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Golfstrom schwächer: neue Eiszeit?

Verfasst: Do 9. Feb 2006, 17:45
von Mike (Thun)
Hallo zusammen,

ich eröffne hier einmal einen Thread über ein hochinteressantes, sehr kontroverses Thema: Globale Erwärmung gleich neue Eiszeit in Europa?

Harry Bryden vom National Oceaonography Centre in Southampton und zwei seiner Kollegen haben in Nature (Bd. 438, S. 655) eine Studie zur Abschwächung des Golfstroms publiziert. Zwischen 1957 und 2004 hat sich nach ihren Messreihen unsere "Warmwasserpumpe" um 30% abgeschwächt.

Ein ausführlicher Bericht über den Nature-Artikel ist bei Spiegel online zu lesen:
Golfstrom hat sich stark abgeschwächt

Auch die von der britischen Regierung in Auftrag gegebene Sammlung aller Studien über den Klimawandel (Avoiding Dangerous Climate Change) zeichnet ein düsteres Bild, welches selbst die Prognosen des letzten IPCC Climate Change Assessment übertreffen:

Eigentlich gilt Tony Blair nicht unbedingt als Pessimist. Was der britische Premierminister jetzt aber im Vorwort einer von der britischen Regierung in Auftrag gegebenen Sammlung von Studien zum globalen Klimawandel („Avoiding Dangerous Climate Change“) schreibt, klingt nicht gerade nach einem optimistischen Blick in die Zukunft. Blairs düstere Aussicht auf die Klimaveränderungen lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Alles wird noch schlimmer als ohnehin schon befürchtet.

Es sei inzwischen nicht mehr zu bestreiten, so Blair, dass der Ausstoß von bestimmten Gasen die Erdatmosphäre aufheize. Obwohl die meisten Klimaforscher schon seit 15 Jahren den Ausstoß von Kohlendioxid, Methan und anderen Gasen für das Aufheizen der Erdatmosphäre verantwortlich machen, wurde dieser Zusammenhang von einzelnen Wissenschaftlern hartnäckig in Frage gestellt. Aber diese Stimmen sind in den vergangenen Jahren wegen der ständig verbesserten Daten immer leiser geworden. In dem am Montag veröffentlichten Bericht heißt es, Wissenschaftler hätten nun „größere Klarheit und weniger Unsicherheit“ über die Folgen des Klimawandels.

Und mit den besser gesicherten Erkenntnissen wird immer klarer, dass die Auswirkungen des Klimawandels weit dramatischer sein werden als bislang angenommen. Während die Wissenschaftler bislang stets davon ausgingen, dass eine mittlere Erwärmung der Erdatmosphäre um zwei Grad gerade noch beherrschbar sein würde, verdichten sich jetzt die Hinweise, dass zwei Grad bereits fatale Folgen nach sich ziehen würden: Das Festlandeis auf Grönland könnte komplett abschmelzen, was allein schon einen Anstieg des Meeresspiegels um sieben Meter zur Folge hätte. Auch das Festlandeis der Westantarktis könnte ins Meer abrutschen – dies würde das Meer um weitere sechs Meter steigen lassen.

Verheerend für unsere Breiten wäre zudem ein mögliches Abreißen des Nordatlantikstroms, der als Teil des Golfstroms Europa gewissermaßen als Warmwasserheizung dient. Und dieser Strom ist in den vergangenen 50 Jahren um etwa 30 Prozent schwächer geworden. Reißt er ab, wird es in Europa trotz Treibhausklima deutlich kälter. Diese Gefahr wird von Wissenschaftlern bereits seit längerem beschrieben. Ihre bisherigen Modellrechnungen werden nun aber durch Strömungsmessungen in der atlantischen Tiefsee untermauert.

All diese Gefahren drohen nach den jüngsten Erkenntnissen der Menschheit bereits bei einem Temperaturanstieg von zwei Grad, der bis zum Ende des Jahrhunderts kaum mehr abzuwenden ist – selbst wenn wir die Emissionen der klimaschädlichen Gase von heute auf morgen auf null bringen würden. Da dies aber kaum denkbar ist und die Emissionen sogar noch weiter ansteigen, dürfte der Temperaturanstieg nach Ansicht vieler Wissenschaftler noch deutlich höher ausfallen – mit entsprechenden Folgen für das Weltklima.

Hannover Allgemeine Zeitung 30.01.2006


Was mich besonders interessiert: welche konkreten Auswirkungen hat ein schwacher Golfstrom bzw. geringere SST Nordatlantik auf unser Klima/ Wetter in der Schweiz?

Jedes fortlaufende Jahr wird momentan als zu warm im Vergleich zum langjährigen Schnitt bezeichnet. Ein Widerspruch zu den oben zitierten Forschungsresultaten :(

Mir ist klar, dass diese Thematik Stoff für eine Diss. bieten würde ;-), aber mich nimmt eure Meinung (ob wissenschaftlich oder nicht) Wunder!

Gruss Mike

Golfstrom schwächer: neue Eiszeit?

Verfasst: Do 9. Feb 2006, 17:49
von Federwolke
Öhmmm.... hi Mike, hier gehts lang: http://www.sturmforum.ch/showthread.php?id=3415 ;-)

Golfstrom mit künstlicher Pumpe

Verfasst: Do 9. Feb 2006, 18:12
von Andreas (Langnau)
Golfstrom mit künstlicher Pumpe
Florian Rötzer 09.02.2006

Mit der Klimaerwärmung würde es in Nordwesteuropa kälter werden, weil der Golfstrom schwächer wird – ein Wissenschaftler hat eine Idee entwickelt, unser gemäßigtes Klima auch dann zu erhalten
Die durchschnittlichen Temperaturen steigen. Die Ursache ist nach Meinung vieler Wissenschaftler die Klimaerwärmung, die sich dem Ausstoß von Treibhausgasen verdankt. Manche mögen sich im kalten nördlichen Europa denken, dass dann endlich angenehmere Zeiten und wärme Sommer kommen, auch wenn im Süden Dürre und Hitze herrscht. Aber Voraussagen nach wird die Klimaerwärmung im nördlichen Europa zu einem Kälteeinbruch führen. Ein kanadischer Wissenschaftler hat zur Lösung des Problems eine exotische Idee entwickelt.

Der Artikel ist bei Telepolis zu finden.

Golfstrom schwächer: neue Eiszeit?

Verfasst: Do 9. Feb 2006, 23:53
von Federwolke
Merci Andreas für den Artikel. Weiss zwar gerade nicht, ob ich lachen oder weinen soll... :=(

Golfstrom schwächer: neue Eiszeit?

Verfasst: Fr 10. Feb 2006, 00:28
von Stocken
Also was ich am interessantesten finde, ist dass ich seit die Diskussion läuft... noch die den Originallink zum Projekt gesehen habe... (nicht nur hier, bspw. auch beim Spiegel nicht)

Warum Harry Bryden im Herbst plötzlich das Gefühl hatte, er müsse nun unbedingt an die Öffentlichkeit treten, wird wohl nur er und sein ehrgeiziges Ego wissen... :-/

Jedenfalls wird in einem Gemeinschaftsprojekt mehrerer ozeanischen Institute während den Jahren 2004-2008 mit 19 Messbojen die Zirkulation auf 26.5°N gemessen...

Zitat aus: http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/100303/

" In dem Forschungsprojekt wird anhand von verschiedenen ausgebrachten Verankerungen die meridionale nordatlantische Zirkulation, die sowohl die nordwärts gerichtete warme Strömung als auch das in die Tiefe absinkende südwärts strömende Wasser umfasst, untersucht. Dieses Strömungssystem ist verantwortlich für das milde Klima in Nordwesteuropa. Plötzliche Änderungen in der atlantischen Zirkulation können zu Abkühlungen in unseren Breiten um 3-5°C führen. Dies haben Szenarienrechnungen einiger Klimamodelle sowie paleoklimatische Daten gezeigt. Das Projekt RAPID MOC will in erster Linie ein Prototyp-System entwickeln, mit dem man die Stärke und Struktur der MOC (Meridional Overturning Circulation) beobachten kann...."

Wer mehr über dieses durchaus sehr interessante Projekt wissen will, ist auf deren Homepage sicher gut augehoben... ;-)

http://www.soc.soton.ac.uk/rapidmoc/ (in Englisch)

Sollte sich Bryden bei seiner Veröffentlichung also vorwiegend aus Daten von diesem Projekt stützen... hatte er bei der Erstellung noch nicht mal 30% der geplanten Daten... von nicht mal 2 Jahren Messung!!

Wie seriös dann seine Aussagen sind, kann jeder selber entscheiden...

Aber vielleicht sieht der motzende Pepe eh wieder mal alles nur falsch... und der liebe Herr Professor hat schon seit 1950 Unterwassenbojen im betreffenden Gebiet installiert... :-D

Golfstrom schwächer: neue Eiszeit?

Verfasst: Fr 10. Feb 2006, 01:14
von Severestorms
Im Herbst müssten an die 8.000 Schiffe in den Norden fahren und die Bildung von Meereseis beschleunigen. Sie könnten, so Flynn, Wasser aus dem Meer pumpen und in die Luft blasen. Haben sich die ersten Eisschichten gebildet, wird Wasser darauf gepumpt, so dass die Eisschicht mehrere Meter dicht wird.
Solche unkonventionellen Ideen wird es in der Zukunft wohl benötigen um die Gefahren und Probleme der Klimaveränderung bekämpfen zu können (oder zumindest um mit ihnen umgehen zu können). Aber die Idee aus dem obigen Artikel erscheint mir dann doch ein wenig zu phantasievoll.. Hat überhaupt schon mal jemand erfolgreich Eis auf einer Wasseroberfläche mittels "Schneekanonen" produzieren können? Und was, wenn das künstlich produzierte Eis nicht gefroren bleiben will, weil es schlicht zu warm ist (ähm, Stichwort Klimaerwärmung)? Oder wenn die Bouillon zu stark wirkt und ein anderes natürliches Gleichgewicht dadurch zerstört wird?
Merkwürdig oder gerade interessant, dass das Verhalten des Golfstromes bei einer Eiszeit offenbar etwa gleich sein soll, wie bei einer (wie jetzt drohenden) "Heisszeit". D.h. wirds global wärmer oder kälter, dann soll der Golfstrom in beiden Fällen nicht mehr so weit nach Norden reichen.. :(

Ich denke, gelinde gesagt haben wir noch keinen blassen Schimmer was alles passieren wird, welche Veränderung, welche Reaktion hervorruft (wie die genaue Kettenreaktion ablaufen wird). Ich denke insbesondere, dass sich gewisse Klimaveränderungen an einigen Orten überdecken und gegenseitig aufheben werden, währenddessen an anderen Orten die Veränderung gleich doppelt so schnell und stark von Statten gehen wird (Eine Art Kippen des Klimas). Innerhalb kürzester Zeit könnten gewisse Gebiete für den Menschen praktisch unbewohnbar (im Sinne eines gerechtfertigten ökonomischen Aufwandes) werden, währenddessen andere Orte überhaupt keine Veränderung erfahren werden (oder wenn dann nur minimal). Was ist, wenn der sterbende Golfstrom in Bezug auf Nordwesteuropa als Opposit zur globalen Erwärmung wirkt und somit dort kaum eine Veränderung bewirkt? Oder wenn dank des Verschwindens des Golfstromes eine drastische Klimaveränderung über den britischen Inseln abgeschwächt wird?

Fazit: Wir (und unsere Kinder und Kindeskinder) werden uns zweifelsohne den drohenden Herausforderungen des globalen Klimawandels stellen müssen. Je früher wir damit anfangen, die Ursache der globalen Erwärmung (quasi der Ursprung allen Übels) zu bekämpfen und die wahrscheinlichsten aber auch unwahrscheinlichen Szenarien durchzuspielen und nach deren Lösungen suchen, desto vorbereiteter werden wir sein und desto weniger wird es uns aus der Bahn werfen.
Zwei Dinge beunruhigen mich allerdings: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier (gewöhnt sich schnell an die jetzt stattfindenden Vorboten) und von Natur aus Minimalist (reagiert erst, wenns zu spät ist).. Stimmt doch, oder? Und um noch eins draufzusetzen: "Geld regiert die Welt."

Insofern, um auf deine Ambivalenz zurückzukommen, Fabienne: ich würde mich nicht fürs Lachen entscheiden.

Gruss Chrigi