Schweizer Sturmforum

Hoi zäme

Dominic (Knight) hat mich vorgestern auf die bevorstehende Gewitterlage in Frankreich aufmerksam gemacht; und nachdem ich auch mal die Karten unter die Lupe nahm, juckt's wieder unter den Fingernägeln .
Aber die Lage ist wieder mal alles andere als einfach einzuschätzen und entsprechend springen die Modelle etwas hin und her.

In der Synoptik ist ein sich aufsteilender Trog erkennbar, der aus Westen aber nur langsam vorankommt:



An der SW-Flanke des Ausläufers von einem persistenten, im Osten von Europa befindlichen Bodenhochs, wird im Bereich des Ansatzes vom Höhenhochrücken eine starke Bise generiert, die entlang der südfranzösischen Küste weht und schliesslich antizyklonal nach NW eindreht. Die durch die bodennahe Strömung entstehenden Leeeffekte sind vermutlich bei dieser Lage besonders in der Nähe des südlichen Alpenmassivs eher hinderlich in Bezug auf konvektive Entwicklungen, vor allem in Anbetracht der dortigen, beachtlichen E-W-Druckdifferenz:



Das sich aus Westen ostwärts bewegende Frontensystem, welches in der Nordsee okkludiert, verwellt im Verlauf der Episode und scheint nicht besonders aktiv zu sein. Interessant erscheint mir aber eine vorlaufende Bisenkonvergenz, massiv gefüttert von advehierter, feuchtwarmer Mittelmeerluft (auf 700 hPa), was zu squalllineartigen Gewitterentwicklungen führt, mit Superzellencharakter.



Im right-entrance-Bereich des Höhenjets spaltet sich ein Nebenast ab, wobei dort ausgedehnte und die Konvektion unterstützende Höhendivergenzfelder sich entwickeln. Das gesamte vertikale Windprofil zeigt entlang der ostspanischen Küste (ab Barcelona), sowie entlang der südfranzösischen Küste sehr gute Scherungswerte, wobei ein vereinzelter Tornadoevent nicht ausgeschlossen werden kann.



SRH-Werte (0-3 km) von rd. 300 m2/s2 unterstützen diesen Verdacht; es dürfte (nach GFS) sich bereits ab 15z da unten langsam zur Severe-Weather-Situation aufschaukeln.....



....und gegen Abend bis spät in die Nacht hinein sich als ziemliches "Feuerwerk" entpuppen:



Stellenweise, küstennah bis 2'000 J/kg CAPE und TP's bis knapp unter 20° Grad Celsius - offshore 3'600 J/kg CAPE und > 22° Grad Celsius (TP's). Pännnggg!

Jedenfalls hat Estofex ein Level 2 draussen und Keraunos vorläufig ein Level 2/4:



http://www.estofex.org/

Im weiteren Verlauf lohnt es sich auch die 06z-Kärtchen (+/- 1h) vom 05.10.2013 für Genua und Cinque Terre anzusehen, wo Wasserhosen nicht ausgeschlossen werden können:



Und allenfalls ab 12z (05.10.2013) wird Andreas (Winterthur) auf Sardinien mit Schwergewittern und einigen optisch sicher interessanten, gewittrigen Gourmethäppchen verwöhnt werden; bin ja jetzt schon auf die Bilder gespannt.....

Nach den neusten Läufen heute früh, entscheiden wir uns....

Gruss Cyrill

Merci für den FCST Cyrill! Habe mich bedingt durch den Packstress gar nicht so detailliert damit auseinandergesetzt. OT: wieso müssen diese potentiellen Lagen eigentlich immer während den ersten (Transfer-) Ferientagen kommen? (you remember? @knight ) Wir tuckern jedenfalls die kommende Nacht per Fähre durch die (interessante?) Scirocco Zone zwischen Korsika & Festland. Muss dann wohl Nachtwache auf dem Deck schieben Die spannendste Phase dort aber eher Sa Morgen/Mittag mit einem persistenten Niederschlagsmaximum laut EZ bei Elba. Auf Sardinien scheint das Ganze am Sa aber eher zu zerfallen. Dann tagelang Höhentief; mit scheinbar eher dürftiger action allerdings. Speziell und selten für SF scheint mir tatsächlich die abgeleitete Scirocco-Bise, sichtbar als veritabler LLJ zu sein. Könnte was werden! Viel Glück falls ihr fährt.

Gruss Andreas

Hoi Andreas, vielen Dank!

Etwas (zu?) trocken dieser Scirocco. Feuchtepakete eher westlich... mal sehen. Vorläufiges Target bei Avignon, bei diesen Werten in den folgenden Parametern sowieso






SRH meistens etwas zu optimistisch modelliert; aber die Hälfte davon würde ja schon reichen. Generell tiptop

Machs gut und gute Überfahrt...

Gruss Cyrill

Viel Glück allen Chasern vor Ort!

Machen wir für die Daheimgebliebenen doch ein Spiel. Bis heute um 14 Uhr darf man sich irgendwo hinbeamen und danach nur noch in "realistischen" Fahrzeiten fortbewegen (Annahme: keine Behinderung durch Stau oder Unwetter). Wer macht mit?

Dieses Spiel kann selbstverständlich auch als Nowcasting-Hilfe für allfällige Chaser vor Ort verstanden werden.

Ich mach mal den Anfang und positioniere mich resp. mein Team "Tumbleweed" per 14 Uhr südlich des Massif Central auf einem Hügel bei Saint-André-de-Sangonis um östlich des sich entwickelnden V-Systems zu bleiben und mögliche Superzellen abzufangen. Das nahe Autobahnkreuz lässt mir die Möglichkeit offen, nach Norden, Süden oder Osten zu fahren.


Quelle: http://www.vacances-location.net/

Gegen Abend hin verschieben wir uns höchstwahrscheinlich dann sowieso Richtung Marseille, wo uns ein nächtliches Blitzspektakel erwarten wird.

Gruss,
Chris

Hoi

Off Topic
Ich hab mich mit der Badewanne schon auf N 42.506382° / E 6.321736° positioniert
und lasse mich überrollen. Was bleibt mir, mit nur einem Paddel, anderes übrig. Da
ist nichts mit abfangen!

Gruss, Alfred

Tumbleweed ist für den Moment nicht schlecht positioniert. Im Westen ist es dunkel, ab und zu blitzt es. Der Wind weht stark bis stürmisch aus Süd, Sonne über unseren Köpfen Fehlanzeige, aber bei 18 über 16 fühlt es sich „tüppig“ an. In Marseille ist es jetzt ca. 7 Grad wärmer, aber auch trockener.

Sind immer noch bei Saint-André-de-Sangonis und lassen uns gerade von einem Gewitter überrollen. Nicht sehr blitzintensiv aber mit sintflutartigem Niederschlag! Fahren aber gleich weiter Richtung Osten. Da scheint was Gröberes von Béziers aufzuziehen. Könnte uns auf der Autobahn nach Montpellier erwischen.



Bildet sich eine Squall?

 

Gruss, Alfred

Hoi zäme

Tja, unsere Chasing-Odyssee ist eigentlich relativ schnell erzählt.

Beim letzten Forecast-Update am Morgen des 04.10.2013 war ich nach wie vor optimistisch, zog aber die Möglichkeit in Betracht, dass die in den Modellen prognostizierte Gewitterlinie in Südfrankreich etwas früher hereinziehen würde und Knight (Dominic) und ich nicht allzu viel zeitlichen Spielraum zur Verfügung haben. Um 08 30 MESZ hatte sich bereits östlich von Madrid, im Bereich der Ebro-Hochebene eine Gewitterlinie gebildet und im Loop war die Verlagerungsgeschwindigkeit und die Zugrichtung gut zu erkennen, sowie approximativ vorauszuberechnen.



Inwiefern sich der südliche Triggerpunkt der möglichen V-Shape-Entwicklung sich genau ostwärts verlagern und für uns unerreichbar in den Offshore-Bereich bewegen würde, war ein beachtenswertes Detail, dem ich aber nicht allzu viel Gewicht beimass. Zu sehr stand die der eigentlichen Front vorlaufenden Konvergenz im Vordergrund (die beim DWD nicht vermerkt war).....



....., welche in Erwartung einer zügigen Verlagerung nach Osten und durch in Küstennähe zwischen Montpellier und Marseille herrschenden guten meteorologischen Bedingungen für die Unterstützung konvektiver, squalllineartiger Entwicklungen auch im Grossraum Nimes förderlich sein würde - darin waren Dominic und ich uns einig.

Um ca. 11 30 MESZ war ich bei Dominic und kurze Zeit später brachen wir auf, mit einem doch recht guten Zeitpolster von rd. 2 Stunden (berechnet auf 18z, aufgrund der neusten WRF-Modellierung). Noch vor Orange sahen wir am Horizont die ersten kleineren NS-Zellen, welche die noch etwas trockene Grundschicht anfeuchteten (Scout-Z.). Der Cloudcover war doch ziemlich kompakt und hochbasig, mit verbreitet gut erkennbaren Undulatus (vermutlich infolge der oben beschriebenen Leeeffekte). Doch kurz nach 18 00 MESZ bildete sich bei Bézier eine recht blitzaktive Gewitterlinie, die wir auf dem Radar beim Tankstop bei der Raststelle kurz vor Nimes erkannten und die Feuchte nahm deutlich zu. Das Zeitpolster lag nach wie vor bei rd. 2 Stunden. Wir fuhren weg, hielten nach 40 Metern an, Radarcheck....... - Dominic sah Rauch aus der Motorhaube steigen, wonach ein lautes "Puff"-Geräusch, die vorläufige Vermutung zur Gewissheit werden liess, dass hier unsere Chasingtour beendet sein würde. Vermutlich löste ein defektes Relais eine Kettenreaktion aus; Kühler defekt.

Ein Abschleppdienst brachte uns ins rd. 70 km entfernte Caderousse bei Orange, wo wir um ca. 19 45 MESZ ankamen und auf eine Notreparatur hofften. Rd. 15-20 Min. später die ersten entfernten Donner, dann schöne CG's westlich von uns, welche die Linie markierten, die uns nur rd. 10 Minuten später überrollte, mit ein paar kräftigen, sogar einem wirklich brachialen Naheinschlag < 500 m. Eine zweite Linie folgte kurz darauf, mit mehrheitlich eingelagerten CC's. Mietwagen geordert und kurz vor 22 00 Uhr in Avignon in Empfang genommen. Doch genau über uns zerfiel die Gewitterlinie, die Blitzrate sank auf rd. 1 strike / 3 Min. und östlich von unserem Standort waren entfernt noch einige sehr schöne Crawler, quer über den Himmel auszumachen. Die auf 21z und 00z gerechneten Gewitter in dieser Gegend blieben aus...... Chasing abgebrochen

War aber generell sehr lehrreich und hat Spass gemacht mit Dominic zu chasen... Danke auch an Ralph für die Tipps, allenfalls die Reparatur selber auszuführen...

Gruss Cyrill

Aloa

Wir tuckern jedenfalls die kommende Nacht per Fähre durch die (interessante?) Scirocco Zone zwischen Korsika & Festland. Muss dann wohl Nachtwache auf dem Deck schieben

Tatsächlich eine recht spannende 2. Nachthälfte von Fr auf Sa. Ab ca. 02-03 immer wieder mal Wetterleuchten Rtg. Italien gesichtet in den kurzen Wachphasen. Gegen 05 Uhr wurde es immer intensiver und mich hielt es nicht mehr in den Federn. Auf dem Deck rund 1-stündiges Wetterleuchten- & Blitzspektakel und rauhe See; die Luft war zum schneiden schwül. Toller Einstand zum Ferienstart. Tagsüber war dann ausser vielen nett anzusehenden Ac cas nicht mehr viel los. Sind hier wieder im Südosten Sardiniens. Heute Abend wie häufig hier, sehr schwül. Weit draussen auf dem Tyrrhenischen Meer immer noch Wetterleuchten sichtbar. Herrlich laue Oktobernacht auf Hotelterasse, im T Shirt und der Meeresbrandung im Ohr.

@Cyrill & Knight: Bad luck! wirklich dumm gelaufen.

Gruss Andreas