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NOW: Gewitter und Kaltfront Wochenende 06./07.08.2011

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Cyrill
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Re: NOW: Gewitter und Kaltfront Wochenende 06./07.08.2011

Beitrag von Cyrill »

Silas hat geschrieben:@Cyrill
Danke für die Analyse!
Da du dir so sicher warst, dass es Nachmittags kaum Gewitter geben wird, weshalb erwartetest du dann in der Nacht kräftige Gewitter?

Beeindruckend war jedenfalls der Wind auf dem Chasseron. Kaum ausgestiegen, mass ich bereits 65 km/h.

Gruss Silas
Hoi Silas; komme nun mal dazu Dir zu antworten.

Ich nehme hier noch einmal Bezug auf meine Analyse, inkl. das dort gepostete Kartenmaterial.

Das Föhndiagramm und die 10m-Windkarte, sowie die RH 700 hPa-Karte zeigten mir deutlich die äusserst verminderte Gewitterwahrscheinlichkeit in der Schweiz. Zudem war bei GFS keine CAPE angezeigt (im Ggs. zu WRF) und meine Erfahrung hat gezeigt, dass CIN-Werte von -100 J/kg in der Regel (und vorallem in solchen Lagen) einfach zuviel Deckel ist.
Man konnte sogar sehen, dass LI's von -3 / -4 und CAPE von rd. 1'100 J/kg in Südost-Bayern vom Deckel eingedämmt wurde (weshalb es nur im Allgäu verhalten auslösen konnte.

Zudem war ja die erste KF nicht deutlich markiert und hing ja an diesem Nordseetief.

Hingegen fand ich die zweite KF, welche in der Nacht von Frankreich her in Richtung Schweiz unterwegs war, viel interessanter; und sie war in den Theta-E-Karten deutlich markiert. Zudem hing sie ja an diesem relativ schnell ostwärts ziehenden Teiltief, welches im Grunde zu einem relativ guten Zeitpunkt sich zum Vogesensüdfuss verlagerte; d.h. die WLA konnte einsetzen, was auf der 700 hPa RH-Karte auch gut zu sehen war.

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Diese feuchtwarme Mittelmeerluft aus SW fördert entlang der West- und Nordwestschweizer Grenze im Jura sehr oft präfrontal konvektive Linien. Dabei ist es nicht so wichtig, wann der Kaltfrontdurchgang stattfindet - d.h. schon idealerweise, bei so später Ankunft, zwischen 23 00 und 02 00 MESZ. Doch ich erinnere mich an den 01.08.2008, als plötzlich mitten in der Nacht, bei CAPE von nur 260 J/kg, kräftige Gewitter vom Jura ins Mittelland zogen....

Natürlich hatten Roland und ich schon einen Moment lang gezögert, zumal GFS in letzter Zeit nicht sonderlich zuverlässig war. Doch Roland sah im Handy nochmals den neusten Cosmo2-Lauf an; und bei diesem war das "Würstli", welches sich später entwickelte und welches wir im Jura abfingen, eingezeichnet.
Uns war schon klar, dass es eng werden würde, da auch die CAPE bei WRF um 21z-00z nicht sehr grosszügig ausgelegt waren. Aber mehr als 400 J/kg war da.... - und da war noch der GFS-Tornadoparameter mit den Kringel drin. Dann juckts einfach unter den Fingernägeln :unschuldig:
Zudem ist es so, dass je weiter man sich westlich aus dem nördlichen Alpenbogen heraus begibt, desto geringer ist der störende Föhneinfluss. Man sieht dies z.B. auch bei der Theta-E Karte von Bernhard.
Ein weiteres, im obigen Zusammenhang stehendes Argument war der Taupunkt, welcher bei GFS westlich des Jurasüdfusses mit 21° Grad C (18z) numerisch im nicht hochaufgelösten Gitterpunkt, immerhin von einer Zone bis 20° Grad C umgeben war - und bei WRF sah dies um 21z noch ganz knusprig aus.
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Vergleich man dies mit der tatsächlichen Auslöse, passt dies ganz gut!
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Natürlich habe ich mir die Frage gestellt, weshalb es dieser Linie nicht gelang voll durchzuzünden und fand dafür nur eine, mögliche und plausible Erklärung.
Dazu muss man sich die DWD 00z-Karte ansehen, d.h. die Position der gesamten Front, welche im Tailendbereich der KF an der südwestfranzösischen Mittelmeerküste in den Warmsektor übergeht.
Während also im Südosten Frankreichs, rückseitig der ersten KF der Cloudcover am Nachmittag die Sonneneinstrahlung behinderte, konnte in Südwestfrankreich viel Energie produziert werden 16 00 MESZ).

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Zutreffenderweise hatte Keraunos dieses Gebiet unter Level 2 gesetzt:
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Nun sieht man in diesem Gebiet (18z) auch eine schwache, nur angedeutete Brücke (zwischen den beiden 1008 hPa-Isobaren. Der Druckgradient verläuft aber nicht ganz parallel zu den Isothermen in WNW > OSO-Richtung...
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...; d.h. man hätte eigentlich da schon erkennen müssen, dass der Auslösepunkt, gespiesen von der WLA, nicht kontinuierlich nordostwärts (bis in den Raum Genf) zieht, sondern der Küste entlang durchpendelt!
Hier in einer Phase gut bei Meteox zu erkennen
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So triggerte die an eine U-Shape-Auslöse erinnernde Zelle quasi retrograd in Richtung Ostsüdost, im Forcing durch den Druckgradienten unterstützt und verfehlte bei weitem das prognostizierte Ziel. Dies war weder bei Estofex, noch bei Keraunos drin.
Hier Estofex
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Sieht man sich nun das Sat24-IR-Bild an (welches ich erst um 04:45 MESZ zuhause herunterladen konnte), dann sieht man, wie die Zelle in Südfrankreich die WLA nach Norden auffrisst und bis in den Jura hinauf nichts mehr davon übrigbleibt. Fazit: Die Zellen klappen wie Schirme in sich zusammen!
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Nun, natürlich war ich etwas enttäuscht. Doch ich hake dies unter der Rubrik "Wieder 'was gelernt" ab und fahre das nächste Mal früher los und gleich an die Küste...

Ich hoffe damit Dir Deine Frage beantwortet zu haben.

Gruss Cyrill

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