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Biber statt Bär

Verfasst: Di 24. Jan 2006, 00:23
von Federwolke
Da die Bündner sich unser Wappentier geschnappt haben, müssen sich die Wildhüter im Kanton Bern nun mit einem anderen Problem herumschlagen:

Biber holzen mitten in der Stadt

Der Biber breitet sich stark aus – jetzt werden in einem Biberkonzept Massnahmen für und gegen das Tier geregelt

Biber sind faszinierende Tiere, können aber auch Schäden anrichten. In einem Biberkonzept wird nun der Umgang mit dem geschützten Tier geregelt. Die möglichen Massnahmen gehen von Renaturierungen zugunsten des Bibers bis zu dessen Abschuss.

An beiden Ufern der alten Zihl sind Freizeitboote vertäut, ein Spazierweg führt beidseits entlang dem Wasserlauf und unmittelbar dahinter stehen Einfamilien- und Hochhäuser. Das Flüsschen, das sich vom Bieler Hafen rund drei Kilometer mitten durchs Siedlungsgebiet von Biel, Nidau, Port und Brügg windet und kurz vor dem Stauwehr in den Nidau-Büren-Kanal mündet, ist nicht gerade das, was man sich unter dem idealen Lebensraum für Biber vorstellt.

Und doch scheint es dem geschützten, in der Schweiz vor rund 200 Jahren ausgerotteten Tier hier wohl zu sein, wie Frassspuren an mehreren Weiden zeigen. Jetzt im Winter, wenn Gräser und Kräuter rar sind, tut sich der Biber an der Baumrinde gütlich, und um an die frischen, dünnen Äste zu kommen, fällt er kurzerhand den ganzen Baum. Stämme von 20 bis 30 Zentimetern Durchmesser schafft er in einer Nacht. In Port hat er sich auch schon in Privatgärten vorgewagt und Obstbäume angefressen.

Nicht einmal Hunde stören ihn

Dass der Biber so weit ins Siedlungsgebiet vorstösst, ist ein Zeichen für seine Ausbreitung. Derzeit leben laut einer Studie des Berner Zoologen Kurt Grossenbacher etwa 200 der rund 600 Schweizer Biber im Kanton Bern («Bund» vom 23. 9. 2005). «Die Tendenz ist steigend», hat Wildhüter Romeo De Monaco beobachtet. Marc Struch vom Wildtierbiologischen Arbeitskreis (Wildark) in Bern, bestätigt dies: «Der Biber ist in unserer Gegend wieder sesshaft geworden und die Population wächst seit einigen Jahren stark.» Die Zihl bei Biel sei sicher kein typischer Lebensraum für Biber, das Beispiel zeige aber, wie anpassungsfähig das Tier sei. «Nicht einmal die vielen Hunde, die dort spazieren geführt werden, stören sie.»
Verbreitet sei der Biber vor allem in der alten Aare, die zwischen Aarberg und Büren praktisch durchgehend besiedelt sei. Auch am Bielersee, im Zihlkanal, in den Entwässerungskanälen des Seelandes, in der Aare zwischen Bielersee und Wohlensee-Staumauer und in der Emme bei Oberburg gebe es Biber, so Struch. Und seit die Biber während des Hochwassers 1999 aus dem Tierpark Dählhölzli entwichen seien, gebe es auch zwischen Bern und Rubigen Biber.
Aus der Perspektive des Artenschutzes ist die Entwicklung des ab den späten Fünfzigerjahren wieder angesiedelten Tieres erfreulich. Musste noch 1996 an einer nationalen Bibertagung festgestellt werden, dass das langfristige Überleben des Bibers in der Schweiz noch nicht gesichert sei, so scheint er sich unterdessen seinen Platz in der Schweiz definitiv wieder gesichert zu haben. Doch der Biber kann auch Schäden anrichten: Uferwege untergraben, mit dem Fällen von Bäumen Schiffe zerstören, Entwässerungskanäle stauen oder landwirtschaftliche Kulturen beschädigen.

Wegen Biber Weg eingebrochen

Bisher seien die Schäden und Probleme jedoch «marginal», sagt Struch. Einige Bauern hätten sich beklagt, dass Biber Mais oder Zuckerrüben gefressen hätten. In Port habe ein Biber eine Böschung so weit unterlocht, dass der Belag des Uferwegs eingebrochen sei. Und einmal sei ein Reitpferd in den Entlüftungsstollen eines Biberbaus eingebrochen und gestürzt, sagt der Biologe.
Ernst Hunziker steht der Ausbreitung des Bibers trotzdem skeptisch gegenüber. «Biber sind herzige aber nicht unproblematische Tiere. In den letzten Jahren ist es diesbezüglich recht strub zu und her gegangen», sagt der Verantwortliche für den Unterhalt der Gewässer im Bereich der Juragewässerkorrektion beim kantonalen Wasser- und Energiewirtschaftsamt. Der Biber vermehre sich massiv und habe sich unterdessen sogar im Blockwurf des Nidau-Büren-Kanals eingenistet. Dass es je länger, je mehr zu Problemen kommen werde, sei vorhersehbar, sagt Hunziker. Noch habe es zwar keine grossen Schäden gegeben. «Doch was wäre passiert, wenn der Baum, der an der Zihl auf ein Boot gestürzt ist, nicht 8, sondern 30 Zentimeter dick gewesen wäre? Und was passiert, wenn der Damm, den ein Biber in einem Entwässerungskanal gebaut hat, zur Überschwemmung des Kulturlandes führt?»

Schäden in Grenzen halten

Antworten auf solche Fragen soll nun das Biberkonzept geben, das Pro Natura in Zusammenarbeit mit dem Kanton Bern und anderen Interessengruppen derzeit ausarbeitet. In erster Linie soll damit die Ausbreitung des Bibers gefördert werden, betont Struch vom Arbeitskreis Wildark, der die Projektleitung für das Konzept übernommen hat. So werden zum Beispiel Gebiete bezeichnet, die für den Biber geeignet sind und wo Renaturierungen oder die Pflanzung von Weichhölzern erwünscht sind.
Es gehe im Konzept aber nicht nur darum die Art zu fördern, sondern auch die Schäden in «erträglichen Grenzen» zu halten, sagt Peter Juesy, Jagdinspektor des Kantons Bern. Im noch unveröffentlichten Konzept werden deshalb auch Regeln zur Bekämpfung des Bibers aufgeführt. Welche Massnahme geeignet sei, müsse man von Fall zu Fall beurteilen, so Struch. Der Katalog reiche jedenfalls bis zum Abschuss der national geschützten Tiere. «Der steht aber an allerletzter Stelle», so der Wildtierexperte. Mache der Biber an einem Ort massive Probleme, könne er beispielsweise auch eingefangen und umgesiedelt werden.
Der Entwurf des Konzepts wird den verschiedenen Interessensvertretern vorgelegt und soll im Frühling verabschiedet werden.

Der Bund, reto wissmann [23.01.06]