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Interpretation von Soundingwerten

Grundlagen und Expertenwissen.
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cyba
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Interpretation von Soundingwerten

Beitrag von cyba »

Hallo zusammen

So viel ich verstanden habe, wirkt sich eine mit der Höhe zunehmende Windscherung positiv auf die Gewitterentwicklung aus (im Sinne einer Intensivierung). Den Betrag und die Richtung der WIndscherung kann man aus den Soundings (z.B. von Payerne) ablesen. Für Prognosen im Mittelland, so denke ich, ist der Standort Payerne nicht schlecht (Westwinde, Mittelland). Ein Sounding kann auch Aufschluss über die Mesozyklonentendenz geben (wie gesagt, soweit ich das verstanden habe).

Nun zu meinen Fragen:

-->Welche Informationen sind ausserdem aus einem Sounding ablesbar?
-->Welche Interpretationen lassen diese Informationen zu?
-->CAPE--> ist das die Energie pro Luftmasse? Herleitung?
-->Was versteht man unter Theta-E-Profile?
-->Bulk Richardson Number (kenne Bulk Modulus, was ist Bulk Richardson...)

für die Hilfe im Voraus vielen Dank

mfG

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Willi
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Interpretation von Soundingwerten

Beitrag von Willi »

Hallo Cyba

Hier eine "kurze" Antwort. Ich nehme an, dass es gute Links gibt, die vieles erklären, und die wahrscheinlich Bernhard besser kennt als ich.

- Sounding-Informationen: Temperatur, Feuchte, Windrichtung, Windstärke, Druck, manchmal auch Ozon
- Interpretation: sehr vielfältig, Auswahl betr. Gewitter:
- Wolkenbasis
- Auslösetemperatur
- Stabilität der Luftmasse (viele Parameter)
- Wolkentop
- Vertikale Scherung
- u.a...

- CAPE "convective available potential energy", die "potentielle Energie" eines Luftpaketes, das bereit ist, wie eine Pingpongball im Wasser, in die Höhe zu steigen. Die CAPE des Pingpongballes ist doch so gross, dass der Ball etwas über die Wasseroberfläche hinaus hüpft...

-Theta-E-Profile. Theta-E ist die äquipotentielle Temperatur eines Luftpaketes, das, in einem Cb, aufsteigt und dann, ausgetrocknet, wieder auf Meereshöhe absinkt. Die Temperatur auf Meereshöhe ist dann das Thetae. Wenn Thetae mit der Höhe abnimmt, dann ist die Schichtung potentiell instabil. Wichtig, wenn eine Luftmasse gegen einen Berg oder ein Gebirge strömt.

- BRN: das Verhältnis aus CAPE zu kinetischer Energie (horizontal, die aus der Scherung entstehen kann). Je kleiner BRN (typischerweise < 40), umso eher gibt es Superzellen. Da ist (idealerweise) die kinetische Energie schön bereit, in CAPE umgewandelt zu werden, und die Superzelle läuft und läuft und läuft...

Gruss Willi
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Bernhard Oker
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Interpretation von Soundingwerten

Beitrag von Bernhard Oker »

Hallo

Ich mache jetzt einfach mal an diesem Thread weiter:

Seit kurzem sehen die Soundings auf meiner Homepage (http://www.severeweather.ch) etwas anders aus. Es wird neu das aufsteigende Luftpaket für den 100hPa Mean-Layer LCL und CCL eingezeichnet. Die CAPE und CINH beziehen sich in der Grafik auf das LCL Parcel. Das CCL dient nur als Hilfe um sich einen schnellen Überblick zu verschaffen ob es grosse Unterschiede zwischen LCL und CCL gibt.
Daneben werden die Parameter und Indices (LCL + CCL) farbig dargestellt und der Kommentar dahinter entfällt dadurch.
Bei den Indices wo der Typ (LCL oder CCL) des Aufsteigenden Luftpaketes (Parcel) nichts mit der Berechnung des Parameters zu tun hat sind der LCL und der CCL Wert identisch.


Folgende Parameter sind neu hinzugekommen:

Sig. Hail Param (SHIP)
Der "Significant Hail Parameter" gibt Auskunft darüber, ob grosser Hagel möglich ist. Bei einem Wert ab 1.0 steigt die Chance für Hagel über "Ping-Pong Ball" Grösse.

http://www.spc.noaa.gov/exper/mesoanaly ... _sigh.html


Effective Shear 6000
Die Windscherung zwischen dem Punkt wo vom Boden ausgehend zum ersten mal 50J/kg an CAPE überschritten werden und 6km darüber.
Wenn in Bodennähe kühlere Luft eingeflossen ist, oder Nachts wenn es in Bodennähe auskühlt entstehen Gewitter oft über der Grundschicht (Elevated) und haben dort andere Windverhältnisse als solche die vom Boden ausgehen. Daher wurde hier die Windscherung zwischen Boden und 6km darüber angepasst dass solche Fälle auch besser mit der Wirklichkeit übereinstimmen.

Bei der Effective Storm Relative Helicity (SRH) wird diesem Umstand auch Rechnung getragen.


Supercell Comp. Param. RM
Der Supercell Composite Parameter für Rechts-Ziehende (Right-Mover) Gewitter.
Es wird dabei die Storm Relative Helicity der mittleren Windrichtung vom Boden bis 6km + 30° genommen für die Berechnung.
Je grösser der Wert, desto wahrscheinlicher sind Superzellen (speziell Right-Mover).

http://www.spc.noaa.gov/exper/mesoanaly ... p_scp.html

Supercell Comp. Param. LM
Der Supercell Composite Parameter für Links-Ziehende (Left-Mover) Gewitter.
Es wird dabei die Storm Relative Helicity der mittleren Windrichtung vom Boden bis 6km - 30° genommen für die Berechnung.
Je grösser der Wert, desto wahrscheinlicher sind Superzellen (speziell Left-Mover).


3km Vorticity Gen. Pot.
Mit dem 3km Vorticity Generation Potential (VGP) lässt sich eine Aussage machen wie gross die Chance für Superzellen ist welche einen Tornado entwickeln.

http://www.spc.noaa.gov/exper/mesoanaly ... _vgp3.html

Als Quelle für die neuen Parameter diente die Seite:
http://www.spc.noaa.gov/exper/mesoanalysis/

Das LFC und das Theta-E Profil wurden entfernt.


Eine Beschreibung zu Soundings gibt es unter:
http://62.202.7.134/skywarn/theorie.aspx

Gruss
Bernhard
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Bernhard Oker
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Interpretation von Soundingwerten

Beitrag von Bernhard Oker »

Aufgrund der Beobachtung dass es bei vielen Schwergewitterlagen eine Föhnströmung über den Alpen gibt habe ich bei den Soundings zwei neue Parameter hinzugefügt.
(siehe Beitrag: http://www.sturmforum.ch/showthread.php?id=2519)
Dies sind "Max. 3km SRH (SFC-2km)" und "Max. 3km SRH Level AGL".

Ich denke dass dieser Wert eine bessere Aussage darüber erlaubt, ob Superzellen auftreten können, da dort nicht nur die 3km Storm Relative Helicity vom Boden aus genommen wird, sondern das Maximum zwischen Boden und 2km Höhe über Boden gesucht wird. Bei den meisten Fällen wo es eine Föhnströmung in Verbindung mit Superzellen gab, herrschten in der untersten Luftschicht nördliche und schwache Winde vor, so dass der 3km SRH Wert vom Boden aus gehend einen zu tiefen Wert anzeigt.

Der AGL Wert ist die Höhe in Meter über Boden wo dieser maximale SRH Wert erreicht wird. Je näher dieser Wert am Boden gemessen wird, desto grösser ist das Tornado Potential. Ein Vergleich zwischen Payerne und den Soundings der Tornado-Alley wird sicher interessant werden.

Gruss Bernhard
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Willi
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Beitrag von Willi »

Hallo

Wegen der Alpen ist der "Jet" der Südströmung bei uns höher als in den USA, nämlich auf 3 km oder noch höher (in den USA: 1.5 km oder so). Dadurch wird natürlich die Scherung in Bodennähe geringer, und damit auch das Tornado-Potential. Ohne Alpen hätten wir bestimmt ein höheres Tornado-Potential.

Gruss Willi
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cyba
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Beitrag von cyba »

Hoi Willi

Nebst der fehlenden Scherung haben die Alpen bezüglich Tornadoentstehung noch diesen Einfluss:
Die in der Schweiz verhältnismässig geringe Zahl und normalerweise geringe Intensität von Tornados ist vermutlich auf die Alpen zurückzuführen. In den USA kann suptropisch warme und feuchte Luft , die eigentliche Tornado-Energie, aus dem Golf von Mexico grossflächig und ungehindert nach Norden vordringen. Der Alpenbogen hingegen stellt, je nach Strömungslage, für nordwärts fliessende feuchtwarme Mittelmeer-luft ein namhaftes Hindernis dar.


Quelle: Meteoschweiz

Grüsse

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Bernhard Oker
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Beitrag von Bernhard Oker »

Hallo cyba

Genau, das ist ein weiterer Faktor der die Tornado Wahrscheinlichkeit beeinflusst.
Tornados entstehen seltener, wenn die Wolkenbasis hoch ist. Die extremen Taupunktwerte die es in den Plains der USA gibt werden in der Schweiz nur in Ausnahmefällen erreicht und wenn doch nicht in einer genügend dicken Luftschicht über Boden.

Wie bei der Berechnung des "Signifikanten Tornado Parameters" zu sehen ist spielen CAPE (Instabilität), Windscherung und die Höhe der Wolkenbasis eine grosse Rolle bei Tornados:
http://www.spc.noaa.gov/exper/mesoanaly ... _stor.html
Hier die PDF's dazu:
http://spc.noaa.gov/publications/thompson/sigtor.pdf
http://spc.noaa.gov/publications/thompson/stp_scp.pdf

In der Schweiz sind tiefe Wolkenbasen oft erst hinter einer Kaltfront anzutreffen. Wenn dann die Sonne wieder richtig einheitzt und etwas CAPE erzeugt sind die Chancen für Tornados erhöht.

Gruss Bernhard
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Beitrag von Severestorms »

Felix Welzenbach hat soeben eine sehr informative Seite über die Interpretation von Soundings / Radiosondenaufstiege fertiggestellt:

http://www.wetteran.de/soundings/grundlagen.html

Gruss Chrigi

PS: Ein weiterer Sturmforums-Thread, der sich mit diesem Thema befasst: http://www.sturmforum.ch/showthread.php?id=2786
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Beitrag von Severestorms »

Hier noch ein guter Thread dazu: http://www.sturmforum.ch/showthread.php?id=1711
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Beitrag von Severestorms »

Ein interessantes Online Schulungsmodul von MetEd zum Thema Skew-T Diagramm: http://meted.ucar.edu/mesoprim/skewt/index.htm
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