Hallo zusammen
Kurzer Chasingbericht von gestern:
Um die Mittagszeit habe ich mir 'mal alle Karten angeschaut und konnte mich nicht entscheiden. Denn die extrem hohen CAPE-Werte südlich von Mailand und die feuchte Südwestströmung, die dahin floss waren vielversprechend und ich vermutete eine schöne Auslöse mit hoher Blitzrate (was dann am Abend auch geschah).
Als Alternative nahm ich den südwestlichen Teil des Jura's in's Visier, doch die explodierende Zelle bei Porrentruy (meteocentral gab um ca. 14:00 Uhr violett), welche blitzaktiv war und diese Region ein sehr hohes CAPE hatte, konnte ich nicht innert nützlicher Frist erreichen - und später wird in dieser Gegend nicht mehr viel los sein, dachte ich.
Dann postete Marco ein Webcam-Bild der soeben entstandenen BO-Zelle, die aus Südwest über Thun nach Luzern unterwegs war. Sie war blitzintensiv und hatte extremen Niederschlag. Da Luzern-Stadt, die Region nordöstlich des Zugersees, der Bachtel und die Region um Gais hohe Surface CAPE's hatten und die lokalen Konvergenzwerte in den Regionen Luzern und vorallem Zug auch gut waren, entschloss ich mich dort die BO-Zelle abzufangen.
Als ich aber auf dem Seedamm bei Pfäffikon SZ ankam (ca. 17 00 Uhr) sah ich zwei, drei tiefliegende Fracti, ansonsten Altocumulus und unterbrochene Kondensstreifen der Flugzeuge (was für mich kein gutes Zeichen ist). Hmmm. Wo ist die BO-Zelle? Sie war ja langsam. Ich nahm an, hinter dem Hirzel, für uns (meine Begleiterin und ich) nicht sichtbar. Obwohl ich Ralph (meinem Nowcaster) eine Hagelzelle über dem oberen Zürichsee mit Core Männedorf voraussagte, standen wir um 18 00 Uhr auf einem Spotterplatz oberhalb des Zugersees mit Blick in die Voralpen und ausser einer Art Restbewölkung über uns war da nix mehr

. Ein wolkenloses Band zog sich über das Seeland (im Thread von jmd. erwähnt), mässiger Südwestwind... volle Sonneneinstrahlung... ob dies reichen wird?
Dann geschah etwas, was ich in meinen Chasingjahren so noch nie erlebte: Am Südhang unseres Standortes verfärbte sich alles bläulich von der Luftfeuchtigkeit. Der Takt stieg binnen Minuten um fast 3° Grad Celsius. Genau über unseren Köpfen entwickelte sich rasant die von Bernhard um 18 28 Uhr im Thread erwähnte TCu. Senkrecht über uns wurde es schlagartig grau und dann schwarz. Outflowböen setzten ein. Die typischen Wolkenstrukturen und -farben kurz vor der Entstehung elektrischer Aktivität waren zu sehen. Dann der erste Blitz. Wir fuhren auf eine Anhöhe und ich konnte einige phantastische CG's filmen / sehen. Die Geburt einer Zelle aus nächster Nähe ist sehr eindrücklich

.
Die Zelle baute nach Südwesten an, schoss in die Höhe und rauschte in Richtung Thurgau / St. Gallen ab, wobei bald im Ambossbereich Zerfallserscheinungen sichtbar waren und sie um 20:19 auf der Südostseite deutliche Mammati aufwies (die Christian Matthys im Thread auch beschrieb).
Mein Gefühl sagte mir, dass da noch ein Nachschlag unterwegs ist. Wir positionierten uns in Rothenburg bei Luzern, bewunderten den phantastischen Sonnenuntergang und Ralph bestätigte meinen Verdacht: "Da geht gleich was hoch, südwestlich von Dir".
Nach Sonnenuntergang fuhren wir in Richtung Sursee und plötzlich, wie aus dem Nichts erhellte ein riesiger Blitz den gesamten Himmel. Sehr kräftige Outflowböen stimmten mich optimistisch und meine Intuition sagte mir, dass ich mich weiter Nordwestlich bei Aarau positionieren sollte. Der Takt-Anstieg gab mir recht und fast zeitgleich mit unserer Positionierung bei einem Waldstück schlugen in der Distanz von knapp 1 km einige CG's ein (die offenbar Crosley aus grösserer Entfernung von der anderen Seite her fotografierte). Leider war die Blitzrate tief und die Zelle starb schnell. Wir jagten noch eine Schwesterzelle, die sich nördlich bildete und bei Schaffhausen kurz auflebte, doch sie war uneinholbar. Als der Nordostwind einsetzte, brach ich das Chasing ab.
Gruss Cyrill
Bilder und Video folgen später..