Hallo zusammen
Zuerst einmal ein Dank all jenen, welche zur sachlichen Diskussion über dieses tragisch verlaufene Ereignis beitragen.
Es ist eben
nicht egal (@lukeduke), ob es ein Tornado, ein Gustnado oder ein Downburst war. Wie Tinu bereits erwähnt hat sind wir hier 1. in einem Sturmforum und 2. macht es aus wissenschaftlicher Sichtweise durchaus Sinn, die genauen Umstände bzw. das genaue Phänomen dieses Unwetters zu beleuchten, damit – zusammen mit Analysen weiterer ähnlicher Ereignisse – Erkenntnisse gewonnen und diese in die Verbesserung des Bevölkerungsschutzes eingebracht werden können. Bis dahin ist es bekanntlich ein langer Weg.
Es wurden zum Teil bereits interessante Aspekte bezüglich der Natur des Ereignisses beleuchtet und ich würde mich freuen, wenn dies fortgeführt würde. Die Diskussion um das Versagen des OK bzw. was hätte man besser machen können, damit es nicht zu diesen vielen Verletzten gekommen wäre, dafür existiert ja ein eigener – von Michael ins Leben gerufene –
Thread.
Ich habe nun auch viele Bilder, Videos und Berichte gesichtet und bin – vorweg genommen – momentan eher der Meinung, dass es sich um einen Gustnado oder allenfalls trockenen Microburst gehandelt haben könnte. Ein Tornado schliesse ich fast aus.
Wie folgt eine Auflistung, welche
Pro's und Con's ich für das entsprechende Phänomen sehe:
Tornado
- Con: Auf den Webcambildern von Magglingen sowie den Bildern von Knight ist keine eindeutige Wallcloud ersichtlich. Lediglich ein Lowering.
- Con: Auf der Animation von Knight erkenne ich keine grossräumige Rotation, welche auf eine Mesozyklone bzw. eine Wallcloud hindeuten würde
- Con: Die Zelle war zu diesem Zeitpunkt (wie auch schon mehrfach erwähnt) vermutlich outflow-dominant (Abschwächung kurz nach höchster Intensität auf dem Radar)
- Con: Die Zelle war zu diesem Zeitpunkt vermutlich keine Superzelle mehr (weiter südlich bei Genf war die Radarsignatur typischer für eine SZ)
- Con: Ipsach lag nicht am südöstl. Ende der Zelle, sondern direkt in ihrer Zugbahn. Die Lage der Mesozyklone nördlich des Forward Flank Downdrafts bei Zugrichtung NNE wäre untypisch
Downburst
- Wenn, dann aufgrund der Ausdehnung (Webcambilder, Bereich der grössten Schäden) eher ein Microburst
- Pro: Die Zelle war zu diesem Zeitpunkt vermutlich outflow-dominant („collapsing cell“)
- Pro: Die Schäden waren ziemlich konzentriert, eine Schneise ist aufgrund der bisherigen Meldungen nicht zu erkennen (in diesem Zusammenhang wäre allerdings interessant zu wissen, an welcher Strasse in Nidau
dieses beschädigte Hausdach vorzufinden ist (Merci @Janine für den Hinweis)
- Con: Das eine Video (
http://www.20min.ch/videotv/?vid=315810&cid=105) zeigt
konvergente Winde in einem sehr kleinen Bereich in Sturmstärke
- Con: Wäre gestern nicht eher ein nasser Downburst zu erwarten gewesen (bin mir nicht sicher)? In den Videos zeigt sich, dass die Winde ohne Niederschlag daherkamen
Gustnado
- Pro: Die Webcambilder von Magglingen stützen diese These in meinen Augen => Die Verwirbelungen auf der Oberfläche (wobei die sind m.E. nicht eindeutig) sind ein paar Hundert Meter vor dem Niederschlagscore zu sehen; direkt nach dem „Sturm“ bei Ipsach folgte also der Outflow
- Pro: Der Bereich der Orkanböen war offenbar sehr kleinräumig
- Pro: Das bereits erwähnte Video (
http://www.20min.ch/videotv/?vid=315810&cid=105) zeigt
konvergente Winde in einem sehr kleinen Bereich in Sturmstärke, was bei einem Gustnado durchaus Sinn machen würde
Soweit mal die Pro’s und Con’s zu den einzelnen Typen von meiner Seite her.
Noch etwas zum Zeitpunkt. In einer Meldung heisst es, um 18.14 Uhr sei beim OK ein Notruf eingegangen, eine Minute später habe man die Evakuierung angeordnet (Quelle: Blick Online). Wie aus einem anderen Bericht zu erfahren ist, kam der Alarm von Ipsach. Das deckt sich auch mit den Webcam-Aufnahmen von Magglingen. Um 18.15 Uhr erreicht der aufgewirbelte Staub den Aare-Kanal bei Nidau.
Die folgenden von Matt geposteten Windwerte finde ich übrigens interessant:
http://www.sturmforum.ch/forum_uploads/ ... l_frei.png
Das würde bedeuten, dass zum Zeitpunkt des Ereignisses oder wenige Minuten danach, die Winde mit Sturmstärke in Richtung Süd/Gewitteroutflow geweht haben müssen (unterstützt womöglich die Gustnado-These).
B3rgl3r hat geschrieben:zti hat geschrieben:Tornado?
1) Wenn ich die webcambilder von Magglingen anschaue die Kaiko gepostet hat, sehe ich keine Verbindung zwischen "Verwirbelungen auf dem See" und "abgesenkte Wolkenbasis".
2) Am Land ist ebenfalls keine Verbindung zwischen Wolke und Land.
Sollen diese nicht minimal Kriterien für eine Wasserhose oder selbst F1 Tornado sein?
Kurz ? Nein. Länger: Was zum lesen ->
http://www.skywarn.at/index.php/tornados.html
Entscheidend für die Existenz eines Tornados ist der Bodenkontakt des Wirbels, nicht des Wolkentrichters. Daher wurden leider schon oft schwächere Tornados, deren Wolkentrichter nicht bis zum Boden reichte (aufgrund zu schwacher Druckdifferenzen, was keine vollständige Auskondensation des Luftwirbels zur Folge hat), fehlerhaft "nur" als Blindtromben klassifiziert, obwohl am Boden Schäden auftraten bzw. der Luftwirbel dort durch aufgewirbelten Staub oder kleinere Trümmerteile sichtbar war.
Ich hab in einem Post weiter vorne Beispiele reingestellt von Tornados die eben nicht typisch so einen ausgebildeten "Rüssel" haben. Auch wenn ich für die Beispiele gemassregelt wurde.
zti hat geschrieben:
Möglicherweise war es dort nochmals etwas stärker aber das ist noch lange kein Tornado Beweis.
Hier hat niemand etwas von Beweisen gesagt, sondern Indizien. Bist du von der Presse ? Die machen aus Indizien plötzlich Fakten

Treffend richtiggestellt. Danke B3rgl3r!
Und schliesslich noch eine Aussage, wo ich in die Luft gehen könnte:
Das Fest solle trotzdem weitergehen. «Wir hoffen, dass wir nicht aus moralischen Gründen anders entscheiden müssen», sagte Hofer. (Quelle: Blick)
Nach dem Motto: Hoffentlich stirbt noch keiner der Verletzten, denn sonst müssten wir das Fest abbrechen. Zumindest fasse ich das so auf. Aber wie gesagt, das ist was für den anderen Thread.
Gruss,
Chris