nordspot hat geschrieben:Aloha
Wo der Kaltlufttropfen gerade liegt lässt sich auf dem aktuellen Satbild gut ausmachen, nämlich genau über unserem Sendegebiet!
Zumindst sieht der Himmel schon seit heute morgen nicht grad uninteressant aus. Das Sounding von Stuttgart 00z macht auch nen guten Eindruck, von der markanten Inversion bei 540hPa ......
Ralph
Hoi Ralph
ich weiss noch nicht, ob ich hier die treffenden Worte finde, um den relativ komplexen atmosphärischen Prozess zu erläutern, der heute stattfand und für etwas Konvektion mit einigen wenigen Blitzen in der Gegend von Schaffhausen und Toggenburg gesorgt hatte.
Zunächst sei hier vermerkt, dass ein KLT (Kaltlufttropfen) sich nicht zwingend aus einer Bewölkungsstruktur interpretieren lässt, insbesondere nicht aus dem Weltall von einem Sat-Bild aus, da bekanntlich KLT's, oder sog. abgeschlossene Höhentiefs absinkende Höhenkaltluft mit sich bringen und dadurch auch bewölkungsarme Zonen verursachen - dies vor allem über dem Festland, in einer Kombination mit Bodenhochs und während des Einschnürungs-, bzw. Reintegrationsprozesses in den sog. Muttertrog. Läuft nun ein KLT entlang der Isohypsen und meist parallel zum geostrophischen Wind in südliche / bzw. südöstliche Richtung und trifft z.B. über dem Mittelmeer auf feuchtwarme Meeresluft, kann sich durch adiabatische Prozesse eine Zyklone bilden, welche dann durchaus auch auf dem Sat-Bild zu sehen ist, bis hin zum seltenen Ereignis eines Medicanes, in dessen Zentrum - vergleichbar mit einem Hurrikan - durch Absinken von Kaltluft sich ein wolkenfreies "Auge" ausbildet.
KLT's sind eigenständige, durch ein Cut-Off-Prozess sich vom Muttertrog abgelöste Höhentiefs, welche meines Wissens während dem Einschnürungsvorgang, dessen weiteren Verlauf ja meist noch nicht genau vorhersehbar ist, noch nicht KLT's genannt werden (können).
Bei folgender 500 hPa Bodendruckkarte sieht man den Unterschied deutlich. Über Nordalgerien, entlang der nordafrikanischen Küste hat sich ein KLT vom Muttertrog abgespalten. Letzterer erstreckt sich von den Britischen Inseln über Zentraleuropa und den Balkan nach Vorderasien, wobei zunächst nur ein Druckzentrum im Norden Griechenlands auszumachen ist:
Die Trogachse liegt bereits nordöstlich der Schweiz, d.h. wir liegen prinzipiell in der wettertechnisch auf die Dynamik des Troges bezogen uninteressanten Rückseite. Doch entlang des Trograndes kann es zu Ausbuchtungen durch Druckdifferenzen kommen, zu Mini-Trögli (in der Grafik über der Bretagne eingerahmt), worauf Willi hingewiesen hatte:
Auf konvektive Entwicklungen bezogen sind diese Minitrögli (natürlich im Sommer) richtige "Überraschungseier", die auch schon mitten in der Nacht einige Frühschläfer aus den Betten gedonnert haben, als Nachzügler der Hauptlinien, welche Stunden zuvor bereits nach Osten abgezogen sind.
Nun, in der zweiten Grafik, übrigens im Unterschied zu Willi's Grafik einfach die Karte der 12z-Analyse, erkennt man innerhalb des genannten Muttertroges ein zweites Druckzentrum, nordöstlich des Minitroges und nördlich der Schweiz, welches Du vermutlich als KLT interpretiert hast, es aber nicht ist, denn es ist kein eigenständiges Höhentief und ist - wie ich noch zeige - integrierter Bestandteil des Haupttroges.
Warum dieses Druckzentrum über Deutschland nicht angezeigt wird (s. 1. Grafik) mag daran liegen, dass die Druckdifferenz zu klein ist, um angezeigt zu werden, wobei sie nördlich von Griechenland ausreicht. Aber wir können auch in der ersten Grafik (500 hPa Bodendruck) dieses Druckzentrum erahnen und uns im Geiste vorstellen, denn in dessen Bereich finden wir meist die Gebiete des niedersten Geopotentials, als logische Folge geringerer Schichtdicke der Troposphäre aufgrund höherer Dichte kalter Luft. Da sich dieser Effekt vertikal auf die gesamte Troposphäre, bis an die Grenze der Tropopause auswirkt, beziehe ich in meine synoptische Interpretation einer (natürlich vorwiegend konvektiven) Wetterlage die bei Lightningwizard ersichtliche Karte des höchsten PVU-Levels mit ein, um das Gebiet und die Form der sog. Tropopauseneinbuchtung beurteilen zu können, anhand dessen ein allfällig bevorstehenden Cut-Off-Prozess (also eine Bildung eines KLT's) grob abgeschätzt werden kann:
Daraus ist auch die positive potential vorticity ersichtlich, welche aber höher aufgelöst und auf 300 hPa-Niveau (im Panel oben links) etwas aussagekräftiger ist:
In der nächsten Grafik erkennen wir das nicht allzu ausgeprägte, gegenläufige Starkwindband (Jet) auf 300 hPa-Niveau mit (westlich) gerade mal 27 m/sek. (= 97 km/h).
Über Norddeutschland erkennt man das ovale mit "L" (= Low) bezeichnete (zweite) Tiefdruckzentrum des genannten Haupt- oder Muttertroges und man erkennt auch sehr gut die leicht nach Osten gekrümmte (weisse) Trogachse. Nun, durch diese Krümmung entsteht am nach Süden orientierten Jetausgang Krümmungsvorticity, die durch einen Spreizeffekt zu einer Zone sog. Höhendivergenz führt, welche wiederum in folgender Karte erkennbar ist (ovale gestrichelte Linie über Süddeutschland mit einem "-"-Zeichen):
In diesem Bereich entsteht auch ein Gebiet erhöhter Scherung; hier werden teilweise mehr als 30 Knoten gerechnet, was konvektive Entwicklungen unterstützt - und im Bereich Schaffhausen / Singen rechnete GFS mit rd. 500 J/kg ICAPE:
Höhendivergenz hat immer Bodenkonvergenz zur Folge und umgekehrt, ein Effekt, der sich vertikal durch die Schichtdicke der gesamten Troposphäre fortsetzt. Dies ist wissenschaftlich belegt. Ich vermute aber nun, dass sich Krümmungsvorticity auf tiefer gelegene Layers ebenfalls auswirkt. Öfters ist mir aufgefallen, dass achsensenkrecht auf 500 hPa-Niveau eine relative vorticity-Paarung (zyklonale und antizyklonale Vorticity) in einem microskaligen Bereich anzutreffen ist, die dann für die Bildung lokaler Gewitterzellen, mitunter in Polen und Italien sogar für kurzlebige Tornados, verantwortlich sein kann. Aufgrund dieser Parameter wurde dort ein Most unstable (MU)-Gebiet von GFS modelliert, mit einem LCL von nur rd. 400 m:
Dazu die Karten 12z / 18z:
Dabei bin ich also nicht ganz davon zu überzeugen, dass eine solch komplexe "Geschichte" nur aus einem älteren Stuttgart-Sounding herauszulesen ist. Unter den gegebenen Umständen getraue ich mich sogar ein wenig daran zu zweifeln, ob der dynamische Hauptantrieb der konvektiven Entwicklungen durch den Minitrog verursacht wurde, der sicher einen Einfluss hatte (siehe Grafik bei WRF-ARW), aber ich in diesem speziellen Fall (deshalb finde ich ihn auch untersuchungswürdig und wert hier zu behandeln) das Zusammenspiel von Krümmungsvorticity, Höhendivergenz und Scherung, sowie etwas CAPE favorisiere.
Mit der NW-Anströmung gab es an den nördlichen Voralpen einen Staueffekt, wobei orografisch eher exponierte Lagen zur luv- und kammseitigen Verstärkung des Niederschlags führte:
In Schaffhausen / Stein am Rhein und im Toggenburg waren ein paar wenige Blitze dabei:
In folgender Karte auch erkennbar, dass sich die schwache Hochdruckbrücke zwischen den Azoren und Skandinavien langsam auflöst (vgl. 1. Karte oben GFS 500 hPa.Bodendruck):
Gruss Cyrill