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Höhentief/Flachdrucklage Wochenende, 26./27.07.2014

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Tinu (Männedorf)
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Höhentief/Flachdrucklage Wochenende, 26./27.07.2014

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

Hallöle

Irgendwie schielen bereits alle auf den Cut-off vom Wochenende und die drohende Norditalien-Tief-Neuauflage von kommender Woche. Der morgige Samstag geht etwas unter: Zu unrecht, wie ich finde :) Wir bekommen es nämlich mit einer durchaus interessanten und auch kniffligen Lage zu tun. Vor allem bezogen auf mögliche, heftige Gewitter.

Allein schon der Blick auf die Karte ist spannend (finde ich zumindest): Ganz Mitteleuropa liegt im Einflussbereich eines schwachen Höhentiefs, dessen Kern am Samstagmorgen von GFS in etwa über Benelux gerechnet wird:
Bild

Der Blick auf Mitteleuropa zeigt, dass es sich um ein klassisches Höhentief handelt, das sogar im Bodendruckfeld seinen Ausdruck findet. Also kein KLT, sondern ein "richtiges" Tiefdruckgebiet - einfach eben auf Schwachstrom:
Bild

Interessant ist nun, was an diesem Samstag in der Folge passiert. Das schmächtige Höhentief verlagert sich nordwärts und schwächt sich ab. Gegen Abend ist im Bodendruckfeld noch eine Tiefdruckrinne zu erkennen, die sich von Dänemark bis zur Adria erstreckt. Das Höhentief an sich ist nur noch als Delle vorhanden, der Kern verlagert sich auf die Nordsee hinaus:
Bild

Hinter diesem zerbröselnden Trogkonstrukt schleicht sich von Westen her eine Portion "Gar nichts" ein. Die gängigen Gewitter-Indices scheren zwar nicht grossartig aus. Davon sollte man sich jedoch nicht täuschen lassen. Der Brösel-Trog hinterlässt uns nämlich eine ausgeprägte Flachdrucksituation ("Barosumpf"). Feuchtigkeit ist vorhanden, atmosphärische Instabilität ebenfalls. Eine eigentliche Höhenströmung ist soweit nicht vorhanden. Der Blick auf das Windfeld zeigt jedenfalls "Jekami" vom Feinsten:
Bild

Die Wetterdienste weisen in diesem Zusammenhang meines Erachtens nicht zu unrecht auf die Gefahr zwar isolierter, aber durchaus kräftiger Einzelzellen hin, die sich im Tagesgang vornehmlich über dem Relief bilden können. Das Problem ist nun, dass sich solche Zellen nur quälend langsam verlagern werden (eben wegen des Jekamis im Strömungsfeld). Das birgt ein nicht zu verachtendes Gefahrenpotenzial.

In Ergänzung dazu die Vorhersage von Meteoschweiz. Zwischen den Zeilen eigentlich genau das oben bereits erwähnte:
Am Samstag wechselnd bis stark bewölkt und zeitweise Regenschauer oder Gewitter, im Flachland am Morgen wahrscheinlich noch länger trocken. Schwerpunkt des Niederschlags in den Bergen und in der zweiten Tageshälfte. Am Nachmittag lokal auch kräftige Schauer und Gewitter möglich. Temperatur am frühen Morgen um 15, am Nachmittag 22 Grad. Nullgradgrenze auf 3300 Metern. In den Bergen schwacher bis mässiger Wind aus unterschiedlichen Richtungen, am Nachmittag auf Nordwest drehend. Im Flachland schwachwindig. In Schauer- und Gewitternähe böig auffrischender Wind.
Siehe dazu auch Federwolkes Blog: https://www.sturmforum.ch/viewtopic.php ... 90#p172448
Zuletzt geändert von Willi am Mo 28. Jul 2014, 07:43, insgesamt 2-mal geändert.
Grund: Datumsformat im Titel normiert, Jahreszahl hinzugefügt
Tinu (Männedorf ZH, 422 m ü. M)
Gewitter und Sturm = erhöhter Pulsschlag
Föhn-fasziniert

Matt (Thalwil)

Re: Höhentief/Flachdrucklage Samstag, 26. Juli

Beitrag von Matt (Thalwil) »

Noch als Randbemerkungen zur synoptischen Lage von morgen Samstag: Mir ist eine recht hohe Ähnlichkeit mit der Wetterlage vom 25.08.1939 aufgefallen. Damals gab es vor allem entlang der zentralen und östlichen Voralpen ergiebige NS, wobei es im Jona-Einzugsgebiet im Zürcher Oberland zu einer Hochwasserkatastrophe kam. Damals fielen an der Messstation Bachtel rund 180 mm Regen innert 24 h, wobei gemäss Zeitzeugen ein grosser Teil innert 1-2 h zusammenkam. Ich bin weiterhin dran die damalige Wetterlage detailliert zu rekonstruieren, erste Resultate hatte ich während des Sturmforum-Treffens in Bern präsentiert.

Die Strömungsverhältnisse und Temperaturverhältnisse in der Höhe sind recht ähnlich:

500hPa
Bild
Bild

In tieferen Luftschichten gibts schon ein paar Unterschiede. So war die Tiefdruckrinne 1939 stärker ausgeprägt und lag weiter westlich über der Ostschweiz. Damals waren vor allem konvergente Bodenwindfelder und die Eigendynamik der Zellen (übrigens ohne Gewitter) antreibend. Morgen ist deutlich mehr Labilität vorhanden. Gemeinsam ist die mutmassliche dichte Bewölkung in den mittleren Stochwerken und die reduzierte Sonneneinstrahlung.

Theta-E
http://www.sturmforum.ch/forum_uploads/ ... l_frei.gif
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Ich werde ganz genau hinauschauen morgen, denn ein Analogfall zu damals würde mir in meinen Recherchen weiterhelfen. Besonders die vertkale Abdeckung mit Messwerten (Sondierungen) wird schmerzlich vermisst. Eine analoge Schadenlage wünsche ich selbstverständlich nicht. Bin gerade unterwegs, habe deshalb Messwerte und Daten von damals nicht verfügbar. Werde ich noch nachliefern, falls sinnvoll.

Gruess, Matt
Zuletzt geändert von Matt (Thalwil) am Fr 25. Jul 2014, 17:38, insgesamt 1-mal geändert.


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Federwolke
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Re: Höhentief/Flachdrucklage Samstag, 26. Juli

Beitrag von Federwolke »

Hoi Tinu

Dass ich die von dir so genannte "Portion gar nichts" anders interpretiere, hast du in meiner Gewittervorschau wahrscheinlich bereits gelesen. Einig bin ich mit dir darin, dass es sich um eine brisante Lage handelt, die man auf den ersten Blick unterschätzen kann. Mit etwas Pech gerät die Sache nämlich derart ausser Kontrolle, dass man zuletzt von einer totalen Fehlprognose reden kann. Das Nowcasting wird mal wieder extrem wichtig und jeder Meteorologe der morgen ein grösseres Outdoor-Event zu betreuen hat, wird gute Argumente benötigen um die Veranstalter für die möglichen Gefahren zu sensibilisieren - auch auf die Gefahr hin, dass schlussendlich nicht viel passiert.

Bei den Boden- und Höhentiefs hast du ein kleines Durcheinander gemacht. Die weissen Isobaren stehen für die Bodenkarte, die schwarzen für die Höhenkarte. Nicht unerheblich für die Labilität und die Höhenwinde bei uns.
Zuletzt geändert von Federwolke am Sa 26. Jul 2014, 00:03, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: "unter Kontrolle" durch "ausser Kontrolle" ersetzt - ergibt so mehr Sinn ;)

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Federwolke
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Re: Höhentief/Flachdrucklage Samstag, 26.07.2014

Beitrag von Federwolke »

Diese "Paula" treibt mich noch in den Wahnsinn :fluchen:

Welche Modellpallette hat denn nun recht: Jene, die den Cluster südlich der Alpen heute Nacht direkt nach Osten ziehen lässt (und uns so gut wie nix angeht), oder jene, die ihn über die Alpen in die Nordostschweiz ziehen lassen will?

Dann gibt es noch den Cluster über Ostfrankreich, der je nach Modell entweder den sterbenden Schwan spielt, nach Nordosten knapp an Basel vorbei zieht oder in den frühen Morgenstunden mit Getöse in der Westschweiz auftaucht und uns mehr oder weniger den ganzen Samstag beschäftigen wird.

Und dann noch die weiteren Folgen, was zwar schon teilweise den Sonntag betrifft aber halt immer noch mit "Paula" zusammenhängt: Den sonnigen Sonntag können wir uns eventuell auch abschminken, besonders in der Ostschweiz. Denn es sieht momentan danach aus, dass es erneut eine aus Osten herumgeholte Dampfwalze in unsere Voralpen reinkrachen lässt. Ich will diese Möglichkeit einfach mal erwähnt haben, nur damit es irgendwo geschrieben steht ;)

Soeben der 18z GFS-Lauf eingetroffen. Man muss sich nur mal die Strömung im 700 hPa-Niveau anschauen, da wird einem direkt schwindelig:

Bild
Zuletzt geändert von Federwolke am Sa 26. Jul 2014, 00:09, insgesamt 1-mal geändert.

Goldigoldi
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Re: Höhentief/Flachdrucklage Samstag, 26.07.2014

Beitrag von Goldigoldi »

Tja, schon als auf SRF Meteo um 19.50 Uhr behauptet wurde, die Schauer in den Alpen würden umgehend in sich zusammenfallen, hatte ich nicht daran geglaubt.
Es sind ja keine thermischen Schauer oder Gewitter, die die Sonne brauchen.

Zur Zeit sind die Konvergenzen wieder sehr stationär, siehe die Niederschlagswurst von Savoyen ins Wallis ins BEO.
Da wird die Niederschlagsfläche grösser und die Intensität höher, genau umgekehrt wie prognostiziert wurde.
Den Stollen am Thunersee haben sie wieder voll geöffnet. Dazu müsste ich nicht mal nachschauen, ich hörs schon. Bei voller Öffnung faucht er.
:lol:

Es ist in jedem Fall spannend, vom Wetter her wie auch von den Abflüssen her.

Goldi

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Federwolke
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Re: Höhentief/Flachdrucklage Samstag, 26.07.2014

Beitrag von Federwolke »

Die aktuelle Entwicklung ist so ziemlich das Worst-Case-Szenario. Die einen Modelle hatten im Westen recht, die anderen im Süden/Osten.

Im Westen schliessen sich die beiden Cluster von Savoyen und dem Burgund zusammen. Die Lücke dazwischen wird mit Neuentwicklungen in der Region Genf gefüllt. Der Zellenverband in der Lombardei ist purrlimunter und zieht nicht nach Osten, sondern nach Norden. Damit ist das Szenario, dass es in der einen Hälfte der Schweiz zunächst trocken beginnt und dann nass wird bzw. umgekehrt (in welcher Version auch immer) wahrscheinlich vom Tisch und es schüttet so ziemlich überall. Man darf gespannt sein, welche Kettenreaktion das auslöst bzw. wie sich diese Suppe verhält, sobald wieder die Sonne ein Wörtchen mitzureden hat.

Wünsche erstmal eine gute Nacht...

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Re: Höhentief/Flachdrucklage Samstag, 26.07.2014

Beitrag von Federwolke »

Aber sowas von Bild

Sozusagen jede Niederschlagsentwicklung in der Nacht, die in den Modellen irgendwo (halt nur nicht in einem korrekt zusammengefasst) gezeigt war, ist auch eingetreten. Einzig die Nordverlagerung des Tessiner Batzens ist verhungert, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Man könnte sich nun beruhigen und denken, dank der verbreitet dichten Bewölkung seien keine heftigen Entwicklungen mehr möglich, doch dieser Schluss wäre trügerisch. Das Höhentief kommt genau über uns zu liegen und damit sind die Hebungsantriebe nicht an die bodennahe Erwärmung durch die Sonne gebunden. Zudem scheint sich das Höhentief aufzusplitten, was die konvergenten Strömungen über der Schweiz verursacht. Nur ist das Zusammenspiel aller Faktoren derart komplex, dass das Ergebnis immer noch weitgehend offen ist. Die Aussage, dass es nass wird, man aber nicht genau weiss wo wie stark, hilft eigentlich niemandem weiter...


flowi
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Re: Höhentief/Flachdrucklage Samstag, 26.07.2014

Beitrag von flowi »

Moin,

der Cluster in Norditalien hat jetzt die Region Venedig erreicht,
schöner Aufzug, live: http://www.ve.ismar.cnr.it/piattaforma/ ... pg?7716459
Bild
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erreicht jetzt gerade Jesolo-Cavallino, Campingplatz Union Lido:
http://www.unionlido.com/union-lido-wor ... dia/webcam
(Kameraeinstellung Uhrzeit: +40min. !)
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und jetzt in Caorle
http://www.caorle.it/it/meteo-e-webcam
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hier noch der Blick von oben:
Bild

Grüße
Flower
Zuletzt geändert von flowi am Sa 26. Jul 2014, 11:24, insgesamt 5-mal geändert.

Mike (Basel)

Re: Höhentief/Flachdrucklage Samstag, 26.07.2014

Beitrag von Mike (Basel) »

Schaut mal schnell auf der SRF-Meteoseite die prognostizierten Höchstwerte für heute an. Demnach sollen es in Basel noch 27 °C und in Zürich noch 25 °C werden! Bisschen hoch, nicht?
http://www.srf.ch/meteo

nordspot
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Re: Höhentief/Flachdrucklage Samstag, 26.07.2014

Beitrag von nordspot »

Moin
Der Donnerbatzen an der Adria verlagert sich erstaunlich rasch NE wärts. Da stehen die Chancen gut dass die Bewölkung nördlich der Alpen in absehbarer Zeit sich dünnt und die Sonne mit der Schicht anfangen kann. Ausser.., ausser der neu sich Formierende bei Genua transportiert seinen Cirrenschirm ebenfalls über die Alpen, dann bleibts den ganzen Tag lang so wie jetzt. Nowcasting in seiner Bestform ist nun angesagt..

Pitschnasse Grüsse

Ralph
nordspot Konstanz

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