In den letzten Tagen und Wochen war es sehr ruhig im Forum. Ich denke mal das hängt vor allem damit zusammen, dass der Sommer mit seinen Gewitterlagen eben für die Meisten hier einfach die spannendste Zeit darstellt. Dafür habe ich auch Verständnis, schliesslich sind Gewitter mit all ihren Begleiterscheinungen faszinierend und unheimlich zugleich.
Dennoch findet das Wetter auch im Herbst statt. In den nächsten Tagen braut sich sogar eine sehr spannende Wetterlage über dem Nordatlantik zusammen. Würde man die Zeit zurückdrehen und würde sich diese Wetterentwicklung im Juli oder August abspielen, so bin ich mir sicher, dass hier im Forum bereits eine freudig-schaurige Vorfreude herrschte (mit reger Beteiligung...). Die sich anbahnende Konstellation wäre in den Sommermonaten nämlich ein Garant für eine zünftige Schwergewitterlage!
Zunächst mal ein Blick auf die Situation, wie sie sich heute darstellt (GFS). Während der Alpenraum über einem schwachen Keil liegt, braut sich westlich über dem Atlantik bereits der Grund für unseren Wetterumschwung am kommenden Dienstag zusammen. Auf der 500hpa-Karte lässt sich südlich von Grönland ein Tiefdruckgebiet ausmachen. Das Tief bewegt sich eindrücklich genau im Grenzgebiet zwischen polarer und subtropischer Luft und verfügt dadurch praktisch über unbegrenzten Nachschub an Energie. Er wird in den nächsten Stunden komplett in die nordhemisphärische Zirkulation eingegliedert werden.

Am Sonntag taucht das System als veritables herbstliches Sturmtief vor den britischen Inseln auf. Die Zyklogenese ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen, das Bodentief liegt immer noch vor dem Höhentief.

Das Sturmtief advehiert auf seiner Vorderseite im grossen Stil subtropische Luftmassen. Die Warmluftadvektion (WLA), also das Heranführen warmer Luft aus Südwesten in grosser Höhe, wirkt sich sehr direkt auf den europäischen Kontinent aus. Das Sturmtief stützt durch seine massive WLA nämlich einen riesigen Höhenkeil, der sich von Spanien bis nach Südskandinavien schiebt. Am Montag sorgt das Sturmtief dadurch in fast ganz Kontinentaleuropa für warmes Herbstwetter mit Temperaturen um 20 °C im Alpenraum.
Man beachte bei der GFS-Karte für Montag den massiven Höhenkeil!

Am Dienstag schiebt sich dann die vom Sturmtief ausgehende Kaltfront über den Kontinent. Das Sturmtief hat mittlerweile Skandinavien erreicht. Während auf der Vorderseite immer noch subtropische Luft herangeführt wird, stösst rückseitig jetzt sehr kalte Luft polaren Ursprungs von Grönland her südwärts. Das sorgt für beachtliche Luftmassen-Gegensätze:

Die Kaltfront wird die Schweiz voraussichtlich in den Mittagsstunden erreichen (gemäss den aktuellen GFS-Karten sogar erst am Dienstagabend). An dieser Stelle möchte ich den Bogen zum eingangs erwähnten Sommerszenario spannen. Wir haben bei dieser Lage im Prinzip viele Grundvoraussetzungen, bei denen im Hochsommer sämtliche Warnlampen blinken würden: Eine deutlich ausgeprägte Kaltfront, die aus westlich-nordwestlicher Richtung zum Alpenraum vorstösst, sehr ausgeprägte Luftmassengegensätze auf relativ kleinem Raum und eine "ideale" Tageszeit. Im Hochsommer könnte man also am kommenden Dienstag von einer potenziellen Schwergewitterlage allererster Güte ausgehen.

Aber eben: Es ist nicht Juli, sondern Oktober. So kann man dem ganzen mit ruhigerem Puls entgegenfiebern. Die KF wird bei uns wohl kaum für unwetterträchtige Wettererscheinungen sorgen. Aber auch ohne Blitz und Donner bleibt diese Lage synoptisch äusserst interessant und bemerkenswert. Es es bleibt die Erkenntnis, dass das Wetter eben auch im Herbst stattfindet...
Augenzwinkernde Grüsse vom Tinu
- Editiert von Tinu (Männedorf) am 18.10.2008, 12:41 -



