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Wolkenbruch-Frage

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Slep
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Wolkenbruch-Frage

Beitrag von Slep »

Zum ersten Mal in der Geschichte der Welt wage ich einen Thread zu eröffnen. Und zwar mit dem folgenden Thema:

Wie ich schon in einem anderen Thread geschrieben habe, kam es am Montag Abend (3.August) zu einem lang andauernden Wolkenbruch über weite Teilen der Stadt Winterthur, wobei es örtlich 25mm Regen in einer Stunde gab. Und das ohne Donner (wenigstens nicht von mir gehört).

Ich habe ähnliche Ereignisse schon ein paar Mal erlebt wobei es heftig regnete ohne Elektrik. Die Frage ist: Wie kann es so heftig schütten ohne Gewitter, hingegen andersmal kann es etwas weniger heftig regnen aber mit Blitz und Donner? Das ist mir ein Rätsel.

Gut, im Fall vom letzten Montag gab es zwei mögliche Hinweise dafür: erstens zeigte der Radar es als weniger intensiv über der Stadt als es tätsächlich war, was vielleicht eine weniger hohe Wolkengrenze war als sonst. Zweitens, die Wolkenuntergrenze war sehr tief - hatte vielleicht der Seeder-feeder Effekt eine Rolle gespielt? D.h.wurden die Tropfen grösser als sie durch die tieferen Wolken fielen?

Ich bin offen für andere Meinungen oder mögliche Erklärungen.
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Tinu (Männedorf)
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Re: Wolkenbruch-Frage

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

slep hat geschrieben:Wie kann es so heftig schütten ohne Gewitter, hingegen andersmal kann es etwas weniger heftig regnen aber mit Blitz und Donner? Das ist mir ein Rätsel.
Ich kann dir da keine wissenschaftlich-fundierte Antwort geben. Aber letztlich sind starke Niederschlagsereignisse nicht zwingend an Gewitter gebunden. Nimm mal die sintflutartigen Niederschläge als Beispiel, die bei uns bei Gegenstromlagen auftreten können (also bsp. das Aufgleiten warm-feuchter auf kalt-trockene, stehende Luftmassen).

Ausserdem bedeutet das Ausbleiben von Blitz und Donner nicht, dass keine Konvektion vorhanden ist. Die Heftigkeit und Häufigkeit von Blitz und Donner ist nicht unbedingt ein Gradmesser für die Niederschlags-Intensität in einem Gewitter. Andere Faktoren (Feuchtigkeit, Hebung, Winde, etc.) spielen da eine Rolle.
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Stefan im Kandertal

Re: Wolkenbruch-Frage

Beitrag von Stefan im Kandertal »

Tinu: Das mit den Gewittern ist gut erklärt.

Allerdings müsste man wirklich mal erforschen warum es vornehmlich in den Kantonen Luzern, Aargau und Zürich zu solchen Über-Schauern kommt mit teils 100mm/h Raten ohne einen einzigen Blitz. Das in Winterthur war übrigens auf dem Radar drauf. Wahrscheinlich fehlten teils Daten für die Summenkarte in einem Teil des Gebiets. Oder wie kommts da zu heftigen Gewittern in Kaltluft (Wie Anfang Juli in ZH Nord). Sowas ist mir in der Region Bern oder in der Romandie noch nie aufgefallen bzw. es kommt nicht vor. Bei uns nimmt die Niederschlagrate und Menge ziemlich proportional mit der Temperatur bei Schauerlagen ab.

Schauerbänder an sich kommen aber auch ab und zu vor. Es geht mir mehr um die Intensität. Und vor Allem, solche Vorkommnisse wurden zuvor nicht in einem einzigen Modell gerechnet. Solch ein Fall gabs auch im Juli in einer der beiden Flachlandgewitterlagen. Noch kurz davor gabs allenfalls mässige Modellsignale. Geendet hats in verbreitet über 50mm, lokal 100mm ;). Allerdings erstreckte sich das Event bis zum Murtensee und gehört nicht unbedingt in dieses Thema.

Neu kann das kaum sein. Schliesslich beobachtet man in der Schweiz seit über 100 Jahren das Wetter ;). Also müsste das doch den Modellrechnern bekannt sein?.

Andere Sachen wie das Ausdehnen von Frontenniederschlag nach Norden wenn sie nach Osten ziehen werden nämlich gerechnet, wenn die Voraussetzungen gegeben sind.
Dabei handelt es sich nämlich praktisch immer um Kaltfronten wo die Strömung nur in unteren Schichten nach NW dreht und Höhenwind aus SW. Bitte korrigiert, wenns falsch ist: Das heisst dann, dass je weniger hoch der Jura nach Osten wird, desto weniger wird die SW/NW Konvergenz geschwächt (Juralee) und das beflügelt dann die Front östlich von Aarau bis nach Schaffhausen zu "wachsen". Das geht aber auch nur, wenn die Front nicht schon voll aktiv in die Schweiz kommt.
Zuletzt geändert von Stefan im Kandertal am Do 6. Aug 2009, 16:30, insgesamt 6-mal geändert.

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Re: Wolkenbruch-Frage

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

@Stefan

Diese regionalen Unterschiede sind ziemlich schwer zu erklären. Ich habe letztlich keine Ahnung, weshalb es dazu kommt. Willi und Bernhard haben ja anhand der Radar-Daten entsprechende Untersuchungen und Analysen angefertigt, in denen es auch spezifisch um regionale Aspekte und "Merkwürdigkeiten" geht. Ich habe jetzt leider den Link nicht parat...

Ich vermute mal es hängt von diversen Faktoren ab: Strömungs- und Windrichtung, vorhandene Feuchtigkeit, Topografie, etc.

Vielleicht spielt bei Kaltfronten aus westlichen Richtungen auch der Beschleunigungseffekt eine Rolle (siehe diesen Thread https://www.sturmforum.ch/viewtopic.php?f=3&t=5870). Fronten müssen Hindernisse wie Jura oder Alpen ja sozusagen "umströmen", wobei es in der Ostschweiz zu einer Beschleunigung des gesamten Ablaufs kommt, was sich wiederum auf die meteorologischen Begleiterscheinungen auswirken kann (v.a. Wind). Ob sich dieser Düseneffekt auch in kurzzeitig intensiveren Regenraten niederschlägt weiss ich aber nicht.
Zuletzt geändert von Tinu (Männedorf) am Do 6. Aug 2009, 16:30, insgesamt 2-mal geändert.
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Stefan im Kandertal

Re: Wolkenbruch-Frage

Beitrag von Stefan im Kandertal »

Tinu:

Ja, ist schon seltsam. Das mit dem Wind wird nämlich meistens vorhergesagt. Also dass es am Bodensee dann am meisten bläst. Interessanterweise aber dann eine Front dort unter Umständen schon schwächer wird. Wahrscheinlich weil durch eine Intensivierung weiter westlich die Energie schneller verbraucht wird. Bei Gewitterfronten kommt dann ganz im Osten zur Düse noch ein allfälliger Outflow dazu. :). Zuletzt spielt sicher auch die Verlagerungsgeschwindigkeit der Front und das Timing der Bodennahen West bis NW Winde eine Rolle. Die letzten Fronten tendierten ja eher zur Abschwächung bzw zum "flächigwerden" im Osten nachdem zuvor im Westen, Bern und Kt. Luzern teils heftige Gewitter niedergingen.

Gegenstromlagen sind dann wieder was anderes. Solches wird Modelltechnisch auch meist gut erfasst.

Das mit Beschleunigung der Winde ist aber eine mögliche Erklärung. Das kann dann durch begrenzte Modellauflösung nicht erfassbare lokale Konvergenzen verursachen. Bei GFS mit höchstens 50km Gitter kann auch mal der Modellniederschlag am Jura eher Richtung Voralpen auftreten. Allerdings wurde das Problem durch WRF nun gelöst. Vergleich mal bei Wetterzentrale.de GFS 0,5° mit WRF :-D

Nun ich denke wir sind uns einig, dass da auch der Jura oder dessen nicht mehr vorhanden sein im Osten mehr Einluss hat als man manchmal denkt. Altbekannt ist den meisten nur der Regenschatten in der Westschweiz bei Rückseitenwetter in Höhenkaltluft mit NW Wind.
Zuletzt geändert von Stefan im Kandertal am Do 6. Aug 2009, 16:43, insgesamt 6-mal geändert.

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Willi
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Re: Wolkenbruch-Frage

Beitrag von Willi »

Der 3D Loop der MeteoSchweiz zeigt klar, dass die Niederschlagswolken nur wenig über die Nullgradgrenze hinausreichen, vielleicht etwa bis auf 5000m Höhe oder so. Das ist bei Gewittern doch meist anders. Evtl. spielte der "warme Regen" eine stärkere Rolle als sonst, d.h. der Niederschlag bildete oder verstärkte sich durch das Zusammenfliessen von Wolkentröpfchen, so wie meist in den Tropen. Das könnte auch teilweise das Fehlen von Blitzen erklären. Bei uns ist ja eher die Niederschlagsbildung über die Eisphase dominierend.

Gruss Willi

Quelle: MeteoSchweiz
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Zuletzt geändert von Willi am Do 6. Aug 2009, 18:43, insgesamt 2-mal geändert.
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Slep
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Re: Wolkenbruch-Frage

Beitrag von Slep »

Ich denke, Willis Erklärung ist wohl der Grund, dass es nicht gewitterte. Aber das so viel Niederschlag innerhalb nur 5Km produziert wird - das finde ich erstaunlich. Wie wäre das gewesen, wenn die Wolken noch bis auf 12km reichten?! :shock:

Wegen der Winde: man sieht klar auf dem Radar oben - und ich konnte das mit den heranziehenden Wolken ohnehin vom Boden sehen - dass der Niederschlag nicht aus W oder NW kam sondern eher aus N oder NNO.
Zuletzt geändert von Slep am Do 6. Aug 2009, 22:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Stefan im Kandertal

Re: Wolkenbruch-Frage

Beitrag von Stefan im Kandertal »

Slep: Nun so viel Ns. Intensität aus solchen Wolken geht schon manchmal. Normalerweise bewegt sich das aber. Du musst die vorstellen, dass eine 12km hohe Gewitterwolke selbst bei rascher Verlagerung durchaus 20-30mm ablässt ;)
Zuletzt geändert von Stefan im Kandertal am Fr 7. Aug 2009, 17:01, insgesamt 1-mal geändert.

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