Markus Pfister hat geschrieben: ↑Mo 26. Aug 2019, 12:14
Danke Cyril, das hilft etwas über die momentan knochentrockene Höhenluft über der Schweiz hinweg.
Gruss
Markus
Hoi Markus. Bitte, gerne geschehen. Ist immerhin besser in den Archiven zu wühlen, als zuhause die Strobolampe an den Verstärker anzuschliessen, die dann zu Saturday Night Fever mit John Travolta ein "nervöses" Blitzlichtgewitter simuliert.....
Ich glaube nicht, dass die Wahrnehmung verzerrt ist. Ich eröffne pro Monat im PC einen Ordner und für jedes Chasing, bzw. konkrete Vorhersage einen Unterordner für die hunderten an Kärtchen, Sat.-Bilder usw. Es gab Jahre, wo verlässlich um den 23.'Juli herum der Gewitterpeak eintraf und man mehrere Tage lang auch hierzulande unterwegs war. Kann mich auch erinnern (und Ralph als mein damaliger Nowcaster), dass Dreizellenchasings, oder Vierzellen- / Dreiländerchasings in der Burgunder Pforte, oder im Bereich des Pfänder keine Seltenheit waren. Die Saison begann für mich in der Regel Mitte April. Dieses Jahr mussten wir bis Mitte Mai warten. Früher war ich noch ein paar Mal im September vor Saisonschluss Mitte September ein paar Mal unterwegs; und heute hatte ich mal GFS durchgeklickt bis zum 05.09.19. Ich habe kopfschüttelnd das Tool wieder geschlossen. Unglaublich. Diese "Zitrone" ist ausgepresst.....
Aber ich bin ein Vertreter der alten Bauernregel, die besagt, dass das Gewitterverhalten auch auf die Zugbahnen bezogen jeden Sommer jeweils im Grundprinzip (mit Ausnahmen) verglichen werden kann. Statistiken belegen dies. Ein Bisenjahr ist natürlich schlechter, als eine Südwestlage, die sich mehrheitlich pro Saison in nahezu identischen Zugbahnen zeigt. Früher gab es diese klassischen Tiefdruckrinnen von Südfrankreich bis hinauf nach Skandinavien. Da war Action. Spitze Kurzwellentröge mit markanten Fronten im Gepäck, die ohne lange zu fackeln durchschwenkten. Aber so nervige KLT-Herumeiergeschichten wie dieses Jahr - will er, will er nicht, doch er will, oder doch nicht - gab es nach meiner Erinnerung noch nie so ausgeprägt; und bei geostrationären "Geschichten" über Frankreich, mit markant ansteigendem Geopotenzial in Richtung Osten, haben wir in der Schweiz schlechte Karten für fotogene Passagen starker Gewitterlinien. Das ist meine persönliche Meinung. Zudem schwappte kürzlich eine verwellende KF über den Alpenkamm, in dessen Traversierung sich üblicherweise im Lee ein Genuatief auf der Vb-Route bildet. Da war aber nix; habe alle Karten studiert. Aber ich denke (auch persönliche Meinung), dass sich seit dem Fauxpas 1999 mit dem Jahrhundertsturm Lothar sich vieles extrem positiv verändert hat. Der Chef des DWD hatte ja damals öffentlich zugegeben, man habe diesen Sturm völlig unterschätzt und über die Gefahr von Schnellläufern zuwenig gewusst. Weckruf. 5 Monate später dokumentierte ich einen Tornadoverdachtsfall, der publiziert wurde und die Filmaufnahmen von der ETH aufgekauft wurden. 2001 erste Tornadokonferenz in Toulouse, Gründung des Sturmforums und einiger Wetterforen in Mitteleuropa. Gründung TorDACH. Mehr Geld für den modernen, technischen Ausbau meteorologischer Anstalten. Erforschung von Lothar, Klaus, Kyrill. Lehren daraus gezogen. Ich würde sogar behaupten, dass nie mehr ein Sturm heute inadäquat eingeschätzt werden kann, weil das Messnetz dichter, die Modelle kleinscaliger und das Wissen enorm viel besser ist, als noch vor 20 Jahren.
Und an dieser Stelle möchte ich mal Willi für das von ihm ins Leben gerufene Sturmforum danken, das wir alle gratis nutzen dürfen und tausende von Informationen schon ausgetauscht wurden, von denen Laien, aber auch Profis einen Nutzen ziehen. Meteorologen wurden zu Sturmjägern und die anfangs noch belächelten Sturmjäger wurden zu teils fachkundigen Prognostiker in der Vorhersagekunst. So soll es sein....
Ich habe es angekündigt: ich ziehe mich allmählich zurück. Die Gründe sind mannigfaltig, u.a. gesundheitlich bedingt. In den über 21 Jahren habe ich viel gesehen, einige hundert Zellen gejagt - auch anspruchsvoller geworden. Einige der wenigen bis jetzt unerfüllten Träume bleiben: z.B. rechtzeitig auf der Halbinsel Sirmione am Lido die Kamera aufstellen, während eine Superzelle beim Einnachten auf Brescia zurollt und den Gardasee überrollt. "Schwärm...!"
Die Erwartungen und das Frustpotential mögen auch gestiegen sein; auf jeden Fall - und das spielt viel Subjektives mit. Aber die rückläufige Quote der Gewitter ist objektivierbar - und so macht es keinen richtigen Spass mehr...
Gruss Cyrill