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Bergtour im Binntal + etwas Geologie

Erdbeben, Kameras, Forumkritik usw.
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Uwe/Eschlikon
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Bergtour im Binntal + etwas Geologie

Beitrag von Uwe/Eschlikon »

Hallo zusammen

Am vielleicht letzten wirklich heissen Tag des Sommers 2006, also am 30.07., unternahm ich eine Bergtour auf den Strahlgrat zuhinterst im Binntal, einem Seitental des Goms im Wallis.

Das Binntal ist sicher eines der letzten sehr ursprünglich gebliebenen Alpentäler der Schweiz. Wer zuhinterst durch den Weiler Imfeld (Fäld) spaziert, kommt sich um 200 Jahre zurückversetzt vor, da keine Gasse und kein Weg im Dörfchen geteert oder sonst künstl. befestigt ist. Und alle Häuser sind noch im typisch alten Walliser Holzbau-Stil erhalten.

Und das Binntal ist vor allem das Tal der Mineralien!
Mineralogisch gesehen ist das Binntal nicht nur im gesamten Alpenraum, sondern in ganz Europa, ja sogar weltweit einzigartig. Fast 20 Mineralienarten kommen nur hier und sonst nirgends auf unserem Planeten vor. Das machte das Binntal unter Mineralogen und Sammlern schnell einmal berühmt. In allen grossen Sammlungen, vor allem in England und den USA, zieren Mineralstufen aus dem Binntal die Schaukästen und Schubladen.
Einige dieser Mineralarten bereiten den Forschern bis heute Kopfzerbrechen, weil deren chemische Verbindungen theoretisch gar nicht möglich sein dürften. Daraus versucht man nun Rückschlüsse auf die geologischen Kräfte zu gewinnen, die mit enormen Temperatur- und Druckwerten gewirkt haben müssen.
Vor allem die Thallium-Wismut-Silber-Blei-Arsen-Lösungen, welche im schneeweissen Dolomitmarmor auskristallisiert sind, haben zu einer einmaligen Vielfalt an sehr seltenen Mineralarten geführt.

Noch bis heute werden im Binntal Neufunde getätigt:
- Cafarsit 1966
- Edenharterit 1988
- Erniggliit 1988
- Stalderit 1988
- Cervandonit 1988
- Fetiasit 1991 (Verbindung aus Fe-Ti-As --> Namensgebung)
- Jentschit 1997
- Quadratit 1998

Eine kleine Übersicht über die besten Fundstellen für Mineralien habe ich auf dem Kartenausschnitt (1:200000) zusammengestellt:
1. Mineraliengrube Lengenbachs, wo ein wissenschaftliches Konsortium professionell nach Mineralien sucht
und den Fels bergmännisch abbaut. Die Abraumhalde ist öffentlich zugängig.
2. Gneiszone südl. der Binna: weltweit schönste Funde von Anatas!
3. Feldbachtal: Fundgebiet für grosse Beryll-Kristalle in Edelsteinqualität; Quarz
4. Turbenalp: grosse Quarzkristalle
5. Serpentingesteinskörper rund um die Geisspfadseen
6. Berühmte Fundstellen rund um den P.Cervandone (Scherbadung): weltweit schönste Funde von Cafarsit
7. Südl. Seitentäler: weltweit grösste Eisenrosen; Quarz, Titanit u.v.a.
8. Fundstellen in den Bündnerschiefern (zB. am Breithorn): Rutil, Quarz
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Rot eingezeichnet ist meine Bergtour auf den Strahlgrat. Länge ca. 23km, Höhenunterschied je ca. 1800m Auf- und Abstieg. Da ich allein unterwegs war und Träger einer künstl. Herzklappe bin (brauche blutverdünnende Medikamente) habe ich aus Sicherheitsgründen für den Auf- und Abstieg dieselbe Route gewählt. Mein Hausarzt hätte mich aber trotzdem gesteinigt, wenn er das wüsste :-D

Früh morgens vor der Alp Wyssi mit Blick auf das vergletscherte Hillehorn
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Von der Turbealp hat man einen wunderbaren Blick ins hintere Binntal. Im Hintergrund die Mischabel-Kette (Dom/Täschhorn)
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Am Turbegletscher
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Was vom Turbegletscher noch übrig ist, sind ein paar traurig anzusehende, dahin schmelzende Eislappen!
Über die abgeschliffenen Felsen und das Geröll von links nach rechts in die Senke rechts auf dem Foto stieg ich in die Strahlgratlücke hoch
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Der linke Gletscherlappen beim Turbhorn
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Zum Vergleich die 1:25000 Karte (kartiert etwa im Jahr 2000), wo der Turbegletscher noch eine Fläche von ca. 700x400m einnahm! Mein Aufstieg hätte gemäss Karte ein ganzes Stück übers Eis führen müssen.
Rot die Route, welche ich weglos von P.2441 (bis hierhin markierter Wanderweg) einschlug und via GPS auf die Karte übertrug.
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Imposante Eis-Aufwölbung an der Strahlgratlücke, wo Blinnengletscher (Schweiz) und Hohsandgletscher (Italien) zusammen treffen.
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Blick vom Strahlgrat in Richtung Ofenhorn mit seinen nordseitigen Hängegletschern.
Wie weit das Eis des Hohsandgletschers vor einigen Jahren hier am Strahlgrat noch hinauf reichte, ist rund um den Firnfleck wunderbar zu erkennen
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Blick nach N über den Wulst des Blinnengletschers 1500m tief ins gleichnamige Blinnental und weiter ins Goms bei Reckingen.
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Unterer Bereich des Hohsandgletscher, der mehrere km lang ist, aber sehr stark auf dem Rückzug ist.
Er mündet in den Sabbione-Stausee (Italien)
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Am Turbhorn kondensieren die warmen Luftmassen aus dem Tal und wandeln sich dann in harmlose Quellwolken um
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Weit weg von jeglicher Berghütte und befahrbaren Strasse findet man hier im hintersten Binntal fast in jedem Sturzblock Quarzkristalle, die mehrere cm gross sind. Leider reichte meine Zeit nur kurz zum suchen. Ich würde einen Heli brauchen, um eine Tagesausbeute von hier oben abtransportieren zu wollen :-D
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Vom Turbegletscher geschliffene Marmorfelsen. Dieser enthält übrigens kleine Klüfte voller schönster Kristalle (Quarz, Dolomit, u.a.) ;-)
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Blick zum Mittlebärg (Vordergrund) und dem Geröllkessel. Gemäss LK 1:25000 müsste auch dieser noch fast vollständig vergletschert sein...
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Blick von unten zum Strahlgrat. Wunderschön die helle Gneiszone, die in dunklere Glimmerschiefer eingefaltet wurde.
Auch das ein Zeichen für hoffnungsvolle Mineralfunde.
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So, das war mein kleiner Streifzug durchs hintere Binntal mit seiner interessanten Geologie.

Grüsse, Uwe

yori
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Bergtour im Binntal + etwas Geologie

Beitrag von yori »

vielen dank für die schönen bilder... ich, als alte bettmerälplere, bin ganz gerührt u.a. von der schönen aussicht auf deinen bildern... dabei kommt mir gerade in den sinn, dass meine mutter anno dazumal noch touren auf das strahlhorn gemacht hat... wir haben noch fotis davon... ich selber war noch nie weiter weg von der bettmeralp, kenne die dafür in und auswendig... doch leider bin ich jetzt auch schon ein paar jahre nicht mehr dort gewesen... deine bilder haben in mir gerade eine sehnsucht geweckt...

ich werde mir diese wanderung im hinterkopf halten... vor allem auch wegen den glitzersteinchen... ich liebe die!...

traurig ist schon aber (auch im vorherigen thread und der fernsehtipp) zu sehen, wie weltweit das eis schmilzt... sehr beeunruhigend... und wir warten, und warten und schauen zu bis.... es zu spät ist?... was es wohl schon ist, da müssen wir uns wohl nichts mehr vormachen... *räusperchen*...

naja... die trüben gedanken sollen aber nun deine hübsche wanderung nicht tangieren...

vielen dank!

Denise


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Uwe/Eschlikon
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Beitrag von Uwe/Eschlikon »

Salut Denise

Ich komme seit 1985 ins untere Goms (Lax) und ins Binntal, kenne jeden Berg (war auch schon auf fast jedem) und jeden Weg, und trotzdem ist gerade in diesem Teil der Schweiz die Vielfalt der Natur beinahe unerschöpflich. Das Breithorn eingangs des Binntals, mein Hausberg, besteige ich jedes Jahr 2-3x, auch im Winter.

Meine Passion zu den Steinen und zu den Bergen hat mich seinerzeit hierher geführt, und nicht mehr losgelassen ;-)

Grüsse, Uwe

grafur Rifferswil
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Bergtour im Binntal + etwas Geologie

Beitrag von grafur Rifferswil »

Hallo Uwe

Danke für die tollen Bilder! Ich schwärme genauso vom Binntal wie Du und kenne es ebenfalls schon lange (seit 1987). Ich besuche das Binntal jedes Jahr, diesen Sommer war ich wieder mal längere Zeit dort, um genauer zu sein: vom 9. - 25. Juli 2006 campierte ich auf dem wunderschönen Zeltplatz kurz vor Imfeld. Vielleicht hast Du ja mein Zelt gesehen: das grosse orange Zelt :-D.

Auf dem Strahlgrat war ich allerdings noch nie. Durch Deine Bilder wird sich dies aber vielleicht nächstes Jahr ändern, wenn ich wieder dort hin gehe ;-).

Ich erlaube mir, hier noch ein paar Bilder reinzustellen (ich hoffe, ihr habt nichts dagegen).

Das oben erwähnte Breithorn von Imfeld aus gesehen (Blick Richtung SW, talabwärts). Der Campingplatz sieht man ebenfalls noch knapp:
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Nochmals das Binntal, nun vom Breithorn aus in Richtung NE (in der Mitte das Ofenhorn, links der Strahlgrat):
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Weltuntergangstimmung über den Schinhörner:
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Gruss Urs

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