Hallo zusammen
Chasingbericht vom 22.04.2011, abends, Bodenseezelle:
So ein genialer Saisonauftakt habe ich selten erlebt; so früh glaube ich noch gar nie. Ein Chasing an einem Karfreitag, mit Bilderbuchzelle, wunderschönen CG's in wenigen Kilometern Entfernung, wobei diese uns so blendeten, dass wir die Augen schliessen mussten - gleissend hell! Dann Core-Punch bei Ravensburg, kurz vor 22 00 Uhr und ein Naheinschlag rd. 500 Meter entfernt - und dies alles quasi im "Blindflug", auf Sicht gechased, ohne Radar und Internet, nach meiner alten Chasingmethode.....- einfach der Hammer! Dies noch bei der sehr schwer einschätzbaren Lage, ohne Frontensystem und nix. Ich bin mehr als zufrieden
Kurz der Reihe nach:
In meiner Mittelfrist-Prognose vom 13.04.11 erwähnte ich steigendes Gewitterrisiko am/ab 20.04.11.
http://www.sturmforum.ch/viewtopic.php?f=2&t=7486
In den folgenden GFS-Läufen sah es wirklich toll aus und ich rechnete am 19.04.11 für den 20.04.11, 18z, "Im Vorarlberg und im Allgäu ....mit vereinzelten, orografisch unterstützten gewittrigen Niederschlägen....." Doch GFS ruderte zurück; auch für den 21.04.11.
http://www.sturmforum.ch/viewtopic.php? ... 9&start=10
Am 21.04.11 wunderte ich mich über den sich verstärkenden Tiefausläufer nach Osten - den ich bereits erwähnte - von 1016 hPa auf 1008 hPa -, welcher von der Lage her fast unverändert sich über Süddeutschland befand.
Der Föhnkorridor war mir klar; aber als ich die Windkarten sah und vorallem die Änderung der Strömung ab 22.04.11, 00z, erinnerte ich mich an das schwere Hagelunwetter aus SSO am 29.05.2008 und las den Thread im Forum.
Obwohl nicht vergleichbar, sah ich durch die SSO-/SO-Strömung eine kleine Chance und wunderte mich nicht, als ich auf Donnerradar im Allgäu (am 22.04.11) gg. 18 00 Uhr MESZ die ersten NS-Signale sah, bzw. auf Sat24 den kleinen "Pfupf" (roter Kreis), der so mutterseelen alleine wie ein Pilz hochschoss:

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Auf dem Weg zu Roland Morgenthaler, den ich zu einem Spontanchasing einlud, sah (von Frauenfeld aus gesehen) die Zelle sehr gesund aus:
An der Südostflanke sah man teilweise einige Mammatus (rascher Abbau), doch die Nordwestseite, in Zugrichtung, schossen immer wieder neue kräftige Türme hoch. Wie auf dem Foto von 19 30 Uhr MESZ, erkennt man auch auf Sat24 eine entstehende Sekundärzelle im Südosten, welche von der angefeuchteten Grundschicht durch NS der Primärzelle profitierte.
Auch in dieser Blitzkarte sind die beiden Zellen gut zu unterscheiden:
Um ca. 20 20 Uhr MESZ präsentierte sich die Zelle von Konstanz aus gesehen sehr imposant; erste Blitze waren sichtbar:
Um 21 15 Uhr waren wir in Meersburg, als die erste Zelle (zu weit nördlich von uns) rasch abbaute und um ca. 21 50 Uhr in Ravensburg, wo wir die inzwischen verstärkte Sekundärzelle noch erwischten. Bereits 7-10 MInuten später war Schluss.
Generell interessant waren die konvektiven Intervalle. D.h. auf der Vorderseite entstanden immer wieder Gewittertürme, die man im Schein der CC's erkennen konnte. Dann folgten während wenigen Minuten kräftige CG's, z.T. gleissend hell. Dann war wieder Ruhe, tiefe, dunkle Nacht für 10-15 Min., bis das "Spielchen" von neuem losging.
Da es sich hier weder um ein Front-, noch um ein Wärmegewitter handelte, weder eine eindeutige Konvergenz, noch ein Aufgleitprozess als Ursache genannt werden kann; indes im umliegenden Gebiet eine starke Inversion vorhanden war, also so gesehen dieses Gewitter eigentlich eine Ausnahmesituation darstellt, käme ich in Erklärungsnotstand, wenn ich nach den Entstehungsursachen befragt würde.
Meine Vermutung geht in etwa in diese Richtung:
Die Strömungen des Bodentiefs über Süddeutschland und dem Hoch über Norditalien sind gegenläufig. Etwa auf halber Strecke der gedachten Linie (rot) zwischen der Talsohle des Tiefs und dem Kamm des Hochs, entsteht eine Scherungsvorticity (blauer Kreis). Diese schraubenförmige Auftriebsenergie unterstützt die konvektive Energie, welche sich in der Gegend, umringt von Bergen, wie in einem Kessel angesammelt hat. Durch das steuernde Hoch wird Feuchtigkeit advehiert (begünstigend). Durch den Rückzug der Tiefdruckrinne, bzw. dessen Abschwächung, entsteht ein Druckanstieg aus SO (rel. Richtung durch rosa Pfeil angezeigt).
Infolge der Scherungsvorticity wird feuchte Luft aus Ost, bzw. Ostnordost herangeführt, genau über den von der sommerlichen Sonne aufgeheizten Bodensee, was die Vertikalbewegung verstärkt. Diese Luft trifft auf die nordöstliche Grenze des Föhnkorridors, wobei eine Art Mini-Dryline entsteht. Entlang dieser Linie triggern die Zellen, im Fall von gestern in Richtung WNW (war deutlich zu sehen), mit der Zugrichtung NW / NNW.
Vielleicht hat hier noch eine Art Lakeeffekt mitgespielt, was die Verstärkung im Uferbereich bei Bregenz und Lindau, sowie im angrenzenden Gebiet, aber auch die rasche Abschwächung der Zellen gegen NW hin erklären dürfte.
Diese Erklärung ist spekulativ, z.Z. aber die einzige, welche mir plausibel erscheint.
Gruss Cyrill