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Zum Schlauchbootunfall der Armee auf der Kander

Erdbeben, Kameras, Forumkritik usw.
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Andreas -Winterthur-
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Zum Schlauchbootunfall der Armee auf der Kander

Beitrag von Andreas -Winterthur- »

Hallo

Komme relativ geschockt von einem Ausflug ins Berner Oberland zurück. Habe vorher auf dem Zug via Handy-News vom Unglück erfahren. Wir waren heute Abend nur wenige Kilometer von der Unglückstelle entfernt in einem Restaurant in der Nähe der Kandermündung am Nachtessen. Ein Superpuma und später auch eine Alouette III waren während Stunden am Kreisen, und wir schüttelten (nichtswissend) die Köpfe über solch eine Übung wegen ein paar Oberländer Fanzonen...

Ich kenne die untere Kander sehr gut vom ehemaligen Kajaktraining und aus meiner Zeit als Rafting Guide (aber schon dort sind wir nie mit Kunden auf die Kander, ist zu gefährlich). Offenbar ereignete sich aber das Unglück weiter oben bei Bad Heustrich; ein Abschnitt der, soweit ich weiss, auch von Profis nicht befahren wird. Dies besonders wegen den Fluss-Schwellen mit den lebensgefährlichen Wasserwalzen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen was die dort gemacht haben, und dann erst noch mit absolut ungeeigneten Pontonier-Schlauchbooten. Noch eine Bemerkung zum Wasserstand: Hochwasser hat es wahrscheinlich nicht gehabt (im Gegensatz zu diversen Bächen und Flüssen auf der Reise ins Oberland welche heute Vormittag immer noch braun daher kamen). Niedrigwasser war das aber sicher auch nicht (da hätte man nämlich noch eine Chance durchzukommen).

Musste das angesichts der Ereignisse loswerden. Schrecklich.

Gruss Andreas

PS: Schon jetzt ist ganz sicher klar, dass diese Tour absolut unverantwortlich war, ich hoffe die Verantwortlichen stehen dazu und versuchen sich nicht wie sonst beim Militär üblich, aus der Verantwortung zu stehlen. Die Ausführungen von Daniel Chézière im 10vor10 sind in diesem Fall 100 Pro richtig: «Das ist wie wenn Sie mit 80 km/h gegen eine Wand fahren»

http://www.20min.ch/news/schweiz/story/28030196
- Editiert von Andreas -Winterthur- am 12.06.2008, 23:16 -
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Uwe/Eschlikon
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Zum Schlauchbootunfall der Armee auf der Kander

Beitrag von Uwe/Eschlikon »

Hallo Andreas

Ich bin zwar kein River-Rafter oder Kajakfahrer, käme jedoch nie aus freien Stücken auf die Idee, einen Fluss zu befahrern, den ich nicht kenne.
Die Ausführungen von Daniel Chézière im 10vor10 sind in diesem Fall 100 Pro richtig: «Das ist wie wenn Sie mit 80 km/h gegen eine Wand fahren»
Den Vergleich bzw. die Aussage, dass es sein soll, wie wenn man mit 80km/h gegen eine Wand fährt, ist so unlogisch wie stümperhaft.
Erstens kann man ein Ereignis nie mit einem Ereignis völlig anderer Art vergleichen, und zweitens bringt so ein Vergleich auch keine Klärung der Umstände. Und in diesem Fall auch kein Vergleich mit dem Umfallhergang und auch keinen mit dem Tod der beteiligten Menschen!

Es muss wohl eine Mischung aus Unwissenheit und Selbstüberschätzung sein, wie ich es mir, als Bergsteiger, gut vorstellen kann. Denn in den Bergen verunfallen jedes Jahr Dutzende von Menschen, weil sie sich und ihre Situation überschätzen, falsch einschätzen oder weil sie überfordert sind. Das betrifft Profis und Laien! Manchmal braucht es auch Mut, NEIN sagen zu können. Nein, dass machen wir nicht, oder, nein, wir kehren um! Das war auch beim Lawinenunglück an der Jungfrau nicht anders. Lieber einmal mehr umkehren als das Risiko heraus zu fordern. Aber wie es so ist, jeder will sich beweisen, gerade im Team oder auch in einer Gruppe, wie in der Armee, da ist das sehr ausgeprägt. Zweifler werden manchmal sogar ausgespottet. Es kann 9x gut gehen, aber beim 10x ....?

Uwe


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Andreas -Winterthur-
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Zum Schlauchbootunfall der Armee auf der Kander

Beitrag von Andreas -Winterthur- »

Halle Uwe
Off Topic
Den Vergleich bzw. die Aussage, dass es sein soll, wie wenn man mit 80km/h gegen eine Wand fährt, ist so unlogisch wie stümperhaft.
Ist sehr pointiert und treffend, diese Aussage von D. Chézière. Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass es sich bei diesem Unternehmen um nichts anderes als ein Selbstmordkommando handelte. Das hatte wahrscheinlich auch nichts mit Selbstüberschätzung zu tun. Entweder waren die Entscheidungsträger von allen guten Geistern verlassen, oder es gab irgendein (schreckliches) Missverständnis in der Befehlskette (falsche Lokalität z.B.).

Jeder Kajakanfänger weiss, dass man solche Wehre nicht befahren darf. Auf der Bildstrecke von 20Min kann man sich den Unfallhergang anhand des im Wehr verbliebenen Schlauchboots übrigens in etwa ausmalen. -Boot fährt über das Wehr, -kommt nicht über das Widerwasser heraus, driftet mit dem oberflächennahen Widerwasser zurück zum Wehr und stellt sich quer, -kippt und füllt sich mit Wasser. Den Rest kann man sich selber vorstellen, es müssen schreckliche und lange Minuten gewesen sein.

Gruss Andreas
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Uwe/Eschlikon
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Zum Schlauchbootunfall der Armee auf der Kander

Beitrag von Uwe/Eschlikon »

Hallo Andreas

Also wer mit 80km/h in eine Wand fährt, ist sich bewusst, wie das endet. Wer aber aus Unwissenheit oder Selbstüberschätzung in ein Boot steigt und einen Fluss herunter fahren möchte, jedoch nicht in jedem Fall. Darum ist der Vergleich für mich total absurd. Ist so, wie wenn eine Gruppe Skifahrer in einen Lawinenhang fährt.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die betroffenen Soldaten (Offiziere und Unteroffiziere) der wirklichen Gefahr bewusst waren, da sich bestimmt kein Profi in Sachen River-Rafting/Kajakfahren unter ihnen befand (meine persönl. Einschätzung).

Gemäss Aussagen der Armeespitze hielten die betreffenden Angehörigen der Armee eine Teambildungsübung ab, und sie sind wahrscheinlich von sich aus auf die Idee gekommen, diese Übung abzuhalten. Also wahrscheinlich kein Befehl. Unwissenheit, die fatal endete? Für mich wäre es logisch, so wie sich das Unglück abspielte.
Bald wissen wir mehr...

Uwe
- Editiert von Uwe/Eschlikon am 13.06.2008, 12:21 -

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Andreas -Winterthur-
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Zum Schlauchbootunfall der Armee auf der Kander

Beitrag von Andreas -Winterthur- »

Interessanter Beitrag zur Befahrbarkeit der Kander:

http://www.nzz.ch/nachrichten/schweiz/k ... 58330.html

Im Interview mit einem Armee-Chef (Korpskdt.), vorher auf DRS-1 ausgestrahlt, meinte dieser:
Vielleicht gab es Fehler in der Risikobeurteilung bei der Teambildungsveranstaltung
Ich vermute, dass die Fahrt gar nie rekognostiziert wurde. Einfach unvorstellbar, auch angesichts der Tatsache, dass heute jedes Kindergartenreisli rekognostiziert wird...

Gruss Andreas
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cyba
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Zum Schlauchbootunfall der Armee auf der Kander

Beitrag von cyba »

Der Vergleich "wie wenn man mit 80km/h gegen eine Wand fährt" entbehrt jeglicher Logik.

Aber das ist nicht der Punkt. Das Problem ist dann gegeben, wenn sich Kaderleute überschätzen. Es kommt immer wieder vor, dass sich in einem KVK (Kadervorkurs) bei gewissen Übungen eine schwer kontrollierbare Eigendynamik entwickelt. Selbstüberschätzung/fehlerhafte Lagebeurteilung und Gruppenmechanismen spielen dabei eine wichtige Rolle.

Spekulation: Kp Kdt hatte bei der Planung der Übung zu viele Freiheiten und wurde nicht kontrolliert.

Grüsse

Christian Schlieren
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Zum Schlauchbootunfall der Armee auf der Kander

Beitrag von Christian Schlieren »

Also wen man die Bilder Anschaut bin ich auch der Meinung das das ein pures Selbstmord Kommando wahr.
Wahrscheindlich währe es ein Wunder Gewesen wenn man da Heil Durchgekommen währe :T
Mich dünkts auch das die Kander doch Recht viel Wasser führt :(

Gruss
Christian Schlieren bei Zürich 393 M.ü.M


Marco (Bettlach)

Zum Schlauchbootunfall der Armee auf der Kander

Beitrag von Marco (Bettlach) »

Grundsätzlich ist die Darstellung vom 10vor10-Experten in Orndnung. Es sagte wortwörtlich:
Sie fahren ja auch nicht mit 80 km/h in eine Mauer.
Damit meinte er die Unverhältnismässigkeit der Armee, möglicherweise einen Fluss zu befahren, der als gefährlich gilt.

Als Kajakfahrer habe ich schon einmal auf auf einem künstlichen Kanal in Hünigen erlebt, wo einer ebenfalls in einer Walze steckenblieb. Die Schwimmweste auszuziehen ist also vollkommen richtig und hilft, sofern man den Wasserstrom unter der Walze findet.

Ist die Kander in diesem Teil als WW kategorisiert? Meiner Meinung nach würde dies als WW V oder WW VI eingestuft, wobei aber immer ein bisschen überschätzt wird, vorallem bei der Beschreibung.
Wildwasser V: äusserst schwierig
Charakterisierung:
- extremes Gefälle bei grosser Wasserwucht
- extreme und anhaltende Schwälle
- hohe Stufen
- enge Verblockung mit engen, unübersichtlichen Durchfahrten und mit schwierigen Ein- und Ausfahrten
- Katarakte
- Erkundung vor der Befahrung unerlässlich

Voraussetzungen:
- lange WW-Erfahrung bis WW IV
- Erfahrung mit Bergungsmassnahmen unter erschwerten
Bedingungen

Ausrüstung:

- evtl. verstärkte Boote
- Rettungsgeräte

Beispiele:

- Inn: Brailschlucht
- Lonza: Riederschnellen
- Lütschine: Blockstrecke ob Wilderswil
- Editiert von Marco (Bettlach) am 13.06.2008, 18:36 -

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Andreas -Winterthur-
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Beitrag von Andreas -Winterthur- »

Auszug aus dem DKV (Deutscher Kanuverband) Auslandführer für die Kander in der Umgebung des Unglücksort:

...
Bis Emdthal zahlreiche Stufen unterschiedlicher Höhe. Bei günstigem Wasserstand können 9 dieser Stufen befahren werden, 2 sind unfahrbar. Bei höherem Wasserstand lebensgefährlicher Rücklauf! Wegen dieser Stufen scheint es fraglich, ob eine Befahrung der Strecke bis km 45 (Zusammenfluss mit der Simme unterhalb Wimmis) zu empfehlen ist.

...
km 35 Emdthal (oberhalb Bad Heustrich, dem vermutlichen Einwasserungsort der Boote):

Für die nächsten 10 km liegt ein Befahrungsbericht nicht vor, es scheint jedoch mit den Stufen wie gehabt weiterzugehen.


Auszug aus der Beschreibung der Kander aus Schweizer Flussführer des Kanu Klub Bern:

...

Da die Kander oberhalb der Einmündung der Simme durch gefährliche Wehre
stark verbaut ist und dort zudem oft zuviel Wasser abgeleitet wird, erfolgt der
Start einer Befahrung der Kanderschlucht üblicherweise auf der Simme unter-
halb dem Stausee von Wimmis. Beide Flüsse werden deshalb für diesen
Abschnitt gemeinsam beschrieben
...

Gruss Andreas
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Andreas -Winterthur-
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Beitrag von Andreas -Winterthur- »

Interessant wie sich die Geschichte entwickelt:

http://www.blick.ch/news/schweiz/bern/e ... erum-93168

Der Kp Kdt war Präsident der sogenannten Swiss Army Group. Der Internet-Site ist aus verständlichen Gründen gesperrt, danke Google (Cache-Suche) findet man doch ein paar Hinweise, was für ein Grüppli das (wohl gewesen) ist, das Banner sagt schon vieles aus:


Bild

Falls diese Aussage (aus dem Blick-Artikel) stimmt:
Bereits zehn Tage vor dem Schlauchboot-Drama organisiert der «Anti-Rambo» eine ähnlich gefährliche Aktion in Wimmis.
Und diese aus dem neusten 20Min.ch online Bericht:
Zu Medienberichten, wonach der Kompaniekommandant der Swiss Army Group angehöre (20 Minuten Online berichtete), sagte Knutti, er orte in diesem Zusammenhang keine Auswirkungen auf die Übung. Die Gruppe betreibe seriöse Weiterbildung.
... kann man sich ja auf ein veritables Schmierentheater der Armee-Verantwortlichen gefasst machen.

Mein vorläufiges Fazit:

Soweit muss es also kommen, wenn ein Zürcher Unterländer Unternehmensberater auf einem Berner Oberländer Wildfluss mit seinen Mannen Teambildung spielt.

Was mich erstaunt, dass scheinbar niemand der Besatzung aus dem Unternehmen ausgestiegen ist. Der Mann muss ein wahrer *Kommunikationsprofi* gewesen sein (*so schimpft man ja heutzutage Grossmäuler*).

Gruss Andreas
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