Seite 1 von 2

Einfluss des Klimawandels auf die Alpengletscher

Verfasst: So 28. Nov 2004, 19:34
von Michael (Dietikon)
Der Aletschgletscher

Bild

Links: Grosser Aletschgletscher auf einer Fotografie um 1856
Rechts: Grosser Aletschgletscher im Jahr 1996

Gletscher sind die besten Indikatoren für den Klimawandel in der Natur, da sie nicht auf kurzfristige Klimaschwankungen reagieren. Der Aletschgletscher beispielsweise reagiert auf Änderungen im Klimasystem, die innerhalb der letzten 100 Jahren stattgefunden haben. Schwankungen die in einem kürzeren Zeitrahmen stattfinden, werden gefiltert.

Das folgende Modell zeigt, welcher Massenverlust der Gletscher in diesem Jahrhundert zu erwarten ist. Im Moment scheint es so, dass die Gletscher sogar noch schneller abschmelzen, als bisher vermutet wurde.

Bild

Bild

Bild

Bild

Bild

Berechnungen von Dr. Max Maisch, Geografisches Institut, Universität Zürich

Der Rhonegletscher

Bild

Der Rhonegletscher befindet sich 1856 noch im Vorstoss. Das zeigt sich sehr schön an seiner aufgewölbten Zunge. Diese Aufwölbung entsteht durch starke Diffluenz im Ablationsgebiet (Zehrgebiet).

Rhonegletscher 1870

Der Rhonegletscher im Jahr 1870 zieht sich bereits wieder langsam zurück. Die Zungenform ist aber noch deutlich vorhanden. Die Zunge ist jedoch deutlich flacher, die Diffluenz folglich geringer. Der Massendurchfluss hat also bereits deutlich abgenommen.

Bild

Der Rhonegletscher im Jahr 1932 zieht sich nun rasch zurück. Die Zungenform an seiner Stirn ist verschwunden.

Bild

Der Rhonegletscher im Jahr 1998. Das Klima hat sich seit seinem Vorstoss im Jahre 1856 um gut 1°C erwärmt.

Fast alle Gletscher auf der Welt ziehen sich zurück. Nur ganz wenige stossen noch vor, v. a. in Regionen mit hohen Gebirgszügen und einer deutlichen Niederschlagszunahme (z. B. in den Anden).

Für eine positive Massenbilanz im Alpenraum wären kühle, niederschlagsreiche Sommer notwendig. Diese verhindern durch die Schneeauflage, dass das Gletschereis schmelzen kann, da die Albedo stark erhöht wird und der Schnee wie ein Isolator wirkt. Der Trend zeigt jedoch in eine andere Richtung. Die Sommer werden immer wärmer und trockener.

Freundliche Grüsse,

Michael

Einfluss des Klimawandels auf die Alpengletscher

Verfasst: So 28. Nov 2004, 20:26
von Alfred
@Michael, sali

Was hat dafür gesorgt, dass z.B. der Aletschgletscher schon einmal kürzer war
als zum jetzigen Zeitpunkt? Das waren doch auch Klimaänderungen und sehr wahr-
scheinlich ohne menschliches Zutun. Kann man feststellen, oder weiss man, wie
gross diese Zyklen und der Temperaturverlauf in früheren Jahrhunderten waren?

Viele Grüsse Alfred
[hr]

Einfluss des Klimawandels auf die Alpengletscher

Verfasst: Mo 29. Nov 2004, 13:06
von Michael (Dietikon)
@Moderatoren: Kann man den Thread ins Board "Allgemeines" verschieden. Dort wäre er inzwischen besser plaziert.

Hoi Alfred

Die Klimaänderung in den letzten 10000 Jahren (Holozän, Postglazial) wurden wahrscheinlich in erster Linie durch solare Schwankungen verursacht. Die momentane Erwärmung ist zu einem wesentlichen Teil durch Änderungen der Solarkonstante verursacht, ist also nicht ausschliesslich anthropogen. Kaltphasen könnten auch vulkanogen eingeleitet worden sein. Aber so genau weiss man das nicht.

Die Temperaturen des Holozäns kann man mit Hilfe von Eisbohrkernen oder Dendrochronologie, z. B. Baumringanalyse rekonstruieren. Diese Methode liefert recht gute Ergebnisse. Vor etwa 2000 Jahren war der Aletschgletscher zum letzten Mal kürzer als heute. Dieser Rückzug ist auf das römische Klimaoptimum zurückzuführen. Davor gab es noch wesentlich längere Phasen, in welchen es deutlich wärmer war als heute. So konnte dort, wo sich heute die Zunge des Aletschgletscher befindet, ein Wald entstehen.

Die postglazialen Wärmeoptima hatten einen grossen Einfluss auf Ökosysteme und setzten entscheidende kulturgeschichtliche Prozesse in Gang. Seit etwa 8000 Jahren ist z. B. die Kalahari keine Wüste mehr, sondern eine Savanne. Die Temperaturen lagen damals deutlich höher als heute. Die Sahara war in diesem Klimaoptimum deutlich kleiner und ähnelte vermutlich einer Savanne, wegen des erhöhten Feuchtegehalts der Atmosphäre. Aus dieser Zeit stammen die Felsmalereien, welche man heute in dem Wüstengebiet finden kann.

Damals stieg der Meeresspiegel etwa einen Meter über den heutigen Stand an (sog. "Flandrischer Transgression"). Küstenkulturen gingen unter - eine Interpretationsmöglichkeit für die biblische "Sintflut". Aus nomadisierten Wildbeuter-Kulturen entwickelten sich sesshafte Ackerbauerngesellschaften und Viehzüchter.

Der Aletschgletscher und seine Vorstoss- und Rückzugsphasen

Temperaturen in historischen Zeiten (bis 11000 Jahre vor heute)

Gruss, Michael
- Editiert von Michael (Untersee) am 29.11.2004, 13:11 -

Einfluss des Klimawandels auf die Alpengletscher

Verfasst: Mo 29. Nov 2004, 18:26
von Alfred
Hoi Michael

Zuerst einmal ein Danke schön.

Ich bin Überrascht, wegen der retaviv genauen Temperaturkenntnis seit der letzten grossen Eiszeit.
Lustig finde ich auch die Bezeichnung «Optimum» für die Wärmeperioden (die heutige Klimadiskussion
würde sicher ein anderes Wort dafür finden ;-) ). Nur unschön der steile Anstieg der Mitteltemperatur
in der modernen Zeit. Wie werden kommende Generationen dieses «Optimum» wohl benennen!

Für mich auch nicht verständlich wenn man die Rome- & cathedrals-Perioden wieder mit der heutigen
Zeit vergleicht, ich meine die Bauweise in den USA (Hurricane-Schadensbilder), da waren ja die Pfahl-
bauer schon weiter, oder hatte denen nur die Spanplatten gefehlt.

Bei der biblischen Sintflut halte ich mich an das Gilgamesch-Epos, so wie Schliemann an Homer.
So jetzt ist es wieder genügend Off Topic :D , also aufhören bevor wir noch zu Plato, Solon und
schlussendlich zu Atlantis kommen.

Viele Grüsse Alfred
[hr]

Einfluss des Klimawandels auf die Alpengletscher

Verfasst: Mo 29. Nov 2004, 21:24
von Dani (Niederurnen)
Hoi zäme,

Mich würde mal noch interessieren wie das mit dem abschmelzen der Gletscher und der Sonneneinstrahlung ist.

Wenn ich mir die Bilder vom Aletschgletscher ansehe, da ist viel Gestein freigeworden. Stein hat ja die Eigenschaft Wärme aufzunehmen, zu speichern und auch zu leiten. Wieviel trägt jetzt ein heisser Sommer und dementsprechend warmes Gestein zum abschmelzen bei? Die Wärme kann durch das Gestein ja unter den Gletscher gelangen und ihn so von unten her "kochen" was dem Gletscher ja demzufolge mehr Schaden zufügen würde. Oder lieg ich da völlig falsch und dieser Effekt findet nicht statt oder ist dermassen gering das er keinen Einfluss hat?

Gruss Dani

Einfluss des Klimawandels auf die Alpengletscher

Verfasst: Di 30. Nov 2004, 13:22
von Michael (Dietikon)
Hoi zäme

@Alfred: Damals war eine Warmphase eigentlich nur von Vorteil für die Ackerbauern, da höhere Temperaturen und Niederschläge auch höhere Erträge in der Landwirtschaft bedeuteten. Durch die Ueberschüsse konnten sich die Kulturen besser entwickeln. Heute ist die Situation eine andere, wir haben z. B. eine viel höhere Bevölkerungsdichte als damals. Der gravierenste Unterschied ist aber m. E., dass die Klimaschwankungen früher zum grössten Teil natürlich waren und nun ist der Temperaturanstieg anthropogen. Dieser wird wohl die "Klimaoptima" aus der Vergangenheit bald übertreffen. Wobei, der Mensch soll gemäss folgendem Artikel schon seit 8000 Jahren einen signifikanten Einfluss auf das Klima gehabt haben.

The anthropogenic era is generally thought to have begun 150 to 200 years ago, when the industrial revolution began producing CO2 and CH4 at rates sufficient to alter their compositions in the atmosphere. A different hypothesis is posed here: anthropogenic emissions of these gases first altered atmospheric concentrations thousands of years ago. This hypothesis is based on three arguments. (1) Cyclic variations in CO2 and CH4 driven by Earth-orbital changes during the last 350,000 years predict decreases throughout the Holocene, but the CO2 trend began an anomalous increase 8000 years ago, and the CH4 trend did so 5000 years ago. (2) Published explanations for these mid- to late-Holocene gas increases based on natural forcing can be rejected based on paleoclimatic evidence. (3) A wide array of archeological, cultural, historical and geologic evidence points to viable explanations tied to anthropogenic changes resulting from early agriculture in Eurasia, including the start of forest clearance by 8000 years ago and of rice irrigation by 5000 years ago. In recent millennia, the estimated warming caused by these early gas emissions reached a global-mean value of ~ 0.8 °C and roughly 2 °C at high latitudes, large enough to have stopped a glaciation of northeastern Canada predicted by two kinds of climatic models. CO2 oscillations of ~ 10 ppm in the last 1000 years are too large to be explained by external (solar-volcanic) forcing, but they can be explained by outbreaks of bubonic plague that caused historically documented farm abandonment in western Eurasia. Forest regrowth on abandoned farms sequestered enough carbon to account for the observed CO2 decreases. Plague-driven CO2 changes were also a significant causal factor in temperature changes during the Little Ice Age (1300–1900 AD).

William F. Ruddiman, Department of Environmental Sciences, University of Virginia

@Dani: In der Tat haben die Felswände einen relevanten Einfluss bei Schmelzvorgängen in Gletschern. Nach heissen Tagen strahlen sie in der Nacht Wärmestrahlung ab, so dass der Gletscher auch in der Nacht weiterschmilzt. Man hat im Sommer 2003 festgestellt, dass Gletscher, die eine Felsnadel umfliessen, dort regelrecht weggefressen wurden, aber auch an den Ränder gab es einen grossen Massenverlust. Dass die Wärmeleitfähigkeit eine entscheidende Rolle spielt, denke ich eher nicht. Unter dem Gletscher fliesst ja Wasser, welches für das basale Gleiten (Gleiten des Gletscher über den Boden) verantwortlich ist. Dieses würde die Wärme schnell abtransportieren.

Gruss, Michael
- Editiert von Michael (Untersee) am 30.11.2004, 15:34 -

Einfluss des Klimawandels auf die Alpengletscher

Verfasst: Di 30. Nov 2004, 16:43
von Alfred
Sali zäme

Also doch die Rindviecher!
http://www.sturmforum.ch/showthread.php?id=2134

Viele Grüsse Alfred
[hr]

Einfluss des Klimawandels auf die Alpengletscher

Verfasst: Mi 1. Dez 2004, 09:50
von Dani (Niederurnen)
Sali Michael,

Danke für deine Antwort. Jetzt mal nach oben auf den Gletscher, die Gletscher sind ja vor allem im Bereich der Zunge oftmals schmutzig, mehr schwarz als was anderes. Schwarz wird schnell warm, d.h. die Schmutzschicht raubt dem Gletscher noch mehr Eis da sie sich schnell erwärmt und auch sehr warm wird, was ein einfressen in den Gletscher bewirken würde. Weiss man etwas über diesen Einfluss auf den Gletscher??

Gruss Dani

Einfluss des Klimawandels auf die Alpengletscher

Verfasst: Mi 1. Dez 2004, 13:37
von Michael (Dietikon)
Hoi Dani

Eine dünne Schmutzschicht, z. B. aus Saharasand, verändert die Albedo des Gletschers, wodurch die Schmelzprozesse an der Oberfläche beschleunigt werden. Wenn die Schmutzschicht hingegen einige cm dick ist, schützt sie den Gletscher eher vor der Sonnenstrahlung.

Gruss, Michael

Einfluss des Klimawandels auf die Alpengletscher

Verfasst: Mi 1. Dez 2004, 18:57
von Marco (Oberfrick)
Hi

Intressantes Thema!

Also ich würde mich freiwillig melden zum auf dem Aletschgletscher die Steine wegräumen wer kommt mit? :-O

Gruss Marco