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FCST: Höhenkaltluft-Ausbruch, Donnerstag 27.Juni

Verfasst: Di 25. Jun 2013, 11:51
von Tinu (Männedorf)
Hallöchen mal wieder

Die Schweiz liegt seit Montag im Bereich eines mitteleuropäischen Trogsystems. Eine Nordwestströmung sorgt für kühles und phasenweise regnerisches Sommerwetter. Auf Donnerstag hin zeichnet sich nun eine meines Erachtens spannende Wetterlage ab. GFS modelliert einen für die Jahreszeit durchaus markanten Höhenkaltluft-Ausbruch nach Mitteleuropa und in der Folge direkt zum Alpenraum.

Zum Zeitpunkt Mittwoch 06 UTC präsentiert sich die Ausgangslage folgendermassen: Der Höhentrog hat ganz Mitteleuropa fest im Griff. Es handelt sich um ein besonders „schönes Exemplar“, wie ich finde. Der Trog wird lehrbuchmässig flankiert von zwei Hochdruckgebieten; eines mit Zentrum über dem Atlantik, das andere liegt über Russland. Dazwischen eingeklemmt befindet sich der Batzen Höhenkaltluft (in der Nordsee zwischen den Britischen Inseln und Norwegen), der in der Folge bis in den Alpenraum schwenken dürfte. Ich habe das entsprechende Gebiet mit einem blauen Pfeil markiert:
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Bis zum Zeitpunkt Mittwoch 18 UTC schnürt sich ein Gebiet tiefen Geopotenzials vom „Mutterschiff“ über dem Nordmeer ab. Unser Kaltluft-Ausbruch nimmt zusehends Gestalt an:
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Der Kaltluftausbruch ist nun auch auf der Mitteleuropa-Karte schön zu erkennen:
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Bis Donnerstag 12 UTC schiebt sich der kalte Geselle weiter Richtung Alpenraum. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich das Gebiet mit der kältesten Höhenluft im Raum Benelux. Zu erkennen ist das an der dunkelgrünen Färbung und an der grau gestrichelten Isotherme: In 500 hpa Höhe befindet sich dort also ein Luftpaket, in dem Temperaturen von unter -25 Grad herrschen:
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Typisch für einen Ausbruch von Höhenkaltluft ist, dass dieser sich im Bodendruckfeld wie auch in der Frontenanalyse nicht im klassischen Sinne bemerkbar macht. Eine eigentliche Frontendynamik wie man sie von anderen Tiefdruckpassagen kennt, ist zumindest für das Laienauge nicht auszumachen. Das zeigt anschaulich die Theta-E-Karte für Donnerstag 12 UTC:
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Bis Freitagnacht rauscht die Höhenkaltluft dann weiter bis in den Alpenraum:
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Auffällig ist bei derartigen Höhenkaltluft-Ausbrüchen stets die markante Temperaturabnahme in der Höhe. Im 850hpa-Niveau (ca. 1500 Meter über Meer) liegt die Temperatur am Donnerstag im Kernbereich des „Batzens“ bei 3 bis 4 Grad:
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Im 700hpa-Niveau (ca. 3000 Meter über Meer) sinken die Temperaturen bereits gegen die -10 Grad-Marke:
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Im 500hpa-Niveau schliesslich (ca. 5000 Meter über Meer) kommen wir dann in den Bereich der bereits erwähnten -25 Grad und weniger:
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Nicht zuletzt wegen dieser markanten Temperaturabnahme in der Höhe sind derartige Kaltluftausbrüche in unseren Breiten jeweils – trotz „langweiligem“ Bodendruckfeld und nicht vorhandener Frontendynamik – durchaus wetteraktiv. Dies wird auch bei diesem Exemplar der Fall sein. Einfach gesagt: Je intensiver die Temperaturabnahme mit der Höhe ist, desto grösser ist die Labilität in der Atmosphäre. Dies wiederum sorgt speziell im Bereich der höhenkältesten Luftmassen jeweils für erhöhte Schauer- und sogar Gewitteraktivität.

Die Modelle reagieren übrigens auch bei diesem Kaltluftausbruch mit Konvektion, v.a. von Donnerstagnachmittag bis Donnerstagabend. Speziell im Süddeutschen Raum und evt. auch in der Nordschweiz (Bodensee => Wasserhosen?) könnte ich mir das eine oder andere fotogene Kaltluftgewitter durchaus vorstellen.

Ich bin wie immer froh um Anregungen, Kritik und/oder Lob.

Re: FCST: Höhenkaltluft-Ausbruch, Donnerstag 27.Juni

Verfasst: Di 25. Jun 2013, 12:21
von Stefan Hörmann
Tinu (Männedorf) hat geschrieben: Typisch für einen Ausbruch von Höhenkaltluft ist, dass dieser sich im Bodendruckfeld wie auch in der Frontenanalyse nicht im klassischen Sinne bemerkbar macht. Eine eigentliche Frontendynamik wie man sie von anderen Tiefdruckpassagen kennt, ist zumindest für das Laienauge nicht auszumachen. Das zeigt anschaulich die Theta-E-Karte für Donnerstag 12 UTC:
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Muss ich widersprechen. Sehr schön wird das sogar im Bodendruckfeld signalisiert. Schau Dir mal den zyklonalen Isobarenknick an der sehr deutlich ausfällt. Wo immer Du im Bodendruckfeld zyklonale "Dellen" hast, ist etwas im Busch. Benelux bis weit nach Deutschland rein. Ursache ist ein sehr markantes Vorticitymaximum das bis in die Grundschicht herabreicht und bei dieser Labilität zur Ausbildung eines Vorticiy-Comma führ, das mit Frontcharakter über Westdeutschland bis in die Schweiz hereinzieht. Ganze Schauerstraßen dürften sich bei der Labilität ausbilden und mit frontähnliches Wetter bringen, gar mit Gewitter und womöglich einem Typ-2 Tornado/Waterspout. Hinzu kommt noch der Hebungsantrieb aus den tiefsten Schichten, denn das Timing ist ja nahezu ideal mit Tagesgangunterstützung.

Re: FCST: Höhenkaltluft-Ausbruch, Donnerstag 27.Juni

Verfasst: Di 25. Jun 2013, 13:25
von Tinu (Männedorf)
@Stefan

Danke für die Ergänzung. Ich sehe die Delle durchaus. Meine Aussage war eher dahingehend gemeint, dass dieser Kaltluftausbruch verglichen mit den klassischen Tiefdruck- und Frontlagen (Tief aus Westen, Luftmassenwechsel, Windsprung, etc.) für den Laien im Bodendruckfeld kaum sichtbare Auswirkungen zeigt.

Re: FCST: Höhenkaltluft-Ausbruch, Donnerstag 27.Juni

Verfasst: Di 25. Jun 2013, 14:24
von Urbi
Salü Zusammen

Wegen der Höhenkaltluft bildet sich dann auch ein Höhentief im 700er und 500er Geopot ?

Hier schön zu sehen
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Aktuell:
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Gruss Urbi

Re: FCST: Höhenkaltluft-Ausbruch, Donnerstag 27.Juni

Verfasst: Di 25. Jun 2013, 18:17
von Urbi
Es wird auch recht windig in den Höhen.

Und dann können wir in der Nordostschweiz Ballone aufsteigen lassen und vielleicht kommen sie wieder zurück.
Wenn sie wieder bei uns landen, können wr sie selber an uns zurückschicken.


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Wenn wir einen Wettbewerb kreieren, können wir selber mitmachen und vielleicht noch etwas gewinnen.

Aber nicht vergessen ein beschriebenes Kärtchen an den Ballon zu hängen.

Sonst können wir uns nicht selber eine Antwort schreiben.



Gruss
Urbi

Re: FCST: Höhenkaltluft-Ausbruch, Donnerstag 27.Juni

Verfasst: Di 25. Jun 2013, 19:26
von Ben (BaWü)
Sorry, das ist OT und soll die bisherige schöne Analyse nicht schmälern, aber in Anbetracht des Titels und der eben gefundenen Karte konnte ich mir es nicht verkneifen :mrgreen:
Freuen wir uns auf den absoluten Nullpunkt...

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Quelle: http://www.wetterzentrale.de

Greez
Ben

Re: FCST: Höhenkaltluft-Ausbruch, Donnerstag 27.Juni

Verfasst: Mi 26. Jun 2013, 09:59
von Urbi
Salü Zusammen

Noch ein Danke an Tinu und Stefan für ihre informativen Eingangsbeiträge.
Wenn Ihr noch mehr zur wetterbestimmenden positiven Vorticityadvektion (PVA) aus den Ärmel schütteln könntet, dann wäre ich sehr interessiert.

Hier für Heute Mittag 26. 06. die vorausgesagten Temperaturen.

O Grad Grenze und Geopotentiale Temperatur 850 hPa.

Die Karten zeigen schön wo die Kaltluft heute sein wird.


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Die Bolam Karten , gerechnet nach ECMWF zeigen viel in gut lesbarer Darstellung,
http://www.isac.cnr.it/dinamica/project ... sts/bolam/

Nachtrag:
3 Satbilder


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http://oiswww.eumetsat.org/IPPS/html/MS ... /index.htm

Gruss
Urbi

Re: FCST: Höhenkaltluft-Ausbruch, Donnerstag 27.Juni

Verfasst: Mi 26. Jun 2013, 12:15
von Tinu (Männedorf)
@Urbi

Die Vorticityadvektion ist eine ziemlich komplizierte Angelegenheit. So ganz im Detail kann ich es dir deshalb nicht erklären.

Eigentlich musst du die physikalischen Hintergrunde aber nicht komplett verstehen. Du musst einfach wissen, was Vorticityadvektion bedeutet und auf was du achten musst. Dazu folgendes:

Die Vorticityadvektion ist ein Mass für die Krümmung eines Windfeldes. Je höher der Wert, desto grösser die Krümmung. Positive Vorticityadvektion (PVA) findet vor allem auf der Vorderseite von Trögen (Tiefdruckgebieten) statt. PVA ist stets mit Hebung, also aufsteigenden Luftmassen verbunden. Oder anders formuliert: Positive Vorticityadvektion ist ein Indiz dafür, dass in einem bestimmten Bereich im Vorfeld eines Trogsystems Hebungsprozesse zu erwarten sind, die sich förderlich auf die Bildung von Schauern und Gewittern auswirken.

Am Donnerstag markiert GFS in einem breiten Band südwestlich des Höhentroges über Mitteleuropa ein breites PVA-Band (im Bereich Südwest bis Südost vom Tiefkern ausgehend). Das bedeutet, dass in diesem Bereich Hebung stattfindet = eine bedeutende Zutat zur Bildung von Schauern und Gewittern ist vorhanden:
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@Stefan, bitte noch Präzisieren, falls nötig!

Re: FCST: Höhenkaltluft-Ausbruch, Donnerstag 27.Juni

Verfasst: Mi 26. Jun 2013, 12:46
von Urbi
Danke @Tinu
Das hilft mir .

Ich werde jeweils gleich zur aktuellen Situation fragen und dann nachschlagen.

Hier habe ich schon einen Boden und viel mehr. :)
http://www.wetteran.de/grundlagen/was-ist-vorticity

Du kannst also ruhig mit Fachwörtern kommen( Am besten deutsche ).

Grüsse
Urbi


Nachtrag:

Weiter oben gibt es schon ein durcheinander.
plus Starkniederschlag in Osteuropa

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AMV
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Re: FCST: Höhenkaltluft-Ausbruch, Donnerstag 27.Juni

Verfasst: Mi 26. Jun 2013, 14:48
von Tinu (Männedorf)
Urbi hat geschrieben:Du kannst also ruhig mit Fachwörtern kommen( Am besten deutsche ).
Die ich selber nicht verstehe... :-D Ernsthaft: Ich versuche eigentlich wenn immer möglich Fachbegriffe zu vermeiden. Das überlass ich gerne den Profis!