@Fabienne
Passend dazu die Ausführungen von US-Meteorologe Matt Lanza, den ich zu Melissa befragt habe. Hier der Link zum Original:
https://www.tagesanzeiger.ch/hurrikan-m ... 3670520495
«Nur sehr wenige Orte auf dieser Welt haben jemals erlebt, was die Bewohner von Jamaika durchgemacht haben»
Mit Orkanböen von 300 Kilometern pro Stunde ist Hurrikan Melissa am Dienstag auf die Karibikinsel Jamaika getroffen. Der Sturm sorgte zudem für gewaltige Niederschläge, lokal gab es bis zu 1000 Liter Regen pro Quadratmeter in 72 Stunden. Die Schäden auf Jamaika dürften enorm sein.
Am Mittwoch überquerte Melissa leicht abgeschwächt den Südosten Kubas. Auch dort sind Verwüstungen zu befürchten. Gemäss US-Meteorologe und Hurrikanexperte Matt Lanza stellte der Hurrikan einige bemerkenswerte Rekorde auf – und tanzt auch sonst in mehrfacher Hinsicht aus der Reihe.
Matt Lanza, Sie haben Melissa in den letzten Tagen intensiv verfolgt. Wie ist dieser Hurrikan einzuordnen?
Melissa gehört zu den stärksten Hurrikanen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen auf dem Atlantik. Beim Zeitpunkt des Erreichens von Land an Jamaikas Westküste wies der Sturm einen Kerndruck von 892 Hektopascal auf. Melisssa zog damit gleich mit dem bisherigen Rekordhalter in dieser Kategorie, dem sogenannten Labor-Day-Hurrikan im Jahr 1935. Dieser verwüstete die Inselgruppe der Florida Keys. Nur sehr wenige Orte auf dieser Welt haben jemals das erlebt, was die Bewohnerinnen und Bewohner von Jamaika am Dienstag durchgemacht haben.
Sie haben an anderer Stelle geschrieben, dass Melissa wegen der sehr langsamen Verlagerung und der untypischen Zugbahn aussergewöhnlich sei. Können Sie das genauer ausführen?
Seit Ende letzter Woche sass Melissa praktisch in der Karibik fest. Über Mexiko lag ein Hochdruckgebiet, das den Hurrikan von Norden nach Süden abgelenkt hätte. Dem entgegen wirkte jedoch ein weiteres Hochdruckgebiet östlich davon über dem Atlantik, das Melissa von Süden nach Norden schob. Diese beiden Druckzentren hoben sich also im Grunde gegenseitig auf, sodass Melissa «gefangen» war. Das Hochdruckgebiet über Mexiko schwächte sich schliesslich ab, sodass Melissa ab Montagabend nach Norden gedrängt wurde. Diese langsame Verlagerung ist der Hauptgrund für die extremen Niederschläge auf Jamaika. Aber auch die Zugbahn des Sturms von Süden nach Norden spielte dabei eine verstärkende Rolle.
Warum?
Weil diese Zugbahn eher untypisch ist. Normalerweise ziehen Hurrikane eher von Osten nach Westen über die Karibikinseln. Durch die atypische Zugbahn staute sich die von Melissa herangeführte Feuchtigkeit auf der dem Wind zugewandten Seite der Gebirgszüge, die Jamaika im Landesinnern durchziehen. Das verstärkte die Niederschläge zusätzlich.
Gab es etwas Vergleichbares bereits in der Vergangenheit?
Es gibt nur wenige dokumentierte Stürme, die Jamaika von Süden nach Norden überquerten, zuletzt Sandy im Jahr 2012. Einige davon ereigneten sich im 19. Jahrhundert. Typischerweise handelt es sich dabei um Spätjahresstürme, ähnlich wie Melissa. Spät in der Saison kommt es häufig zu ungewöhnlichen Zugbahnen. Das liegt am Übergang des atmosphärischen Zirkulationsmusters vom Sommer zum Winter, was zu ungewöhnlichen Bewegungen von Hurrikanen führen kann. Der Sturm Melissa hat wegen seiner Intensität diesbezüglich aber sicher ein neues Kapitel aufgeschlagen.
Bevor Melissa Jamaika überquerte, verstärkte sich der Hurrikan über dem offenen Meer innerhalb von sehr kurzer Zeit auf die höchstmögliche Kategorie. Woher kam die Energie dafür?
Solche Stürme beziehen ihre Energie aus dem zu dieser Jahreszeit überwärmten Meerwasser. Die Karibik ist grundsätzlich ein sehr warmes Gewässer und daher günstig für Hurrikane.
In den letzten Wochen baute sich zwischen der mittelamerikanischen Ostküste und Jamaika eine ausgeprägte Wärmeanomalie im Wasser auf. Dieses Potenzial blieb in dieser Saison bisher von Stürmen aber weitgehend ungenutzt.
Dann kam Melissa …
Genau.
Der Sturm zog in den Bereich dieser Anomalie und nutzte entsprechend das wärmste zurzeit verfügbare Wasser im Atlantik. Und es kommt noch etwas dazu: Normalerweise sorgen Hurrikane mit ihren heftigen Winden dafür, dass das Meer durchmischt wird. Durch den Wellengang gelangt kühleres Wasser aus tieferen Schichten zur Oberfläche. Bei Melissa war das nicht der Fall, weil das Wasser bis in grosse Tiefen aussergewöhnlich warm ist. Das ist mit ein Grund dafür, warum der Hurrikan auf dem Weg nach Jamaika seine Intensität so lange beibehalten konnte. In einem typischeren Szenario hätte Melissa möglicherweise genug kühleres Wasser aufgewirbelt, um sich selbst etwas abzuschwächen.
Also musste man eigentlich mit einem Szenario wie nun bei Melissa rechnen?
Wir können uns eigentlich sogar glücklich schätzen, dass es in diesem Jahr nicht zu weiteren Stürmen dieser Art in der Karibik oder im Golf von Mexiko gekommen ist. Die Folgen hätten in einem grösseren Gebiet sehr schlimm sein können.
Tinu (Männedorf ZH, 422 m ü. M)
Gewitter und Sturm = erhöhter Pulsschlag
Föhn-fasziniert