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Warnung vor Naturgefahren in der Schweiz wird optimiert

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Chrigu Riggisberg
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Warnung vor Naturgefahren in der Schweiz wird optimiert

Beitrag von Chrigu Riggisberg »

@ Mickey: Guter Text! Danke für diese Überlegungen. Folgendes Zitat finde ich besonders brisant:
...Wie also soll man vor solchen Unwettern warnen wie im Emmental? Und wann?
WIE: Aus meiner Sicht hiflt da nur eines: die Sirenen müssen heulen! Wie in den USA bei einem bevorstehenden Tornado.
WANN: Sobald nach der Radaranalyse klar sein wird, dass ein Unwetter auf einen Ort zuziehen wird (starke Superzelle) oder dass ein Unwetter für längere Zeit stationär bleiben könnte. Dann bleibt zwar keine Zeit mehr, seinen Garten zu schützen. Aber evtl. wird dafür ein Menschenleben gerettet. Es handelt sich also um eine kurzfristige Warnung (15 Min.).

Beim ertönen dieser "Wetter-Sirene" müsste den Leuten bewusst sein, wie sie sich verhalten müssen. Z.B. sich in einem oberen Stockwerk zu verschanzen und ganz sicher nicht mehr nach draussen gehen um zu schauen, wie aus dem friedlichen Rinnsal neben dem Haus plötzlich ein reissender Strom wird. Oder in den Keller gehen um zu schauen, ob das Wasser schon am eindringen ist.

Aus meiner Sicht werden aber auch solche Warnungen nichts nützen. Es gibt sicher immer und immer wieder Leute, die es besser wissen als die Experten. Na, da kann man nichts ändern. Wenigstens wäre dann die Schuldzuweisungsfrage geklärt. Übrigens, was wäre billiger: ein Frühwarnsystem oder bauliche Schutzmassnahmen in den Hochrisikogebieten?

Gruss Chrigu
Riggisberg BE (800 m.ü.M.), zwischen Schwarzenburg und Thun am Fusse des Gurnigels gelegen

Mickey, Berneck, 430
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Warnung vor Naturgefahren in der Schweiz wird optimiert

Beitrag von Mickey, Berneck, 430 »

@Chrigu: Hehe, das von Dir geschriebene mit den Sirenen habe ich mich nicht zu schreiben getraut... hehe, ich habe selbst mit dem Gedanken Mühe, dass wir in solchen Fällen dann wohl die verstaubten Sirenen wohl häufiger brauchen würden, als uns lieb ist. Und doch: Wozu sind sie überhaupt da? Hochwasser ist doch genau eine der vorgesehenen Katastrophen. Und Hochwasser ist nicht nur da, wenn ein betonierter Damm bricht, der Damm kann auch ein Damm aus Wolken sein ;-)

Spass bei Seite: Ein solcher Alarm wäre natürlich ein Stück weit sinnvoll. Nur, wie ich geschrieben habe, wenn man derart rabiat Alarmiert, dann MUSS es auch wirklich eine Katastrophe sein. Aber wer sieht das voraus, wie schlimm es genau wird? Die meisten von uns mögen sich vielleicht noch an den Jahr 2000 Hype erinnern, wie man danach gelächelt hat und weil nix passiert ist, alles heruntergespielt hat. Nur, ich habe mich oft gefragt, was wäre passiert, wenn niemand einen Finger gerührt hätte? Hmmm...

Und genau diese Kernfragen werden wohl heiss diskutiert werden, wenn es um ein Warnsystem zu Unwettern geht. Aber letztlich wird man (die Politik) wohl irgendwas machen (müssen), um das eigene Gewissen (also das der Politiker) zu beruhigen... und nix, was wirklich effizient ist. Aber Effizienz ist in so einem Fall wohl auch nicht so einfach zu definieren. Denn in so einem Fall die Anweisung für einen Sirenenalarm zu geben, das würde schon eine gewisse Kompetenz und vorallem auch Mut brauchen... ich möchte nicht in der Lage sein, sowas entscheiden müssen. Und wenn man einfach mal Alarmiert, dann kann der Schuss wie von mir beschrieben hinten rausgehen. Denn dann, wenn innert weniger Tage ein 2. Mal alarmiert wird, und das erste Mal nix passiert ist, dann werden mit Sicherheit noch mehr Leute einfach sitzen bleiben und nix tun... und wehe, der Alarm ist dann angebracht...

Alles in Allem ist irgendwie jeder für sich selbst verantwortlich. Und das beginnt schon beim Bau eines Hauses. Mich wundert es sowieso, wie gewisse Leute ihren Bauplatz auswählen (können). Da wurde aber mit dem Erstellen des Gefahrenkatasters sicher schon mal wertvolle Arbeit geleistet. Die meisten Leute kümmern sich beim Bodenkauf aber einen Dreck darum, wieviel Sonne es da wann haben wird, wie lärmig es sein könnte und eben, was für Gefahren da lauern (Sturm, Hochwasser, Hagel, etc.). Wenn man ein Auto kauft, dann macht man Dutzende Probefahrten, bestellt haufenweise Prospekte etc. Der Aufwand beim Kauf eines Hauses,bzw. eines Grundstücks für den Hausbau müsste aber 10x grösser sein... ist er das?

Das Bestreben der Menschen nach mehr Sicherheit endet erfahrungsgemäss leider zu oft genau im Gegenteil. Beispiele dafür gibt es genügend: Medizin (Krankheiten), Weltfrieden (USA), ...

Sola, nun muss ich auf die Bremse stehen, ich weiss nicht wieso, aber irgendwie haben sich meine Gedanken grad so leicht in die Tatatur bringen lassen. Das sind meine Gedanken und die erheben keinesfalls den Anspruch auf Richtigkeit. Aber vielleicht trägt es zu dieser Diskussion was bei...
Mickey
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Michi (Neuenkirch)
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Warnung vor Naturgefahren in der Schweiz wird optimiert

Beitrag von Michi (Neuenkirch) »

Hier mal ein Link zu der Online-Gefahrenkarte des Kantons Luzern: Da kann jeder mal schauen ob er im Hochwasser- oder Rutschgefärdeten Gebiet gebaut hat / oder wohnt :O

http://www.geo.lu.ch/map/gefahrenhinweiskarte/

Eine Warnung der Bewohner via Sirene wäre sicher am wirksamsten, Lokal vor Ort kann die Lage am Besten Beurteilt werden. Das Problem wird wohl, wie schnell die Sirenen ausgelöst würden und durch wen ??

Ich war am Freitag beim heftigen Unwetter am Napf vor Menznau (nähe Tuetensee) und wartete dort sicher eine Stunde bis die Sintflut aufhörte. Die Hauptstrasse wurde als ich kam bereits zum Bach und die Polizei war auch unterwegs. Sie hielten beim Hof wo ich den starken Schauer abwartete an und sagten mir noch, dass Wasser auf der Strasse sei (hab ich ja nicht gemerkt) und dass die Feuerwehr alarmiert sei. Spätestens da wäre der Zeitpunkt für Sirenen angebracht gewesen. Etwas später wurde vermutlich die Kantonsstrasse gesperrt, von meinem Standort aus ca. 300m weiter Richtung Menznau war ein weiterer Bach übertreten der sich als wildgewordener Strom einen neuen Weg über die Hauptstrasse suchte (inkl. viel Geröll und Holz) und somit die Durchfahrt völlig verunmöglichte - Alle diese Wassermassen bahnten sich nun einen Weg Richtung Menznau, von da via Daiwil nach Willisau usw. Die lokalen Feuerwehren sind da kommunikativ sicher sehr gefordert, in einem solchen Fall müssen natürlich die bachabwärtsliegenden Orte gewarnt werden. Auch da könnte dann eine Sirene für die Warnung der Bevölkerung sinvoll eingesetzt werden.

Der dort ansässige Bauer hat mir erzählt dass die Bäche in diesem Gebiet vor kurzem noch für viel Geld mit Rückhaltebecken geschützt wurden. Bei diesen gewaltigen Wassermassen die an diesem Abend runterkamen, sind auch das nur kleine Hindernisse - Die Natur ist und bleibt einfach stärker. (Übrigens hat sich der Bauer gar nicht weiter um das Hochwasser rundherum interessiert und ging wieder ins Haus, egal was 5m vor seinem Haus abging ?!?)

Hier noch ein paar Eindrücke (wollte endlich mal die Digicam austesten, bin aber gar nicht richtig dazugekommen)

Unwetter am Napf zwischen Wolhusen und Menznau, Fr. 8.6.07 ca. 23.00 Uhr / hab einen Blitz in der Nähe erwischt
Bild
Tag in der Nacht: (hinten überflutete Wiese, Bach auf der halben Hauptstrasse sichtbar, ausgeleuchtet durch Wolkenblitz)
Bild
Veloweg + halbe Kantonsstrasse als Bach:
Bild
Bach über Hauptstrasse: (weiter hinten unpassierbar)
Bild
Bild
Bild
Standortkoordinaten: 646470 / 213760 / 619 Neuhus, 1.5 Km vor Menznau LU
8.6.07 / Hm

Übrigens war es auch für mich das erste mal dass ich aus einem abgesperrten Gebiet herausgefahren bin... vorbei an den verdutzten Absperrposten :)

Grüsse
Michi - Neuenkirch LU, genau 341° und 14 km nördlich vom Pilatus

mono (Zürich)
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Warnung vor Naturgefahren in der Schweiz wird optimiert

Beitrag von mono (Zürich) »

Die Medien sollen verpflichtet werden, offizielle Warnungen der Fachstellen des Bundes vor drohenden Naturgefahren wie Sturm, Hochwasser und Lawinen unverzüglich zu verbreiten.
die frage ist ja auch, welche medien? die zeiten, als man am tv den deutschschweizer, vielleicht noch einen zerzausten tessiner oder orf 1 oder den welschen über die antenne empfangen konnte, und drs und beromünster das hauptsächliche radioangebot ausmachten, sind ja auch vorbei ... wenn schon müssten ja die kabel / satellitenanbieter overlays über alle kanäle einspielen, sonst bringen warnungen zb am tv/radio nicht sehr viel. ansonsten bleibt wirklich nur sirene oder vielleicht noch sms-spam, wobei auch das letztere zu unsicher ist.

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Andreas -Winterthur-
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Warnung vor Naturgefahren in der Schweiz wird optimiert

Beitrag von Andreas -Winterthur- »

um 21 Uhr sind die meisten Lokalradios auf der automatischen Sendeschiene und das Büro unbemannt. Da wird/kann also niemand die Flashs verlesen.
Lieber Thomas

Da könnten doch dafür eure Hauskanäle (DRS1/3) in die Bresche springen. Anemarie Schweizer im Fankhausgraben hört ja sowieso DRS1 und hat kaum einen SMS Alarm abonniert. Und eben, wie war das jetzt auch mit dem Wetteralarm vom Freitag Abend, das würde mich schon noch wunder nehmen.
“Some people are weather wise, but most are otherwise” Benjamin Franklin

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Silas
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Beitrag von Silas »

@Andreas
Da könnten doch dafür eure Hauskanäle (DRS1/3) in die Bresche springen. Anemarie Schweizer im Fankhausgraben hört ja sowieso DRS1 und hat kaum einen SMS Alarm abonniert.
Auch mit dem SMS Alarm (meinst du den von SF Meteo?) habe ich in den letzten Tagen gemischte Erfahrungen gemacht. Fast jeden Tag habe ich eine Warnung bekommen, abgesehen vom Samstag.
Hier sind immer unbedeutende Niederschlagsmengen gefallen, abgesehen vom Samstag, wo über 30mm in 20min gefallen sind! :(
Ansonsten ist das eine gute Sache, mit dem Wetteralarm!
Gruss Silas
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Mickey, Berneck, 430
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Beitrag von Mickey, Berneck, 430 »

@Silas: genau das selbe Problem habe ich eigentlich auch. Aber genau wenn Du den Wetteralarm auseinanderbeinelst und mal eine Auslegeordnung machst, oder Dich mal in denjenigen versetzst, der diese Wetteralarm generieren muss, dann wirst du merken, was für eine Problematik dahinter steckt. Ich habe ja vor einigen Wochen Wetteralarm auch mal kritisiert. Doch mittlerweile habe ich bemerkt, dass es gar nicht so einfach ist. Gerade auch durch diese Diskussion. Man muss sich einfach im Klaren sein: Hinterher ist man immer schlauer. Du musst nur mal die 60 Gebiete anschauen, in welche die Schweiz da eingeteilt wurde. Eine giftige und kleine Gewitterzelle kann in einem Gebiet Überschwemmungen verursachen, während es 10km daneben sogar trocken ist... ist bei uns im Rheintal mehr als nur einmal passiert und das passiert wohl überall und immer wieder. Gewitter sind einfach ein heisses Eisen, wenn es um Warnungen geht. Und eine "Fehlwarnung" führt halt dazu, dass man unsensibel wird und am Ende gar nicht mehr reagiert auf Warnungen und dann sollte man den Dienst spätestens abbestellen. Das ist ja das schöne an diesem Dienst: Jeder kann selbst bestimmen, ab wann es nervig wird, bzw. ab wann man die Galbwürdigkeit eines Alarms in Frage stellt. Ich habe den Wetteralarm beruflich sowie privat genutzt, bzw. nutze ihn immer noch. Beruflich habe ich die Alarme für ca. 6 Gebiete abonniert und zwar nur auf der hohen Stufe. Dort wo wir Wasserkraftanlagen betreiben, bzw. in deren Einzugsgebiet. Privat habe ich den Alarm auf die niedrigere Stufe eingestellt, da ich so informiert bin über mögliche Gefahren und mich dann allenfalls selbst noch informieren gehe und mir ein Bild der Lage machen kann. So gesehen habe ich den Dienst auf mich persönlich appliziert und bin ganz zufrieden damit!
Mickey
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Silas
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Beitrag von Silas »

@Mickey
Das ist für mich keine Frage, eine Warnung herauszugeben ist wohl immer und für jedermann schwierig. Es kann ja wohl keiner jeden Effekt an jedem kleinen Ort in der Schweiz kennen.
Dasselbe gilt in meinen Augen natürlich auch für Meteocentrale.
Dass die Gewitter z.T. nur kleinräumig Schäden verursachen gerechtfertigt auch die Alarme der anderen Tage.
Beruflich habe ich die Alarme für ca. 6 Gebiete abonniert und zwar nur auf der hohen Stufe.
Wie kannst du nur die hohe Stufe auswählen? Bei mir kann ich zwischen Stufe 1,2 und 3 oder nur 2 und 3 wählen (letzteres habe ich ausgewählt).
Gruss Silas
Wetterstation Oberthal 850 m.ü.M.: http://silas.emmewetter.ch

Matt (Thalwil)

Warnung vor Naturgefahren in der Schweiz wird optimiert

Beitrag von Matt (Thalwil) »

Allegra

Habe mal huschhusch eine kleine Auslegeordnungen zum Thema Naturgefahren und Warnungen gemacht. Hoffe sie kann diese spannende Diskussion in diesem Thread noch weitertreiben. Keine Garantie auf Vollständigkeit... ;-)



Technische und psychologische Aspekte von Naturgefahren und Warnungen


Raumplanung

Seit 1892 hat sich die Bevölkerung in der Schweiz mehr als verdoppelt, von drei auf sieben Millionen. Der Platzbedarf jedes Einzelnen nahm dabei überproportional zu. In den vergangenen Jahrzehnten ist im Flachland und teilweise auch in den Alpen eine starke Expansion der Siedlungsräume zu beobachten (Zersiedelung). Dabei stiess der Mensch auch in Gebiete vor, welche zuvor im Gedächtnis der Menschheit als gefährdet galten (Lawinen, Hochwasser, Erdrutsche). Ausserdem befinden sich wichtige Verkehrswege in stark gefährdeten Gebieten (Alpen). Grosse Personen- und Sachwerte sind einer grösseren Gefährdung ausgesetzt.


Umgang mit Naturgefahren

In den von Naturgefahren besonders betroffenen Gebieten, namentlich den Alpen, hat sich im Laufe der Zeit mittels mündlicher und schriftlicher Überlieferung ein umfangreiches Wissen bezüglich lokaler Naturgefahren entwickelt. So trafen Ereignisse in den letzten Jahren häufig (nicht immer) jene Gemeindeflächen, welche erst in jüngster Zeit besiedelt wurden. Unter Annahme einer Klimaänderung verliert dieses Wissen aus der Vergangenheit an Bedeutung, da sich die System und Prozesse in der Natur verändern.
Beim Risikomanagement besteht bei Personen- und Sachwerten ein diametral unterschiedlicher Ansatz. Bei Sachwerten ist eine Optimierung in finanzieller Hinsicht anzustreben (Kosten für Prävention versus potenzielle Schadenskosten). Bei Personenwerten muss die Minimierung des Risikos angestrebt werden.


Komplexe Prozesse

Gefahren wie Hochwasser, Hangrutsche und Murgänge sind hochkomplizierte Prozesse, welche in den Systemen Atmosphäre, Hydrosphäre, Geologie, Biosphäre und Boden ablaufen. Um ein Ereignis prognostizieren zu können, müssten bestenfalls der aktuelle Zustand des ganzen Systems und die genauen Abläufe bekannt. Eine Modellbildung mit Reduktion und Abstraktion führt zwangsläufig zu einem Qualitätsverlust. Kleinräumige Ereignisse fallen zudem oft durch das Raster von Modellrechnungen und Messnetzen. Eine hohe Qualität der Warnungen in mehreren Prozessbereich kann nur durch intensive Vernetzung der entsprechenden Kompetenzstellen erreicht werden: z. B. der Meteorologe berechnet die Regenmenge, der Hydrologe den entsprechenden Pegel, der Statiker die Standfestigkeit der Schutzbauten und der Geologe die Hanginstabilität.


Zeitliche Aspekte von Ereignissen

Wichtig bei einem Ereignis ist seine Dauer und Intensität. Für eine Warnung zusätzlich die Zeit zwischen dem Feststellen und dem Eintreten. Hier sind die Unterschiede beträchtlich. Eine Hangrutschung im Bereich von Sekunden oder Minuten, ein Gewitterregen mit Hochwasser im Bereich einer Stunde, Hochwasser in mittleren Gewässern im Bereich eines Tages und Hochwasser in den grossen Gewässern im Bereich einer Woche. Ausserdem kommt es zu zeitlichen Überlagerungen mehrerer Ereignisse, was eine Prognose zusätzlich erschwert. Oft wird ein Ereignis nach dem Eintreten als solches erkannt. Grundsätzlich gilt: je kleinräumiger das Ereignis, desto kürzer die Vorwarnzeit.


Die Warnung als Informationsfluss

Die Warnung vor einer Gefahr ist meist eine lange Prozesskette. Es entsteht eine zeitliche Verzögerung und meist auch einen Verlust von Information.
Eine Warnung wird vom Empfänger immer gedeutet. Entscheidend dabei sind sein Vorwissen, seine Erfahrung mit solchen Gefahren, sein emotionaler Zustand und seine Haltung gegenüber dem Verfasser oder Übermittler der Warnung.


Die Verbreitung und Erreichbarkeit

Warnungen können via Massenmedien (Radio, TV, elektronische Medien), via Warnsystem (akustisch, optisch) oder persönlich (Telefon, FAX, SMS) übermittelt werden. Jede der drei Varianten hat ihre Vor- und Nachteile. Besonders die Erreichbarkeit der zu warnenden Personen problematisch. Oft kommt es bei Naturereignissen zu Einschränkungen der Kommunikationsverbindungen. Im Weiteren muss fast immer mit einer zu breiten Streuung (Fehlalarm) gerechnet werden. Ein einziges perfektes System existiert bei den meisten Naturgefahren nicht.


Art der Warnungen

Warnungen werden nach Prozessbereich (z. B. Hagel, Hochwasser, Murgang) erstellt. Dabei kommen meist Intensitätsstufen zum Einsatz, welche sich einerseits an der Physik des Ereignisses messen (Niederschlagssumme, Pegel) oder an den Auswirkungen (Schadenspotenzial). Letztere Methode ist für die Bevölkerung von grösserem Nutzen, jedoch ist die Einschätzung für die Experten auf dieser Skala ungleich schwieriger. Ausserdem ist bei einem Ereignis nicht zweifelsfrei festzustellen ob Sach- und/oder Personenwerte bedroht sind.


Glaubwürdigkeit von Warnungen

Der springende Punkt bei Warnungen ist die Glaubwürdigkeit und das Ansehen jener Organisation, welche die Warnungen verfasst und übermittelt. Die Vorgeschichte und Reputation eines Warnsystems ist entscheidend. (nach wiederholten falschen Brandalarmen wird beim nächsten Alarm niemand mehr das Gebäude verlassen). Fehler sind aus diesen Gründen im Warnwesen verboten, jedoch unvermeidlich: Eine Warnung ist immer eine Prognose eines Ereignisses. Zwei Fehler können dabei auftreten: Fehler erster Art: Eine Warnung wird verbreitet, das Ereignis tritt nicht ein. Fehler zweiter Art: Es wird keine Warnung verbreitet, das Ereignis tritt dennoch ein. Bei jedem Fehlalarm (erster oder zweiter Art) verliert das Warnwesen in den Augen der Bevölkerung an Glaubwürdigkeit, welche nur mit Mühe wieder erarbeitet werden kann.


Weitere Psychologische Aspekte

Es spielt eine grosse Rolle, ob eine Gefahr manifest oder latent ist. Eine Warnung hat eine viel grössere Wirkung, wenn die Gefahr manifest ist. Wenn eine Hochwasserwarnung während intensivem Regen eintrifft, sorgt sie für eine grössere Wirkung, als am Unterlauf des Flusses, wo es allenfalls trocken und sonnig ist.
Bei einer Warnung kommt es darauf an, ob sie Hinweischarakter („Liftstyle-Warnungen“ vor schwachen Gewittern mit Aufforderungen Dachfenster zu schliessen und Storen einzufahren) besitzt, oder aber Verhaltensanweisungen beinhaltet. Anweisungen müssen zwingend in jeweils gleichem Wortlaut von einer im Voraus bekannten und anerkannten Stelle ausgeben werden.

Mat

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Tinu (Männedorf)
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Warnung vor Naturgefahren in der Schweiz wird optimiert

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

Original von Chrigu Riggisberg
WIE: Aus meiner Sicht hiflt da nur eines: die Sirenen müssen heulen! Wie in den USA bei einem bevorstehenden Tornado.
Die Idee mag theoretisch ganz nett sein. In der Praxis wäre sie aber wohl nur sehr, sehr schwer einführbar. Man kann die Schweiz bsp. nicht mit der Tornado-Alley vergleichen. Dort gibt es ein über Jahrzehnte gewachsenes Bewusstsein für die Gefahr, die vom Wetter ausgehen kann. Die Bevölkerung ist stark sensibilisiert und jedes Kind weiss, dass mit einem Tonado und entsprechend auch mit einer Tornado-Warnung nicht zu spaßen ist.

In der Schweiz rufen heulende Sirenen primär folgende Assoziationen bei der Bevölkerung hervor:

1. Probealarm
2. Probealarm
3. Fehlalarm
4. Dammbruch
5. Brand
..
112. Atomkrieg

Es bräuchte Jahrzehnte, um die Schweizer Bevölkerung so zu sensibilisieren, dass sie auf wetterbedingten Sirenen-Alarm richtig reagieren würde. Sirenengeheul befördert im historisch gewachsenen Bewusstsein der Schweizer einfach einen anderen Gefahrentyp hervor. Es bräuchte eine gewisse Regelmässigkeit und Beständigkeit, um die Leute darauf zu "eichen". Hier folgt dann das nächste Problem: Anders als in der Tornado-Alley kommen wirklich schwere, "typische" Unwetterlagen, die Leib und Leben gefährden können, in der Schweiz vergleichbar selten vor.

Sinnvoll wäre Sirenengeheul vor drohenden Unwettern höchstens in jenen Regionen, in denen die Bevölkerung zwangsläufig bereits mit den Gewalten der Natur leben muss (Alpen).

Am Ende steht wieder einmal der alte Grundsatz, dass man auch durch ein noch so durchdachtes Warnverhalten nicht immer alle erreichen und somit vor drohenden Gefahren bewahren kann. Unwetter werden vereinzelt immer Schäden verursachen und sogar Opfer fordern. Man sollte stets abwägen, welche Wirkung eine Massnahme auf die gesamte Bevölkerung hat. Einzelne – wenn auch tragische – Ereignisse haben sich in der Vergangenheit stets als schlechte Grundlage für "globale" Beschlüsse erwiesen. Auch sollte man erwähnen, dass die Zahl der Unwetter-Opfer pro Jahr in der Schweiz im Verhältnis zu anderen Ländern sehr gering ist.
- Editiert von Tinu (Männedorf) am 13.06.2007, 16:43 -
Tinu (Männedorf ZH, 422 m ü. M)
Gewitter und Sturm = erhöhter Pulsschlag
Föhn-fasziniert

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