Wenn der Giftzwerg die einzige Zelle im Mittelland ist, die ordentliche Blitzaktivität aufweist und genau über ein von mir betreutes Festgelände zieht, dann hat sie natürlich meine volle Aufmerksamkeit

Interessant auch, dass die Zelle genau über dem betreuten Ort die höchste Blitzrate aufwies und ihr 5 km nach dem Überqueren des Festgeländes der Stecker gezogen wurde. Murphy lässt grüssen...
Im von Willi oben verlinkten Radarzoom ist die Ursache der interessanten Entwicklung entlang der Südufer der Jurarandseen zu finden. Eingeblendet sind die Böenspitzen, welche an den Jurasüdfuss-Stationen bis zu 70 km/h erreichten. Damit habe ich nun auch endlich den Beweis in der Hand, wie und warum die von mir in früheren Arbeiten erwähnten Zellen im Zuge von Kaltfronten ausgerechnet im Flachland der Broye-Ebene und im Grossen Moos entstehen. Den neuen technischen Möglichkeiten mit allen notwendigen Daten auf einem Bild (Zoomradar 2015) sei Dank!
Die ersten Echos tauchten um 22:45 MESZ auf:

Quelle: Donnerradar Zoom Archiv (kostenpflichtig)
Man achte auf die linienförmige Struktur, die sich vom Südufer des Neuenburgersees durch das Seeland bis zum Weissenstein ausbildet. Ungefähr eine Viertelstunde zuvor meldeten die Stationen am Jurasüdfuss (Mathod, Neuchâtel, Cressier, etwas zeitversetzt auch Grenchen) die ersten Joran-Böen. Bis zu diesem Zeitpunkt handelte es sich um einen trockenen Kaltfront-Durchgang, der sich einzig durch eine schwache Druckwelle am Juranordfuss bemerkbar machte (keine Niederschläge über der gesamten Jurakette). Der Fallwind aus Nordwest zog über die Seen, wo wegen des kühlen Wassers die Schichtung noch stabil war. Auf dem Festland angekommen, schob sich der Wind unter die warme Luft des Mittellandes und schon fing die Suppe an zu kochen. Nach 10 Minuten (22:55 MESZ) die ersten zwei Blitze zwischen Estavayer und Payerne. Um 23:05 war klar, dass der Zwerg giftig wird und die Zugbahn mit wenigen km Durchmesser genau das betreute Festgelände treffen würde. Vorwarnzeit 15 Min, nicht gerade optimal
Überhaupt darf sich das Wetter dieses Freitags als Merkwürdigkeit im Meteorologen-Gehirn festbrennen. Modell-Outputs und MOSse waren sich weitgehend einig, dass am Nachmittag im westlichen Mittelland 22 Grad und Böen von 35-40 km/h erreicht werden. Geworden sind es 23 bis 25 Grad mit verbreitet Böen von knapp 50 km/h, an der exponierten Station Fribourg gar 66 km/h und auf der Stockeren bei Mühleberg 74 km/h. Bemerkenswert die Böigkeit bei einem Mittelwind von 15-20 km/h, welche Faktor 3 bis 4 erreichte. Dies wohlverstanden bei leicht bewölktem Himmel und keinen Schauern weit und breit. Was war vorher da? Huhn (stärkere Durchmischung) oder Ei (stärkere Erwärmung)? Immer wieder eindrücklich, wie mit dem Sonnenuntergang der Wind plötzlich abstellt.
Noch ein Gedanke, der mir bei der gestrigen Lage kam: Möglicherweise unterschätzen die Modelle das bodennahe Feuchteangebot nach den Hochwassern von Anfang Mai im westlichen Mittelland. Ich vermute mal, dass mit etwas weniger "Benzin" gestern Abend eine schwächere Entwicklung möglich gewesen wäre. Gilt es für die anstehende erste hochsommerliche Hochdruck- bzw. Flachdruckperiode im Hinterkopf zu behalten.