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Re: Fcst/Ncst Gewitter u. KF 07./08.09.2013

Verfasst: Di 10. Sep 2013, 15:42
von Severestorms
@Cyrill/Christian: Interessante Beobachtung, welche ihr am Samstag Abend am Genfersee bei Rolle (VD) gemacht habt! Und ich denke, auf deinem Bild Cyrill kann man ziemlich eindeutig eine waagerecht liegende Funnelcloud erkennen. Ich habe euren Fall als „Verdacht Wasserhose“ in die Sturmarchiv Datenbank aufgenommen. Kannst du mir bitte noch den Zeitpunkt eurer Beobachtung mitteilen? Wie waren die meteorologischen Begebenheiten zu diesem Zeitpunkt? Von wo kam der Wind? Wie warm war es? Hat es bereits getröpfelt?

Philippe A hat geschrieben:Ich schaffs irgendwie nicht vom Handy das Bild hochzuladen hier der link http://img443.imageshack.us/img443/7383/04d5.png
@Philippe A: Danke fürs Foto! Nicht uninteressant, aber vermutlich wie so oft eine optische Täuschung. Zumindest macht es für mich so den Eindruck.

Gruss,
Chris

Re: Fcst/Ncst Gewitter u. KF 07./08.09.2013

Verfasst: Di 10. Sep 2013, 21:49
von Cyrill
Severestorms hat geschrieben:@Cyrill/Christian: Interessante Beobachtung, welche ihr am Samstag Abend am Genfersee bei Rolle (VD) gemacht habt! Und ich denke, auf deinem Bild Cyrill kann man ziemlich eindeutig eine waagerecht liegende Funnelcloud erkennen.

a.) Kannst du mir bitte noch den Zeitpunkt eurer Beobachtung mitteilen?
b.) Wie waren die meteorologischen Begebenheiten zu diesem Zeitpunkt?
c.) Von wo kam der Wind?
d.) Wie warm war es?
e.) Hat es bereits getröpfelt?

Gruss,
Chris
Hoi Chrigi, vielen Dank für den Eintrag und das Interesse!

Ich versuche die Fragen so gut es geht zu beantworten, denn z.B. c.) und d.) wird ja im Moment des Geschehens nicht mehr wahrgenommen; zu sehr ist man auf die Beobachtung konzentriert und hofft ein Foto dieses Phänomens machen zu können.
Nun ich poste hier zunächst noch einmal das Foto der waagerecht von der Mutterwolke ausgehende Funnelcloud, welches ich mit der Histogramm-Funktion im Paint-Shop Pro (ich weiss, es gibt bessere Programme... :oops: ) zur besseren Kenntlichkeit etwas nachbearbeitet habe. Darin eingezeichnet der Ort des kurzen Wasserkontaktes, der nach meiner Erinnerung, seit des Entdeckens nur rd. 15-20 Sek. gedauert haben dürfte. Die orange Linie zeigt das Anfangsstadium des bogenförmig auskondensierten Rüssels, bevor er aus der Mitte heraus nach Nordosten weggedrückt wurde und eine wild tanzende Funnelcloud oben zurückblieb. Evtl. sind die über dem Wasser schwebenden Kondensationsreste (Pfeil) der übrig gebliebene Teil im Basisbereich:

Bild

Bei dieser Beobachtung kam mir sofort eine Szene aus einer amerikanischen Dokumentation über Tornados in den Sinn, die durch ihre Aussergewöhnlichkeit recht bekannt ist und oft gezeigt wird. Es handelt sich um den Fridley-Brooklyn-Park-Tornado von 1986, der aus einem Helikopter gefilmt wurde (Szene im unten verlinkten Youtube-Video ab Timecode 01:50):

Bild

http://www.youtube.com/watch?v=WrK2ytxS83w

In dieser Art rotierte und tanzte dieser Wolkenschlauch weniger als einen Kilometer genau vor unserer Nase herum. Vielleicht kennst Du die vollständige Dokumentation über den Jarell-Tornado. Im Anfangsstadium, bevor er zum F5 mutierte, zeigte er sich als dünnen Wolkenschlauch, der ähnliche Pirouetten vollführte (im folgenden Link leider nur als kurzen Ausschnitt im Video bei Timecode 1:13 zu sehen):
http://www.kvue.com/news/Jarrell-tornad ... 54055.html

Antworten:

a.) Bei der Durchsicht der Fotos entdeckte ich eine Aufnahme von 21:11 MESZ, auf welcher möglicherweise bereits der Ansatz der rd. 1-2 Minuten später entstehenden Wasserhose / Funnelcloud zu sehen ist (mit Rechteck markiert):

Bild

Gem. Exif-Daten entstand die Aufnahme weiter oben um 21:13 MESZ.

Zum Vergleich poste ich hier noch einmal den Donnerradar-Loop, auf welchem die Zellverlagerung aus SSW über den Genfersee nach Rolle (VD), genau in Richtung unseres Standortes zeigt:

Bild

Der sehr ausgedehnte, blaue Niederschlagsbereich auf dem Donnerradar ist aber etwas irreführend. Bei unserem Standort hatte es bis kurz vor Ankunft der Zelle lange nicht geregnet, nicht einmal getröpfelt (Antwort auf Frage e.)). Dazu die Cosmo2-Messung für 21:10 MESZ:

Bild

b.) Zu den meteorologischen Begebenheiten kann ich zunächst nur sagen, dass ich nicht zweifelsfrei beurteilen kann, ob die unvermittelt einsetzenden Sturmböen, kurz vor Ankunft des Starkniederschlagsbereichs der Zelle, deren Outflow alleine zuzuschreiben sind, oder (so wie Fabienne später in ihrem Bericht geschrieben hatte) mit der Druckwelle zu tun haben, die in der Veraflex-Analyse (s. unten) gut zu sehen ist. Druckdifferenz Annecy-Fribourg um 19z gute 3 hPa, was aus meiner Sicht doch recht beachtlich ist auf eine Distanz von rd. 120 km:

Bild

Quelle: http://www.univie.ac.at/amk/veraflex/test/public/

Beachtenswert hierbei die lokal erhöhten Theta-E-Werte im Bereich des Druckzentrums, sowie die Delle (1015 hPa) südlich des Genfersees, die der Sache quasi noch einen "Fusstritt" verpasst haben dürfte. Entscheidend aber zu Deiner Frage nach den Windverhältnissen (c.)) erachte ich das 10m-Bodenwindfeld, welches eine zyklonale Signatur im Bereich vor Lausanne zeigt und optimal zu einer Wasserhosengenese passen würde:

Bild

Wenn auch unser Standort etwas westlich von Lausanne war, dürften die Windscherungsverhältnisse zu diesem Zeitpunkt sehr gut gewesen sein, was aus dieser Karte unten (ebenfalls 10m-Wind).....

Bild

...in Kombination mit dem Diagramm der Feuchteflussdivergenz erahnt werden kann, obwohl mir das vertikale Windprofil (z.B. von Anetz) von diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung steht:

Bild

Zur Frage d.) kann ich wie gesagt nichts Aussagekräftiges beisteuern, aber ich nehme mal etwa 21-22° Grad Celsius an, bevor wir durch die Niederschlagsabkühlung und pitschnass vom Regen bis auf die Knochen schlotterten.

Gruss Cyrill