Salut à tous
Als Fortsetzung zu meinem aus den Ferien erstellten Thread: Nasser Juli im französischen midi hier noch eine Nachbetrachtung zu einem eindrücklichen nächtlichen MCS welches Südostfrankreich am vergangenen Wochenende mit Starkregen und einer ansprechenden Blitzshow überquerte.
Gleich zu Beginn: es hat für mich erneut nicht sollen sein mit den sehnlichst erwarteten chasing Trophäen. Die ganze Entwicklung war schlicht zu undurchsichtig in Bezug auf ob, wann, wie und vor allem wo. Es wäre also ein ziemlicher lucky punch gewesen, wenn ich mich ideal positioniert hätte (In Bezug auf Blitzfotos). Ärgerlich insofern, als dass ich mich kurz vor der richtigen Entscheidungsfindung befunden hatte, aber item.

Die synoptische Lage in der Region:
Nach einer recht stabilen, meist von schwachem bis mässigem Mistral bestimmten Wetterphase vom Donnerstag, 28.7. bis Dienstag, 2.8. wurde es im midi zunehmend heisser und auch schwüler. Die Höhenströmung drehte auf SW. So gingen bereits am Abend und in der Nacht des 2.8. schwere Gewitter über Südwestfrankreich nieder, welche sich aber auf ihrem weiteren Weg weiter nordostwärts stark abschwächten (sehr zum Leidwesen eines sonst sehr erfolgreichen chaser Team aus der CH
Am Samstag, 6.8. setzte im Vorfeld eines kräftigen Teiltiefs über Westfrankreich kräftiger Druckfall ein. Bodennah drehten die Winde auf SE. Der sogenannte "vent marin" führte in den unteren Luftschichten sehr feuchte Luft vom Golf du Lyon gegen die Cevennen:

Der Taupunkt erreichte an meiner Wetterstation ein Max. von 21°C. Die Wolkenbasis senkte sich zeitweise gegen 200 M.ü.M ab, zeitweise fiel etwas Nieselregen. Dazu ein klassisches Bild:

Im Vorfeld einer herbstlichen "épisode cévenole" eine typische Erscheinung. Mit dem näher rückenden Höhentrog wird die anfänglich stabile mittlere Schicht jeweils zunehmend labilisiert und die ganze sauce wächst sich zu Schauern und im "ideal" zu den in der Region gefürchteten stationären v-shape Gewittern aus, dazu ein Schema:

Ich rechnete allerdings nicht mit einer kräftigeren Entwicklung, da die stark westlich geprägte Höhenströmung (s. Isohypsen auf Karte 1) überhaupt nicht ins klassische cevenolische Starkgewitter Muster passte. Abgesehen davon, treten diese Ereignisse so weit ich sie verfolge (seit 23 Jahren) kaum vor Ende August auf. Ab und zu treten zwar auch im Hochsommer Gewitter auf, im Bereich von Kaltfronten mit stark südwestlich ausgreifendem Höhentrog, aber dabei kommt es kaum zu der für oropgraphisch inizierte Starkgewitter typischen Grundschichtkonstellation, mit längeranhaltender SE-Advektion. Vielmehr streifen die Gewitterfronten nur mit ihrem südlichen Ausläufer die Cevennen und bedingt durch die von NW nach SE absinkenden Topographie (s. Übersichtskarte zu Beginn) werden diese durch Lee-Effekte abgeschwächt. Dazu zwei Musterbilder welche mir während einer streifenden Front im Juli 2009 gelungen sind:


Zurück zum vergangenen Samstag:
Die Modelle reagierten nur Verhalten auf die Entwicklung. Es wurde zwar Niederschlag gerechnet. Das Meiste aber westlich über der Region Midi-Pyrénées sowie teils auch weiter nördlich über der Ardèche. COSMO-7 z.B. blieb praktisch trocken. Auch die CAPE-Werte waren alles andere als berauschend. Andererseits war in den synoptischen Hauptfeldern eine Evakuierung der sehr hohen Theta-E Werte gegen E sowie eine Drehung des Bodenwinds von SE auf W zu sehen:




WRF zeigte eine eindrückliche Druckkonstellation um Mitternacht:
Sprich der Durchzug einer Konvergenz war gut abgebildet, jedoch ohne grössere Wetterwirksamkeit in Bezug auf die Niederschlagsfelder sowie höchstens moderaten CAPE-Werten:
KERAUNOS und ESTOFEX waren auch nicht sehr hilfreich. Soweit ich mich erinnern kann, war der Text bei ESTOFEX in Bezug auf Frankreich ziemlich allgemein, ohne genauere Details für Südfrankreich gehalten. Immerhin ein Level 1, welches die betroffene Region noch grad knapp tangierte


Am Nachmittag verdunkelte sich der Himmel zusehends. In der extrem schwülen Luft und dem reduzierten Licht schmeckte es tatsächlich nach Unwettern. War doch mehr zu erwarten? Ich wurde langsam nervös, vor allem weil sich, für mich überraschend, die ersten kräftigen Schauer über den Ausläufern der Cevennen bildeten. Allerdings ohne Strom. NOAA-Satbild vom Samstag Nachmittag, und die spannende Sondierung vom Samstag Mittag in Nimes:


Feuchtlabile Schichtung bis 1500 Meter, darüber eine kräftige Sperrschicht. Die Schauer entwickelten sich dann auch erst im Bereich des Reliefs mit orographischer Hebung.
Auch am späten Abend ging es sehr trüb und mit weiteren Schauern weiter. Es dunkelte merklich früher ein als sonst. Von der Familie mit einem chasing-Freipass ausgestattet sass ich in der buvette des nahen Campings und wusste nicht wohin..., checkte dank WiFi die Lage durch. Ich konnte mir aber weiterhin keinen Reim machen, wo am meisten action zu erwarten war. Die Konvergenzlinie machte sich zwar im Südwesten bemerkbar und bei Toulouse gab es einige Blitze. Viel los war aber nicht. Von den mageren CAPE-Karten geblendet reifte bei mir der Plan, mich gegen das Meer hin zu positionieren, da ich damit rechnete, dass sich die Linie bei Überquerung der Cevennen (aus West) abschwächen würde, rsp. sich über dem Meer eher verstärken könnte.
Ich hatte schon am Nachmittag den Navi mit ein paar Aussichtspunkten gefüttert, und entschloss mich schlussendlich zu einem Spotterplatz Richtung Montpelier aufzubrechen, auch um mir im besser befahrbaren Vorland der Cevennen weitere Optionen offen zu halten. Hier eine Übersichtskarte mit meiner chasing-Route (blaue Pfeile). Sowie ein zoom (rote Begrenzungslinien) auf die Region sowie weiteren Anmerkungen:

(Kartenquelle: http://sevnol.ohmcv.fr/Sevnol2/?lang=)
Was ich leider zu wenig beachtete war die weiterhin extrem tiefe Wolkenbasis, sowie der allgemein schlechte mobile Empfang sobald man eine grössere Ortschaft verlässt... Und so landete ich dann gerade mal auf 200-300 M.ü.M im dichtesten Nieselnebel und hatte keinen Empfang mehr. Ich war dann irgendwie für gut eine Stunde absolut out of order, verirrte mich im Nebel auf den unzähligen Nebenstrassen, die Scheiben sind trotz voll Lüftung immer wieder angelaufen und es war unheimlich schwül. Vor allem war ich mir immer noch nicht sicher wohin es jetzt gehen sollte, da ich ja keine Ahnung mehr hatte was "an der Front" abging. Schlussendlich erreichte ich wieder gegen Norden fahrend die Ortschaft "Ganges" am Fusse der Cevennen und hatte endlich wieder Empfang. Gleichzeitig hatte sich der Regen nun veritabel versärkt; erstes Blitzgeflacker war auch zu sehen. Und tatsächlich das Radarbild zeigte nun grosses praktisch schon über mir. Hätte ich nur nicht diesen anderthalbstündigen Leerlauf eingelegt! Zudem sah ich nun auch, dass sich östlich von mir (sozusagen bei uns zu Hause
An dieser Stelle der Blick aus der Satellitenperspektive:




(Wolkentops <-24°C, Blitze, Isobaren, Wetter/Bewölkung) / Quelle: MeteoSchweiz)
Die Linie um 18Z relativ schlecht organisiert mit wenigen Blitzen, verstärkte sich im weiteren Verlauf und dehnte sich in Richtung bestes Feuchteangebot, gegen das Mittelmeer aus. Gegen 2145Z bilden sich innerhalb des Komplexes verschiedene cold pools. Präfrontal nimmt nun die Blitztätigkeit zu. Meine Position zu dieser Zeit knapp südlich des Mont Aigoual im Bereich der Verstärkung.
Auf folgender Bildserie sei nur der Verlauf in Bezug auf die zunehmende Blitzaktivität dargestellt:




(Blitze, jeweils 30' Summe, zeitlicher Verlauf / Quelle: MeteoSchweiz)
Anhand des zeitlichen Verlaufs (dargestellt in verschiedenen Farben) lässt sich feststellen, dass der ursprünglich aktive hintere Teil des Systems im Bereich "Mont Aigoual" abstirbt und dafür präfrontal südöstlich der Cevennen im Tiefland neu ansetzt und sich zunehmend verstärkt. Dies wohl bedingt durch das beste Feuchteangebot sowie durch das zunehmend ideale konvergente Windfeld am Fusse der Cevennenausläufer. Der Durchgang erfolgte an meinem Standort zu dieser Zeit übrigens ohne Wind.
Ich versuchte nun also die Linie zu überholen, was mir natürlich nicht gelungen ist. Starkregen und überschwemmte Strasse liessen ein hohes Tempo kaum zu. Schlussendlich setzte ich die Karre an den Strassenrand und versuchte etwas zu filmen. Just in time schlug in einiger Entfernung ein kräftiger CG ein. Interessant, dass er sich 3 mal im selben Kanal entlud. Dazu gibt es in schlechter Quali eine kurze Filmsequenz:
Video: Erdblitz_MCS_Südfrankreich (1 MB)

Auf meiner weiteren Verfolgung gegen Osten hin stellte ich nun zunehmend viele CC-Blitze fest. Zudem waren die Strassen teils richtig geflutet, da das Wasser nicht mehr richtig ablaufen konnte. Jetzt sah man auch Feuerwehren am rumkurven. Ich versuchte mich erfolglos im filmen der abziehenden Zelle, aber die schönen CG-Blitze wurden immer weniger. Dafür andauerndes Geflacker weiter östlich; ein Zeichen für eine weitere Verstärkung des Komplexes, das Teil nahm immer mehr Fahrt auf und zog zunehmend südöstlich in Richtung Rhone-Avignon, eine weitere Verfolgung war eigentlich sinnlos, ich versuchte aber noch einen Platz zum filmen/photographieren zu finden, aber irgendwie bot sich nichts passendes an. Hier eine weitere Satelliten-Sequenz des inzwischen mächtigen Systems:




( Quelle: MeteoSchweiz)
Fokus auf das 2345Z Bild, hier bei Orange erreichten die Extrem-Wolkentops (rosa) eine Temperatur um -75°, für unsere Breiten ein ausserordentlich tiefer Wert:

Video: Satellitenbild Animation des MCS Südfrankreich vom 6./7.8.2011 (4 MB)
Leider gibt es keine Mitternachtssondierung von Nimes (kein Wunder...). Im Spezial Bericht von KERAUNOS ist dazu anschaulich ein Modell-Temp abgebildet:
http://www.keraunos.org/orage-6-7-aout- ... ns-MCS.htm
Die gefallenen Niederschlagssummen waren teils beträchtlich. So wurden in Teilen der Dept. Gard, Bouches-d-Rhône und Vaucluse 50-75 mm in einer Std. gemessen. Was teils mehr als der durchschnittlichen Monatssumme im August entspricht. Dank des raschen Durchzugs des MCS ist es offenbar aber nicht zu grösseren Schäden gekommen. Abschliessend noch 3 Radarbilder/Animation:

So, das war's schon
Gruss Andreas




