Lustigerweise ist das "Meteorologen-Prügeln" kein neues, sondern ein uraltes Phänomen. Allerdings muss man es auf sämtliche Personen ausdehnen, die sich in irgendeiner Form mit Wahrsage oder Prognosen beschäftigen.
Beispielsweise liess Attila der Hunne seine Auguren (Wahrsager), welche ihm den Ausgang von bevorstehenden Schlachten prophezeien sollten hinrichten, wenn sie einen Sieg seiner Gegner vorhersagten. Dabei wusste Attila, dass die Auguren nicht Schuld am Ausgang der späteren Schlacht waren. Sie mussten wegen ihrer Prognosen herhalten, die als schlechtes Omen interpretiert wurden.
Doch es gibt auch Beispiele aus neuerer Zeit. So warfen die Soldaten eines amerikanischen Schlachtschiffs im Vorfeld der Invasion in der Normandie 1944 einen Navy-Meteorologen über Bord, weil der anhaltend schlechtes oder windiges Wetter im Ärmelkanal vorhersagte! Der gute Mann musste per Rettungsring wieder reingeholt werden, die Matrosen hätten ihn ersaufen lassen.
Das mögen zwar extreme Beispiele sein, sie sind aber durchaus vergleichbar mit den Reaktionen, die Bucheli und Co. einstecken müssen. Das Problem liegt zu einem grossen Teil daran, dass Wetterfrösche und andere "Vorhersager" sich mit Prognosen in die breite Öffentlichkeit wagen. Obwohl eigentlich niemand mehr daran zweifeln kann, dass die Meteorologie eine Wissenschaft ist, so ist sie dennoch nach wie vor mit dem Makel der Unsicherheit behaftet. Vor allem in der Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit. Und genau hier liegt das Problem: Volkes Zorn war noch nie und wird auch niemals mit rationalen Argumenten zu widerlegen sein. Am Wetter entladen sich Frust, Wut und emotionale Explosionen. Und weil man das Wetter als solches ja weder attackieren noch sonst irgendwie belangen kann, führt der Weg eben über jene Personen, die sich in der Öffentlichkeit damit exponieren – die Meteorologen. Im Gegensatz zu früher ist die Reizschwelle dafür sogar gesunken. Das liegt aber meiner Ansicht nach weniger an den Menschen, sondern an den technischen Möglichkeiten. Per email lässt es sich eben "mutiger" und unpersönlicher Fluchen, als von Angesicht zu Angesicht.
Den Verfall der Gesellschaft oder eine Volksverblödung würde ich deshalb aber noch nicht ausrufen. Die Menschheit war in diesen Dingen schon immer etwa gleich blöd.

- Editiert von Tinu am 08.06.2006, 15:06 -
Tinu (Männedorf ZH, 422 m ü. M)
Gewitter und Sturm = erhöhter Pulsschlag
Föhn-fasziniert