Seite 1 von 2
Stadt Zürich kauft in Deutschland 27 Windturbinen
Verfasst: Mo 4. Jan 2010, 15:14
von Uwe/Eschlikon
Heute folgende Meldung gelesen und auch am Radio gehört:
http://www.stocks.ch/nachricht/Stadt_Zu ... inen_37222
Frage zu diesem Satz: "Die Windparks speisen den Strom einstweilen in das lokale Netz ein; längerfristig strebt das ewz aber einen Import der Energie in die Schweiz an."
Kann mir jemand, der sich technisch auskennt, plausibel erklären, wie das funtionieren soll? Wie lässt sich der Öko-Strom unabhängig importieren und wie wird der (getrennt?) ins Netz gespeist? Was, wenn kein Wind weht oder die Nachfrage die Produktion übersteigt?
Bin ich zu dumm dafür oder werden die Steuerzahler für dumm verkauft (...Verkauspreis...stillschweigen...)?
Grüsse, Uwe
Re: Stadt Zürich kauft in Deutschland 27 Windturbinen
Verfasst: Mo 4. Jan 2010, 16:57
von Thomas, Belp
Hallo Uwe
Ich kann mir das auch nicht so vorstellen, dass wie du beschreibst, der dort produzierte Strom direkt in die Schweiz importiert und hier verkauft wird. Ich glaube viel mehr, dass die ewz diesen Windkraft-Teil zu ihrem ganzen Strommix hinzu zählen und dann den entsprechenden Anteil an (irgendwo) produzierten Ökostrom als solchen in der Schweiz verkaufen können. Anders ausgedrückt, die ewz können dann sagen, sie produzieren beispielsweise 10% Strom aus erneuerbaren Energien und verkaufen diese 10% ihres Gesamtangebots an die Kunden zu einem gewissen (höheren) Preis. Auch wenn schliesslich beim Kunden kein Windstrom aus Deutschland aus der Steckdose kommt.
Falls dem so ist und nicht klar kommuniziert würde, wäre das schon ein wenig eine "Verschaukelung" der Ökostromkunden.
Grüsse
Thomas
Re: Stadt Zürich kauft in Deutschland 27 Windturbinen
Verfasst: Di 5. Jan 2010, 15:08
von Jan (Muri BE)
Der Ökostrom wird natürlich nicht in eigenen Leitungen zum Ökostrom Kunden verkauft. Das ist technisch gar nicht möglich und wäre auch völlig unsinnig. Das geht alles ins gleiche Netz und das ist übliche Praxis.
Das Geschäft mit dem Ökostrom funktioniert anders. Die ewz produzieren mit ihren Widturbinen eine gewisse Menge Energie. Diese speisen sie ins internationale Verbundetz am Standort wo die Windkraftanlage steht. Genau diese Menge Energie kann sie nun ihren Kunden als Ökostrom verkaufen. Die Kunden erhalten die Energie aber nachwievor aus der Steckdose die am normalen Netz hängt. Der Kauf von Ökostrom verpflichtet die Anbieter, mindestens genau diese Menge Ökostrom auch ins Netz einzuspeisen. Wenn sie weniger haben als sie verkaufen, müssen sie entweder mehr produzieren, d.h. mehr Anlagen bauen/kaufen oder diese Menge bei anderen Anbietern die noch übrig haben einkaufen. Es ist aber nicht nötig, dass immer exakt die selbe Leistung produziert werden muss wie im Moment gebraucht wird. Der Windenergie Kunde sitzt also nicht im Dunkeln wenn die Windturbinen gerade stehen. Nur die produzierte und verkaufte Menge über einen gewissen Zeitraum müssen übereinstimmen. Bei Windstille kriegt der Kunde also Energie aus konventionellen Kraftwerken, dafür produzieren dann die Windturbinen mehr als der Kunde braucht wenn wieder Wind weht.
Durch Kauf von Ökostrom erhöht der Kunde die Nachfrage. Dadurch werden die Anbieter verpflichtet auch mehr Ökostrom einzuspeisen und neue Windparks oder Solaranlagen werden gebaut. Kauft der Kunde keinen Ökostrom fehlt die Nachfrage und die Anbieter haben keine Motivation mehr Ökostrom zu produzieren, da dessen Produktion immer noch teurer ist als aus konventionellen Kraftwerken. Der Kauf von Ökostrom dient also durchaus der Umwelt und es ist völlig irrelevant ob jetzt der Ökostrom in eigenen Leitungen separat zum Kunden kommt oder die gemeinsame Leitung nimmt. Für die Umwelt ist es auch egal ob die ewz Windturbinen irgendwo in Deutschland stehen oder auf dem Uetliberg. Entscheidend ist die produzierte Menge.
Re: Stadt Zürich kauft in Deutschland 27 Windturbinen
Verfasst: Di 5. Jan 2010, 15:51
von URBI
Gerade gefunden:
http://www.tagesschau.de/wirtschaft/ern ... pic-1.html
http://www.tagesschau.de/wirtschaft/ern ... en114.html
Milliardenprojekt für Ökostrom in Nordeuropa
Europa will den Ausbau erneuerbarer Energien mit einem Milliardenprojekt vorantreiben. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete unter Berufung auf Regierungskreise, binnen zehn Jahren sollten Tausende Kilometer Hochspannungsunterseekabel in der Nordsee Windparks auf hoher See vor der deutschen und britischen Küste mit Wasserkraftwerken in Norwegen, Gezeitenkraftwerken an der belgischen und dänischen Küste sowie Wind- und Solaranlagen auf dem europäischen Festland verbinden. Die Kosten würden auf bis zu 30 Milliarden Euro beziffert.
Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Belgien, Dänemark, die Niederlande, Irland, Luxemburg und Norwegen hätten bereits im Dezember eine eingehende Zusammenarbeit beschlossen, schrieb das Blatt. Bis zum Herbst wollten die beteiligten Ministerien eine Absichtserklärung unterzeichnen und einen Zeitplan erarbeiten. Den größten Teil der Kosten solle die Wirtschaft tragen. Deshalb sollten auch führende europäische Energieversorger und Netzbetreiber an den Verhandlungen teilnehmen.
Versorgungssicherheit soll erhöht werden
Bislang sei die Unbeständigkeit der Ressourcen das größte Problem für den Ausbau erneuerbarer Energiegewinnung, schrieb die Zeitung. Ein gemeinsames Netz könnte Wetterschwankungen der verschiedenen Energieträger und Regionen ausgleichen und eine verlässliche Versorgung weiter Teile Europas sicherstellen. So könnten Wasserkraftwerke in Norwegen erstmals im großen Stil als Speicher des vor allem in Großbritannien und bald auch in Deutschland produzierten Windstroms dienen. Nur so ließe sich der Anteil der Erneuerbaren an Europas Energieversorgung rasch ausbauen.
Vor Europas Küsten setzen Konzerne dem Blatt zufolge derzeit Windräder mit einer Gesamtkapazität von 100 Gigawatt auf riesigen Stahlfüßen ins Meer. Das entspricht zehn Prozent des gesamten europäischen Energiebedarfs und der Leistung von 100 großen Kohlekraftwerken. Der Experte für Erneuerbare Energien der Umweltschutzorganisation Greenpeace, Sven Teske, sagte der Zeitung: "Das bestehende Stromnetz kann gar nicht mehr aufnehmen, was die neuen Windparks einspeisen." Ein Ausbau des bestehenden Netzes sei dringend nötig.
_________________________________________
Link:
http://mobil.sueddeutsche.de/inm/sz/1fk ... sessionid=
Grüsse
Urbi
Re: Stadt Zürich kauft in Deutschland 27 Windturbinen
Verfasst: Di 5. Jan 2010, 16:19
von Alfred
Sali zäme
Diese speisen sie ins internationale Verbundetz am Standort wo die Windkraftanlage steht.
Genau diese Menge Energie kann sie nun ihren Kunden als Ökostrom verkaufen.
ob die ewz Windturbinen irgendwo in Deutschland stehen oder auf dem Uetliberg
Entscheidend ist die produzierte Menge.
Wie ist es mit dem Übertragungsverlust?
Gruss, Alfred
Re: Stadt Zürich kauft in Deutschland 27 Windturbinen
Verfasst: Mi 6. Jan 2010, 14:17
von Schnittlauch
Eine spannende Frage:
Woher wollen die das Geld nehmen?
Re: Stadt Zürich kauft in Deutschland 27 Windturbinen
Verfasst: Mo 18. Jan 2010, 06:40
von URBI
Information als Grundbaustein
@ http://www.spiegel.de/thema/smart_grid/
Grüsse
Urbi
Re: Stadt Zürich kauft in Deutschland 27 Windturbinen
Verfasst: Di 19. Jan 2010, 16:11
von Mickey, Berneck, 430
Uwe/Eschlikon hat geschrieben:
Kann mir jemand, der sich technisch auskennt, plausibel erklären, wie das funtionieren soll? Wie lässt sich der Öko-Strom unabhängig importieren und wie wird der (getrennt?) ins Netz gespeist? Was, wenn kein Wind weht oder die Nachfrage die Produktion übersteigt?
Bin ich zu dumm dafür oder werden die Steuerzahler für dumm verkauft (...Verkauspreis...stillschweigen...)?
Grüsse, Uwe
Hi Uwe
Deine Frage ist berechtigt und wird von vielen Leuten gestellt. Wie meine Vorredner schon erklärt haben, wir natürlich nicht die Ökostrom transportiert, sondern ganz einfach ein Bilanzkreis erstellt. Die von einem Produzenten erzeugte Energie wird gemessen und dann ins lokale Netz abgegeben, wo sie beim nächsten Verbraucher wieder verbraucht wird. Das EWZ kann so darlegen, dass sie 100 GWh Windenergie produziert haben. Für diese Produktion kann sie bei Swissgrid dann sogenannte Herkunftsnachweise generieren lassen. Die in der Schweiz oder sonstwo verkaufte Energie muss dann ebenfalls deklariert werden. Deiner Energierechnung müsste seit 2009 jeweils eine Deklaration des Stroms beiliegen, wo Du siehst, wie Dein EVU den Strom erzeugt, den sie dir verkauft. Kaufst Du nun diesen zertifizierten Windstrom, so muss das EKZ die von Dir verbrauchte Menge an HKN (Herkunftsnachweise) bei Swissgrid "vernichten" lassen. So wird der Bilanzkreis quasi wieder geschlossen und so wird auch garantiert, dass nicht mehr Ökostrom verkauft wird, als produziert wurde.
Wie Du richtig erkannt hast, ist bei der Sache mit der Zeit auch noch ein Haken drin. Aber diese Sache wird auf eine einfache Art gelöst: Der Bilanzkreis wird über eine bestimmte Zeit, in der Regel 1 Monat, bzw. 1 Quartal oder sogar 1 Jahr ausgeglichen. Das bedeutet, dass die Energie, die Du um 12 Uhr verbrauchst, vielleicht schon morgens um 2 Uhr produziert wurde. Im Stromnetz drin muss natürlich immer soviel Energie produziert werden, wie momentan grad gebraucht wird. Und genau das ist dann der Grund, weshalb in der Schweiz der Wille gross ist, die Pumpspeicherkraftwerke massiv auszubauen, um eben genau den Spitzenstrom zu liefern, der dann auch sehr teuer verkauft werdne kann, wenn viele Verbraucher Strom beziehen wollen und z.B. die Windenergieanlagen keinen liefern können, weil's grad Windschwach ist... umgekehrt ist es aber auch so, dass mittlerweilen soviele Windenergieanlagen stehen, dass es alleine wegen dem Wind zu einem massiven überangebot an Strom kommen kann. Dann ist der richtige Zeitpunkt, Wasser aus einem Ausgleichsbecken wieder in den Stausee hochzupumpen, weil man die Energie fast gratis bekommt!! Letztes Jahr war's sogar mal so, dass man theoretisch Geld erhielt, wenn man Energie verbrauchte!! In der Praxis ist es derzeit leider aber auch noch so, dass zum Hochpumpen des Wassers in der Nacht sehr oft die Bandenergie aus Kohle- oder Atomkraftwerke verbraucht wird. Und genau deshalb stossen diese Pumpespeicherkraftwerke auch auf Widerstand bei den Grünen, was ich nicht nachvollziehen kann. Denn wenn die Wind- und Solarkapazität erstmal gross genug ist, wird man statt Atom- und Kohleenergie dann natürlich Wind- und Solarenergie zum Hochpumpen brauchen. Und dann ist selbst der in Pumpspeicherkraftwerken produzierte Strom 100% Erneuerbar!! Dieser Umbau braucht nun natürlich viel Zeit und die Voraussetzung für einen erfolgreichen Umbau unserer Energieversorgung sind eben diese Pumpspeicherkraftwerke, da man die Energie derzeit noch nicht auf eine ökonomischere Art speichern kann...
Re: Stadt Zürich kauft in Deutschland 27 Windturbinen
Verfasst: Di 19. Jan 2010, 22:08
von Federwolke
Das ist endlich mal ein fundierter und gut verständlicher Beitrag zum Thema - danke Mickey!
Kann man nur hoffen, dass das auch beim sich für dumm verkauften Volk ankommt.
Re: Stadt Zürich kauft in Deutschland 27 Windturbinen
Verfasst: Mi 20. Jan 2010, 07:20
von Uwe/Eschlikon
Mickey, danke!
Ich denke aber, dass auch in Zukunft in Europa der Verbrauch stark ansteigen wird, und speziell im Winterhalbjahr wird die Nachfrage um einiges grösser sein, als Wind- und Solarstrom bereit stellen können. Gerade Solarstrom ist in Europa im Winter beinahe vernachlässigbar. Dazu kommen auch noch die Leitungsverluste, die beim Transport pro 1'000km etwa 15% betragen. Solarstrom aus Südspanien oder Windstrom von der Nordsee ist also mit recht grossen Verlusten behaftet. Den Ausbau der hiesigen Wasserkarft zu fördern, finde ich auch sehr sinnvoll. Schliesslich ist Niederschlag, in welcher Form auch immer, bloss "umgewandelte" Solarenergie. Derzeit werden ja die Pumpspeicherwerke nachts mit billigem Atom- und Kohlekraftstrom nachgefüllt. Aber auch die Geothermie wäre in der Schweiz garantiert ausbaubar. Dass das Basler-Projekt so schnell aufgegeben wurde, ist für mich nicht ganz nachvollziehbar. Ich meine, wir sollten uns nicht zu abhängig vom Ausland machen, was unsere Stromversorgung angeht.
Gruss, Uwe