Hallo zusammen!
Hier nun der Bericht zur Superzelle, welche bei Feuchtwangen den Großhagel bis 9cm produzierte:
Am Samstag, 30.06.12 stand die erste wirklich großflächige Schwergewitterlage für Deutschland an. Die Karten zeigten das große Potential an diesem Tag. Speziell J. Zimmers WRF hatte über zwei Läufe konstant eine sehr interessante Entwicklung in BaWü gerechnet: Eine kräftige, isolierte Zelle etwas nördlich von Stuttgart, welche sogar so etwas wie ein eigenes „Meso-Tief“ besitzen sollte. Da die Scherungswerte und auch die anderen Parameter an diesem Tag eindeutig für Superzellen sprachen, entschlossen wir uns dazu, in diese Region zu fahren.
Wir fuhren schwitzend gegen 13 Uhr in Reutlingen los, zunächst auf die A81 Richtung Leonberg. Bei Ditzingen postierten wir uns direkt neben der Autobahn. Von dort hatte man einen halbwegs guten Blick Richtung Schwarzwald, an dem wir die ersten Entwicklungen vermuteten. Auch bei etwaigen Entwicklungen weiter südlich/nördlich wäre man in nicht all zu langer Zeit gewesen. Im Schatten und tropischen Bedingungen warteten wir nicht lange, als durch den starken Dunst erste nette Cu Richtung Westen zu sehen waren. Gegen 15:45 Uhr entstand ein größerer Cu bei Bad Wildbad, welcher anfangs noch recht unspektakulär aussah. Die Zelle aus diesem Cu erschien um kurz nach 16 Uhr auf dem Radar. Anfangs schien sie durch einen Deckel auf ca. 9000m etwas gehindert zu sein:
Die starke Höhenströmung lies den Eisschirm in wahnsinniger Geschwindigkeit wachsen. Uns war klar, dass es diese Zelle sein musste, welche WRF im Programm hatte (sonst herrschte in BaWü noch die große Ruhe vor dem Sturm). Da wir quasi ideal standen, können wir die Geburt und die folgende Reifung der Zelle wunderbar beobachten:
Nach Durchpeilen der groben Zugrichtung stellten wir fest, dass die Straßenlage Richtung Osten in dieser Region nicht ideal ist. Leider war auch der Großraum Backnang aufgrund der FB-Party an diesem Tag tabu für uns. Da die Zelle erstaunlich viel Nordkomponente drin hatte, beschlossen wir also erst einmal auf der A81 weiter zu fahren. Kurz später zeigte sich, dass die Zelle tatsächlich damit begann, das vorhandene Potential abzurufen:
Es bildete sich rasch eine wall-cloud aus und die typischen und schönen Strukturen einer Superzelle wurden sichtbar. Wir legten einen ersten Zwischenstop für Fotos/Videos und einen Zeitraffer (s. im Video) ein. Gleichzeitig vollzog die Zelle auf Höhe Vaihingen an der Enz einen Split.
Hier sieht man die Abspaltung des leftmovers, welcher jedoch nur kurz lebte:
Trotz dem Einsatz des Hagelfliegers kam die Zelle mit ihrer starken Rotation schnell näher und wir mussten weiter. Als wir auf der Autobahn bei Großbottwar in einen unfallbedingten Stau gerieten, spielten wir mit dem Gedanken abzufahren und über Landstraßen weiter zu fahren. Glücklicherweise taten wir dies nicht, fuhren nach Passage des Staus weiter und ließen den Aufwindbereich erst einmal hinter uns. Dabei kamen wir kurz später in kleinen Hagel (ca. 1-2 cm), welcher aus dem bereits sehr großen Eisschirm fiel. Es war wirklich beeindruckend, wie stark der Höhenwind den Niederschlag verfrachtete. Aufgrund der Zugrichtung fuhren wir am Autobahnkreuz Weinsberg (A81/A6) weiter Richtung Nürnberg. Auf der Fahrt Richtung Osten konnten wir uns dank guter Verkehrsbedingungen wieder vor die Zelle setzen, welche auf ihrem ONO-Kurs gleichzeitig immer näher an die A6 kam. Der schöne Aufwind wurde daher auch wieder deutlicher sichtbar:
Es musste dann ein Ort gefunden werden, um Auf- und Durchzug der Zelle zu verfolgen. Am Autobahnkreuz A6/A7 führen wir auf die A7 Richtung Süden und nahmen gleich die erste Ausfahrt. Ein paar hundert Meter östlich von Bergnerzell (ca. 3-4km NW von Feuchtwangen) postierten wir uns an einem kleinen Hang, von dem die Sicht Richtung Westen sehr gut war. Die Zelle Steuerte mit ihrem Aufwind direkt auf uns zu:
An sich wirkte die Zelle optisch nicht sonderlich bedrohlich: Man sah nur minimale Fallstreifen und konnte damit quasi unter der Zelle durch sehen, es blitzte nur sehr sporadisch und der Aufwind schien seine Struktur während des Aufzugs deutlich zu verändern. Auch eine Spaziergängerin schien aufgrund der Tatsache, dass wir bei diesen Bedingungen wie wild Fotos schossen, zig Stative herumstanden und allgemeine Aufregung herrschte, deutlich irritiert. Sie fragte, ob an diesem Gewitter etwas Besonderes sei. Nachdem wir dies bestätigten, schaute sie nur ungläubig gen Westen und lief Richtung Dorf. Auf dem zweiten Zeitraffer sieht man gut, dass der erste optische Eindruck trügt und sich die Zelle kurz vor uns noch einmal massiv verstärkte und der Aufwind regelrecht explodierte, wobei die Rotation wieder deutlich zunahm. Kurze Zeit später begann es dann zu Hageln. Der Hagel fiel absolut trocken und anfangs mit 2-3cm. Die Hageldichte nahm zu und die Schlossen wurden immer größer. Aus Bergnerzell konnte man das charakteristische Krachen und Scheppern hören, welches nur bei großem Hagel auftritt. Dieser rauschende Lärm kündigte den eigentlichen Hauptniederschlag an: trockenen Großhagel. Die meisten Körner waren zwischen 6 und 8cm. Sie hüpften auf der Wiese bis zu 2m in die Höhe und verursachten beim Aufschlag auf das Auto geradezu groteske Aufprallgeräusche. Der Hagel fiel dann gute 10 Minuten fast senkrecht und (gottseidank) ohne Wind vom Himmel, wobei das Ganze nach etwa 5 Minuten von Sonnenschein begleitet war. Gegen Ende mischten sich ein paar Regentropfen unter den Hagel, dann war der Spuk vorbei. Beim Einsammeln des Hagels konnten wir ganz unterschiedliche Hagelformen finden. Runde, einkernige; Konglomerate aus kleinen Körnern; bikonkave und stachelige Schlossen. Das größte Korn, das wird gefunden haben, hatte ganze 9cm, war jedoch nur ein Bruchstück (ca. 1/3). Es wog nach dem langen Transport und nach einigem Abschmelzen immer noch gut 100g. Man kann also davon ausgehen, dass einzelne Schlossen sicher um 300g schwer waren.
All das Gesagte (Zeitraffer, Hagel etc.) findet sich hier in folgendem Video:
http://www.youtube.com/watch?feature=pl ... yQKw4dM8O4
Weiteres Video/Zeitraffer:
http://www.youtube.com/watch?v=2AKLQ2_HAV4
http://www.youtube.com/watch?v=U7ieKWOW460
Zu den Schäden: Von den umliegenden Bäumen wurden natürlich viele Äste abgeschlagen. Eine Scheune verlor außerdem einige Dachziegel. Bei Passage des Dorfs Bergnerzell konnten wir keine größeren Schäden ausmachen. An unserem Auto ging der Hagelschlag natürlich auch nicht ohne Spuren vorbei. Wundersamerweise wurde keine der Scheiben von einem richtig großen Brocken getroffen. So blieb es bei tiefen Dellen (auch in der A- und B-Säule!!) und einer gerissenen Frontscheibe durch einen Randtreffer.
Nachdem wir die ganze Sache etwas verdaut hatten, ging es weiter nach Süden auf der A7, wo wir dann später dem Aufzug der Gewitterlinie mit einer tollen shelf-cloud und Sturm beiwohnen konnten. Dies dann aber in einem gesonderten Beitrag.
Greez
Ben