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Busse für Wetter-Fehlprognose

Erdbeben, Kameras, Forumkritik usw.
cyba
Beiträge: 374
Registriert: Sa 26. Jun 2004, 11:22

Busse für Wetter-Fehlprognose

Beitrag von cyba »

Hoi zämme

Diesen Artikel habe ich heute Morgen (23.2.05) im Tages Anzeiger gelesen:

Moskau - Für falsche Wettervorhersagen sollen die Meteorologen in Moskau in Zukunft zur Kasse gebeten werden. Die "Wetterämter" der Stadt und im Umland müssen in Zukunft für Verluste aufkommen, die wir durch ihre falschen Prognosen erleiden", sagte Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow am Dienstag. Durch ungenaue Vorhersagen seien die Strassenräumdienste nur unzureichend auf starke Schneestürme oder Glattteis vorbereitet. Mitte Februar hatte Moskau die stärksten Schneefälle seit Jahren erlebt. Im Zentrum fielen in einer Nacht bis zu 20 cm Schnee. In manchen Stadtteile der Metropole mit knapp 11 Mio. EW, brauchten die Räumdienste Tage , um Nebenstrassen wieder befahrbar zu machen. In diesem Fall hatten die Meteorologen allerdings rechtzeitig Schnee - Alarm gegeben. An wichtigen Feiertagen ist in Moskau der Bürgermeister für den Sonnenschein zuständig. Zum "Tag des Sieges" über Hitler - Deutschland am 9. Mai oder zum alljährlichen Stadtgeburtstag Anfang September lässt Luschkow bei Bedarf Spezialflugzeuge aufsteigen, die Wolken mit Chemikalien auflösen.

Auswirkungen

Man kann sich tatsächlich die Frage stellen, ob meteorologische Dienste für Fehlprognosen verantwortlich gemacht werden sollten. Folgen von Fehleinschätzungen könnten sein:

-Chaos auf den Strassen (Unfälle; Menschen, die an den Arbeitsplätzen "fehlen", weil sie im Stau sitzen.

-Schäden in der Landwirtschaft durch Hagelschlag (gefährliche Zellen könnten mit Silberjodid abgeschwächt werden)

-Aufgrund grosser Schneemengen und Lawinengefahr könnten Täler von der Umwelt abgeschnitten werden (fehlende Tourismuseinnahmen); mit rechtzeitigen Sprengungen etc. könnten das Problem evt. gelöst werden.

-Überschwemmungen (rechtzeitiger Dammbau)

-etc.

Persönliche Meinung

Meine persönliche Meinung ist, dass die Meteorologen dafür nicht verantwortlich gemacht werden sollten. Die Natur ist und bleibt unberechenbar. Ich bin mir sicher, jeder von Euch weiss, dass das Prognostizieren eine schwierige Sache ist. Es sind extrem viele Parameter, die zu beachten sind, die Änderung solcher Parameter kann ziemlich schnell vor sich gehen (Wetterparameter). Deshalb ist eine Vorhersage nicht ganz leicht.

Grossrechner

Für gute Prognosen braucht man leistungsfähige Grossrechner für das Verarbeiten der Parameter. Der Grossrechner, den die Meteo Schweiz verwendet, steht im CSCS Manno (Tessin). Soviel ich gehört habe, ist das kein besonders guter Rechner...nicht mal unter den 500 "schnellsten" der Welt. Ich weiss auch nicht, wie gross dies Einfluss auf das Erstellen von Prognosen hat...(weiss da jemand mehr...?).

Was meint ihr dazu?

Grüsse

Interessanter Loop: http://srnwp.cscs.ch/Gallery/texture_loop.html
- Editiert von cyba am 23.02.2005, 11:29 -

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Marco (Hemishofen)
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Busse für Wetter-Fehlprognose

Beitrag von Marco (Hemishofen) »

Hoi zämä,

zu Grossrechnern und NWP (numerical weather prediction):

Schnelle Rechner alleine machen noch keine guten Prognosen!
Sie sind in der Lage einen Modelllauf zügig, mit hoher Auflösung
und mit zeitintensiven Berechnungen zu rechnen. Dies heisst noch
nicht zwingend, dass der output auch von hoher Qualität ist.

Für gute Modellprognosen spielt eine saubere Formulierung aller
nötigen und auflösbaren Prozesse eine wichtige Rolle. Prozesse,
welche unterhalb der Modellauflösung liegen, müssen sorgfältig
parametrisiert sein (man denke bspw. an wolkenphysikalische Vorgänge
wie Phasenübergänge oder Tropfenspektren, oder an die ganzen Bodenflüsse
der latenten und sensiblen Wärme sowie Stoffe wie Wasserdampf oder
Aerosole). Die Formulierung von Randbedingungen in genesteten Modellen
ist ein weiteres, hochkomplexes Thema (was soll ein Modell am Rand des
Gitters mit den Randdaten der globalen Modelle machen, was soll es tun
wenn nicht-physikalische Welleneffekte auftreten, die durch die diskrete
Formulierung der Ableitungen in den Modellgleichungen entstehen??).
Dies nur einige Beispiele aus der Welt der numerischen Wettervorhersage.
Matthias Müller wird vermutlich ein schönes Lied über solche hochkomplexen
Probleme singen können ;-)

Wenn solche Dinge sauber formuliert werden, macht ein Modell wahrscheinlich
gute Prognosen. Die müssen dann aber immer noch von Meteorologen interpretiert
werden. Kaum ein Wetterdienst wird dmo (direct model output) in Warnungen
ummünzen, ein Plausibilitätscheck wird da wohl auch in naher Zukunft weiterhin
dazwischengeschaltet.

MeteoSwiss entwickelt aLMo laufend weiter. Einerseits aus eigener Kraft mit einem
Team, welches sich nur der Verbesserung des Modells widmet. Andererseits profitiert
sie von der Mitarbeit in einem Konsortium (DWD, UGM, HNMS, IMGW, MCH), welches sich
genau die Verbesserung des deutschen LM's zum Ziel gesetzt hat. Hier gibt's Infos:

COSMO

Die Wetterdienste schliessen sich zusammen, um ihre Kräfte zu bündeln. Die Entwicklung,
Unterhaltung und Verbesserung von Modellen (dazu gehört das Umsetzen von neuen Forschungsergebnissen
in rohen Modellcode, Austesten von neuen Modell-tools und Validieren von output) kostet
Zeit, Personal und damit Geld.

Im Büro Meteotest bspw. sind wir Anwender von Modellen. Wir lassen als (nach meinem Wisssnstand)
einziger Wetterdienst in der Schweiz nebst der MeteoSchweiz unser eigenes Modell laufen.
Im Moment sind dies unser altes ETA sowie ein nichthydrostatisches MM5. Beide dienen den Meteorologen
fürs proggen und auch für direktes Verkaufen von Modelloutput an private Kunden. Am Modellcode
wird nur wenig rumgeschraubt (Wolfgang Linder ist hierfür der crackie in unserer Firma), da dies
schlicht zu aufwändig ist und weder die Zeit noch das Geld vorhanden ist, um dies zu tun.

Sorry, bin jetzt etwas abgeschweift. Glaube aber, dass sich viele Forumianer für solche Sachen
interessieren. Wir sind ja alle Teil der user-community, welche Tag für Tag die tollen Wetterkarten
angucken, ohne immer gross zu hinterfragen, welcher Aufwand dahinter steckt, diese zu produzieren.

Grüssli Marco
Gruss Marco
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Busse für Wetter-Fehlprognose

Beitrag von Reto. »

Hallo zusammen

Gestern abend hat Peter Wick auf Tele Zürich bei dem Wetterbericht so eine Anspielung gemacht wegen einer Busse, hat er dies damit gemeint? Ich habe mich noch gefragt was er damit sagen wollte oder ob ich nicht alles mitbekommen habe.


Gruss Reto

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Busse für Wetter-Fehlprognose

Beitrag von Federwolke »

Hoi Reto

Ein gutes Beispiel dafür, dass es sich nicht lohnt, in den Medien Insiderwitze zu machen. Es sei denn, die Nachricht über das russische Vorhaben wurde kurz zuvor in der Sendung erwähnt...

Grüsslis

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Busse für Wetter-Fehlprognose

Beitrag von Dwalin (Muttenz) »

Also ich finde es ein wenig übertrieben :(
Ich meine ok, es ist ziemlich blöd für die Leute
die nicht vor einer Kältewelle gewarnt werden.
Aber warum eine Strafe? :-/
Lieber andere Meteorologen die was drauf haben ;-)
Oder nicht?

Gruss Norman :-)
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wo der Abschleppwagen nicht hinkommt.


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Busse für Wetter-Fehlprognose

Beitrag von elunzo »

Das kommt halt alles drauf an wie man es aufsetzt. Grundsätzlich ist es heutzutage oft normal, Leute über ein Bonus-Malus-System zu führen. Wichtig ist halt - wie der Name sagt - dass es eben neben der Strafe (Malus, Busse) auch die Möglichkeit zur ausserordentlichen Belohnung für gute Prognosequalität gibt. Ein solches System könnte so aussehen, dass man sich für die einzelne Prognoseräume (1 Tag, 3 tage, 5 Tage etc.) eine prozentuale Prognose-"Zutreffensquote" als Ziel festlegt. Die Boni/Mali werden dann aufgrund der Abweichung der tatsächlich erreichten Prognosequalität von der Zielgrösse ausgesprochen.
Jo waa...

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Busse für Wetter-Fehlprognose

Beitrag von Marco (Hemishofen) »

@elunzo:

Bin völlig mit dir einverstanden. Setzt aber voraus, dass man tools oder Methoden hat,
die Prognosequalität objektiv messen zu können. Im Falle einer Temperaturprognose
nicht sehr schwierig; die Öffentlichkeit will aber auch Niederschlagsvorhersagen
oder Angaben über den Wettercharakter wissen. Solche Parameter sind nicht trivial
zu verifizieren (räumlich, quantitativ, objektiv).

Vielleicht können uns Andreas(Winterthur) oder Michl(Uster) von MCH mal erklären,
wie das bei ihnen genau mit den Textprognosen funktioniert mit der Verifikation.
Das hab ich nämlich noch nie genau verstanden....

Wer's genau wissen will kann sich hier Ideen holen:
Forecast Verification: A Practitioner's Guide in Atmospheric Science. I.T. Joliffe
and D.B. Stephenson. John Wiley&Sons, Ltd. 2003 ISBN:0-471-49759

Hab nur einen kleinen Teil davon gelesen, ist aber heavy stuff :T
Macht nur bedingt Lust auf mehr. Es gibt schöneres zum lesen...

Grüssli Marco
Gruss Marco
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Willi
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Busse für Wetter-Fehlprognose

Beitrag von Willi »

Meines Wissens wird im Bereich Strassenwetter mehr und mehr ein Bonus-Malus System vertraglich festgelegt, z.B. bei Prognosen der Bodentemperatur, die sich auch verifizieren lassen.

Gruss Willi
Gruss Willi
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Busse für Wetter-Fehlprognose

Beitrag von Dani (Niederurnen) »

Ich persönlich finds nicht gut die Meteorologen zu bestrafen. Denn schlussendlich macht das Wetter doch immer was es will und manchmal müssen die Bedingungen nur kleinräumig etwas anders sein um die ganze Prognose über den Haufen zu werfen. Eine kleine Unsicherheit bleibt fast immer und das ist es auch was das ganze schlussendlich so spannend macht.

Gruss Dani
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cyba
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Busse für Wetter-Fehlprognose

Beitrag von cyba »

@Marco, Bern/Rheinklingen

Hallo

Kannst Du mal anhand eines einfachen Beispieles erklären, wie so eine Modellierung vor sich geht? Wie viel trägt die numerische Mathematik dazu bei? Wer entscheidet, welcher Rechenalgorithmus verwendet wird?

Grüsse

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