Tinu (Männedorf) hat geschrieben: ↑Do 5. Sep 2024, 10:29
Schöne Kracher! Was mich Wunder nimmt: Wo genau ist dein Standort, resp. zeigt der Film die Vorderseite, Rückseite oder den Fuss der Zelle? Oder ist es undefinierbar? Mir ist nämlich schon oft aufgefallen, dass diese sich fortpflanzenden Metallkracher eher im Bereich der nassen Rückseite von Gewittern auftreten und sicher nicht auf der Vorderseite.
Hoi Tinu
erstmal herzlichen Dank für Dein Like und Kompliment.
Natürlich gibt/gäbe es eine Kurz-, Mittel- und Langversion als Antwort zu dieser sehr guten Frage, die sich sicher (neben mir und Dir) auch andere Gewitterinteressierte gefragt haben. Und so gerne ich dieses interessante Thema etwas ausführlicher erklären würde, muss ich leider die Kurzform wählen, weil ich nächste Woche operiert werde (nachher und auch jetzt schon nur unter Anstrengung überhaupt schreiben kann) und aktuell ziemlich unter Zeitnot leide. Dennoch:
https://xtremeweather-tours.ch/blog/201 ... 7-07-2016/
Am 27.07.2016 wurde mein Auto (siehe Bericht auf meinem Blog) von einem Blitz getroffen. Er schlug in die Oberkante der Frontscheibe ein. Bemerkenswert: der Blitz schlug 9 km (!) neben dem Zellkern ein und trotz höherer Bauten auf dem Connyland-Areal genau neben mir, hat es mein Auto getroffen. Akustisch natürlich sehr interessant, weil ja die Schock-/Schallwelle sich nur 60 cm vor der Nase überhaupt entwickelt, ist die Amplitude steil und hoch; so böllermässig, durch die Scheiben etwas gedämpft und am Ehesten mit dem Video auf Youtube aus den USA vergleichbar: Jeep With Family Inside Struck by Lightning on Highway
https://www.youtube.com/watch?v=2nFff3H2BpQ
Nach meiner Erinnerung war ich mit meinem damaligen Chasingpartner Roland Morgenthaler keine 48 h vorher im Raum Sargans / Rheintal unterwegs. Mich würde interessieren, ob bei diesen beiden Ereignissen ein uns noch nicht bekannten Zusammenhang bestehen könnte. Item: Gegen Roland's Idee im August 2016 unverzüglich die Flucht zu ergreifen, nachdem (!) ich Sekunden vorher am Monte Bré vom Blitz getroffen wurde (Roland stand beim Filmen etwa 10-12 Meter entfernt, unter der Heckklappe meines Chrysler Voyager und ich im Freien) hatte ich natürlich nichts mehr einzuwenden, als ich am Boden krabbelnd nach der ebenfalls weggespickten Kamera mit Stativ griff und erst Mal froh war überlebt zu haben. Im Video ist eine Rückblende der vorausgegangenen paar Minuten zu sehen, sowie bei Timecode 02:19 im Video das letzte Foto, ein paar hundertstel Sekunden bevor der Verschluss zu ging. Zu sehen ist ein kleiner "Branch", ein Ast des Blitzes, der mich getroffen hatte, im Abstand von schätzungsweise 1 - 1,20 Meter.
https://www.youtube.com/watch?v=GnidBZSjqTA
https://www.youtube.com/watch?v=8YC--b0oxQU
Ich glaube Du denkst bei Deiner Frage eher an solche Donner, wie hier im Video. 75 kA, gem. Blitzortung Kachelmann 40-45 Meter entfernt, am 21.07.2021 - mit lang anhaltendem Donner.
https://www.youtube.com/watch?v=wJwsxEW9dec
08.08.2015, 120 Meter Distanz, Naheinschlag, auch mit lang anhaltendem Donner ("metallisch")
https://www.youtube.com/watch?v=SXoXS_sz7gQ
18.07.2013, 80 Meter Distanz, Naheinschlag, dito.
https://www.youtube.com/watch?v=ZtV2fd8jEPg&t=10s
Und dieser da hat am 12.07.2011 beim Überlingersee während eines Chasings rd. 10-12 Meter entfernt in die Leitplanke eingeschlagen. Das war aber auch das einzige Mal, wo ich während dem Filmen aus dem offenen Beifahrerfenster hinaus am Arm die Druck- und die Hitzewelle eines Blitzes direkt gespürt hatte. Sie ist nur einen Bruchteil einer Sekunde spürbar.
https://www.youtube.com/watch?v=Zkz_fzHYfbQ
Vielleicht noch den da vom 20.08.2008 in Triest (Italien). 100 Meter Naheinschlag und kurz darauf ein zweiter etwa 300 Meter entfernt, dessen Einschlagstelle ich am nächsten Morgen gefunden hatte.
Einer der Gründe, warum ich 2009 die Idee zum Donnerradar hatte, die zu Zeiten unserer Firma zur Rettung des ehemaligen ETH-Radars auf der Agenda stand, und Willi dann (wie bekannt ist) mit "Nowcast" und Jan (Muri) die Connections hatte, diese Idee umzusetzen, war a.) mal grundsätzlich dieses für Chaser damals (bis 2009) völlig unhandliche "Mäusekino" (kleines Niederschlagsradar und winziges BLIDS-Siemens Blitzortungs-Tool), durch ein absolut damals einmaliges und revolutionäres Tool zu ersetzen, wobei Blitzdaten als Overlay über Niederschlagsdaten gelegt werden. b.) eben genau durch die Datenanalyse solche interessante Fragen, wie Du gestellt hast, eben auch besser beantwortet werden können, wenn auch nicht abschliessend.
So kann man generell davon ausgehen, dass ein überwiegender Teil der Blitze im Zellkern, bzw. in unmittelbarer Nähe produziert werden und im Durchschnitt über die Saison gerechnet etwa 2/3 CC's und 1/3 CG's verzeichnet werden. Letztere teilen sich in positive und negative Entladungen im genannten Zellbereich etwa je zur Hälfte auf, während vorwiegend positive CG's vor Ankunft der Zelle, bzw. auf der Rückseite der Zelle (gut auch auf dem Radar zusehen) geortet werden. Ich war in Frankreich einmal mit Dr. Funnel unterwegs, als über uns blauer Himmel war, die Zelle rd. 15 km entfernt und plötzlich aus dem Anvil waagrecht ein CG herauskam und rd. 2 km vor uns dann mit senkrechtem Blitzkanal in den Boden schlug. Ich gehe mal davon aus, dass in den USA und in Australien (und Tessin) diese Blitze wesentlich für die Busch- und Waldbrände verantwortlich sind.
Nun habe ich bereits vor über 20 Jahren konstatiert, dass manchmal 8, 10 oder mehr Minuten nach Durchgang eines Gewitters vergehen, bis dann ein sog. "Schluss-CG" erfolgt; meistens positiv, mit Stromstärken zwischen 170 kA bis zu über 400 kA. Zudem ist mir aufgefallen, dass manche etwas schwächeren Blitze nach Durchgang der Zelle kaum oder sogar nicht mehr hörbar sind, da (nach meiner Theorie) durch die enorme Niederschlagsabkühlung vor allem in Talsohlen ein Kaltluftsee entsteht, mit anderer Dichte, wobei die Schallwellen von höheren Bereichen an dieser Dichtegrenze "abgelenkt", oder sogar "reflektiert" werden.
Deine Frage nach der Definierbarkeit der durch Blitze erzeugten Schallwellen (Donner), abhängig vom Standort innerhalb der Zellregion, bzw. -genese, ist demnach durchaus berechtigt, welche also nicht nur anhand der Stärke und der Ladung (positive Blitze sind in der Regel lauter, weil sie mehrheitlich bis zu 10- oder 20-fach mehr Ampère produzieren), beurteilt werden kann, sondern auch mit dem in der unmittelbaren Umgebung vorherrschenden Zustand der Zelle zu tun hat (viel, wenig Niederschlag, niedriger, hoher Hagelschlot, kleine thermisch bedingte, konvektive Zelle, oder Superzelle, MCS usw. - oder auch geringe, oder eben sehr hohe Niederschlagsabkühlung). Ich glaube die zu einer erschöpfenden Antwort führenden Argumente sind hier nur skizziert; es dürften komplexe physikalische Bedingungen herrschen, welche es zu erforschen lohnt - und oft standen am Anfang subjektive Empfindungen.
Ich habe in der Nähe von Römerswil (LU) die ersten drei "Wellen" des MCS (dessen Zentrum angeblich nördlich von mir lag) beobachten können und die vierte Stafel dann von Sempach /Hildesrieden aus. Die Naheinschläge fanden während der 3. Staffel statt und es regnete zu jener Zeit sehr stark. Das wäre die kurze Antwort gewesen...
Na ja, vielleicht interessiert sich ja der Eine oder Andere für das hier Skizzierte.
Viel Spass und Gruss Cyrill