig ist, dass sich der Feuchtigkeitsindex mit einigen Abweichungen bereits seit Beginn des laufenden Jahres vielerorts tendenziell am unteren, also trockenen Rand der Skala bewegt. Selbst die teils kräftigen Niederschläge im stürmischen Februar konnten daran nicht viel ändern.
Gemäss Martin Hirschi ist das durchaus erklärbar. Der Boden habe – aus hydrologischer Sicht – ein «langes Gedächtnis». Extreme Defizite im Wasserhaushalt werden nicht durch ein paar Regengüsse wieder kompensiert. Das kann Monate, sogar Jahre dauern.
Genau diese Kompensation fand in den vergangenen Jahren nicht wirklich statt. Gemäss Stephan Bader war eher das Gegenteil der Fall: «Die vergangenen zwölf Sommerhalbjahre waren im Schweizer Mittelland allesamt zu trocken.» Besonders massiv war die Trockenheit im Jahr 2018. Davon hat sich die Natur vielerorts bis heute nicht erholt.
Dem Wetter im Frühling kommt in diesem Zusammenhang eine spezielle Bedeutung zu. Zwischen März und Mai werden bezüglich Wasserhaushalt nämlich die Weichen für die weitere Entwicklung des ganzen Jahres gestellt. Ist es im Frühjahr zu trocken, fehlt im Sommer am Boden die Feuchtigkeit. Dies hemmt die Bildung von Gewittern, die in der Schweiz für einen erheblichen Teil der Sommerniederschläge verantwortlich sind.
Mit den steigenden Temperaturen im Hochsommer nimmt auch die Verdunstung zu, was die Böden weiter austrocknet. Dies wiederum begünstigt das Auftreten von mehrtägigen Hitzewellen mit Tagestemperaturen über 30 Grad, wenn sich eine entsprechende Wetterlage einstellt. Ein regelrechter Teufelskreis also, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt.
Derartige Prozesse führten unter anderem zum Hitzesommer 2003, konnten aber auch in den heiss-trockenen Sommern der Jahre 2015 und 2018 beobachtet werden.
«Schafskälte» durchbricht Teufelskreis
So erklärt sich, warum bei Meteorologen und Klimatologen jeweils die Alarmglocken läuten, wenn es im Frühling deutlich zu trocken ist: Das «Set-up» für einen potenziellen Hitzesommer ist dann gelegt.
Entsprechende Szenarien werden auch für diesen Sommer herumgereicht. So äusserte die Weltwetterorganisation (WMO) Ende Mai die Befürchtung, dass für weite Teile Mitteleuropas ein extremer Hitzesommer bevorstehen könnte, wobei vor allem der Norden und Osten Deutschlands stark betroffen wäre. In den genannten Regionen war es im Frühling besonders trocken.
Ob dieses Hitzeszenario auch hierzulande eintreffen wird, ist angesichts der aktuellen Wetterentwicklung jedoch fraglich. Das kühle und regnerische Wetter wird bis mindestens Mitte Juni andauern. Die Frühlingstrockenheit wird dadurch wohl erheblich abgemildert. Und der Teufelskreis aus Trockenheit und Hitze wird fürs Erste unterbrochen – das sind gute Nachrichten.
Wer die Story im Original mit Bildern und Grafik lesen will findet sie hier (mit Aboschranke):
https://www.zsz.ch/es-muesste-jetzt-ein ... 8415831983