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Windströmungen

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basis
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Windströmungen

Beitrag von basis »

Hallo !

Ich versuche mal ein Thema aufzugreifen, das sich ein bisschen vom aktuellen festgefahrenen Wetter abheben könnte:

Ich segle seit 2 Jahren auf dem Zürichsee Regatten. Ein alter Fuchs, der schon über 30 Jahre mit seinem Boot mitsegelt, ist meistens an der Spitze, oder sogar weit vor den normalerweise schnelleren Booten. (Will mich jetzt nicht über Boote und deren Trimm an sich unterhalten).

Was mich dann dazugebracht hat, ihn zu fragen, wie er scheller vorankommt als andere.

Nun, es hat gemäss seinen Erläuterungen viel mit den Winden, bzw Windströmungen zu tun:

Erstens gibt es ja bekanntlich die Erhebungen links und rechts vom See (Pfannenstiel, Albiskette, Zimmerberg etc). Topografische Erhebungen haben einen Einfluss auf die Windströmung auf dem See, bzw am Ufer. Es gibt da kleinere Erhebungen oder Tobel, die eine sekundäre Strömung einfliessen lassen, die die Hauptströmung leicht verändert. (z.B. Fallwind aus Tobel bläst auf den See.). Oder eine Erhebung erzeugt auf dem See einen Düseneffekt, der lokal die Windgeschwindigkeit hebt.

Dann eine zweite Erklärung, wo es mir hier mit diesem Post auch geht, etwas mehr darüber zu erfahren:

Wenn der Wind schwach bläst, nehmen wir mal an, aus SSW, bzw ein Wind der Länge nach auf Zürich zu, bilden sich auf dem See eine Art Windstreifen. Es hat z.B. in der Mitte des Sees einen Streifen wo das Wasser glatt ist, oder es bilden sich einige Streifen mit Wind (zu Erkennen an den kleinen wellen). Können nur 20m oder auch 200m breit sein, diese Streifen.
Das interessante an seiner Erläuterung ist, dass er am Rande solcher Streifen nicht nur stärkeren Wind findet, ebenfalls bläst der Wind am Rande solcher Streifen ein bisschen aus einer anderen Richtung, was ihm einen anderen (schnelleren) Kurs erlaubt. Jedoch nur auf einer Seite eines solchen Streifens, auf der anderen Seite erlebt er genau das Gegenteil, nämlich weniger Wind als im Streifen selbst.

Somit seine Zusammenfassung:
1. Fahre nah am Ufer, dort verstärkt sich der Wind mit den topografischen Spezialitäten. Ebenfalls ist der Wind am Ufer z.T. durch die Erhebungen abgelenkt, bzw verstärkt (Düse), was zu einem idealeren Kurs führen kann.
2. Suche bei einem Streifen die eine oder die andere Seite auf und schaue, welcher Rand schnell ist. Danach segle nur am Rande solch eines Streifens, nie in der Mitte. So hat man 1. besseren Wind und zweitens einen besseren Kurs, weil mehr Höhe gefahren werden kann.

Nun meine Fragen ans Forum:

Warum ist das so ? Wie bläst ein Wind, wie verhalten sich Windströmungen ? Was geschieht am Rande solcher Wind-Streifen, wie entstehen solche Streifen überhaupt ? Was passiert, wenn zwei Winde aus ähnlicher Richtung aufeinandertreffen, aneinander reiben ?

Wie kann ich als Segler mehr über Luftströmungen im Allgemeinen und im Speziellen (Zürichsee) erfahren ? Wie kann ich von der Meteorologie lernen, wie ich Wind während des Fahrens besser nutzen kann ?

Hoffe auf spannende Antworten und Diskussionen !

Vielen Dank und viele Grüsse
basis (Zürcher ;-))

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Reto.
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Beitrag von Reto. »

Hallo Basis

Ich kenne den Zürichsee mit den Winden nicht. Ich kenne es nur vom Bodensee (Überlingersee) Dort ist dies ganz krass. Da kann einer das Wasser bis zur Reling haben und 50 Meter weiter stehen die Segel kaum. Dies kommt dort auch von der Topographie vom Land. Mir wurde erzählt, dass dies sogar einen grossen Einfluss auf die Strömung im Wasser hat.
Gut der Überlingersee ist auch sehr schmal und da denke ich ist der Effekt viel grösser als beim Zürichsee.

Das kann einem fix und fertig machen du bist am züpfeln und der andere nebenan am knüteln. Je nach Windrichtung liegen diese Windstreifen anders, du kannst dir nicht merken wo diese Streifen liegen da nützt nur genaues betrachten und interpretieren vom ganzen Windverlauf. Oder eben du kaufst die ein anderes Schiff mit kleinerem Yardstick ;-)

Viel spass beim Absegeln und immer eine Handvoll Wasser unter dem Kiel

Reto


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Michi, Uster, 455 m
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Beitrag von Michi, Uster, 455 m »

Bei windschwachen Lagen herrschen grundsätzlich thermische Winde. Thermische Winde entstehen durch Temperaturunterschiede, hauptsächlich Sonneneinstrahlung. Je besser die Erwärmung, je rechtwinkliger die Sonne auf den Erdboden trifft, desto stärker die Erwärmung im Vergleich zur Umgebung und desto stärkere thermische Winde entstehen (wegen dem Druckunterschied). (jetzt mal ganz einfach gesagt, das Feuchteangebot vom Boden ist auch noch sehr entscheidend, trockene Erdoberflächen (kahler Acker)erwärmen sich besser als vegetationsstarke Gebiete (Laubwälder, Sumpfgebiete).
Beispiel: Am Morgen wird die Albiskette (Osthang) gut beschienen, somit steigt dort die Luft und diese muss von irgendwo her nachfliessen. Am Nachmittag/Abend ist dann der Pfannenstiel thermisch aktiver (auf der Züriseeseite. Greifenseeseite umgekehrt!) und deshalb eher SW-Wind. Das ganze spielt natürlich grossräumig auch noch eine Rolle. Das Oberland erwärmt sich (Luft erwärmt sich weniger schnell wie der Erdboden) schneller, deshalb vor allem am oberen Zürichsee regelmässig SW-Wind am Nachmittag. Voraussetzung ist natürlich immer gute Sonneneinstrahlung). Das ist jetzt zwar nicht unbedingt eine Antwort auf deine Frage (nach 30 Jahren Segeln kennt man das wohl), aber vielleicht kann man sich mit obigen Grundsätzen gewisse Effekte erklären.
- Editiert von Michl Uster+Klosters am 21.09.2006, 22:52 -

basis
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Beitrag von basis »

Lieder sind die termischen Winde am Zürichsee fast verschwunden. Früher, als noch nicht alle Ufer und Bergketten verbaut waren, gabs diese noch eher. Heute kenne ich diese termischen Winde nicht mehr (Die Fall/Steigwinde), jedenfalls zwischen Zürich und Meilen. Weiter oben gibt's sie auch nur noch morgens.
Dafür kann es sein, dass bei Windstille am Ufer ein gaaanz leichter Luftzug exisitert, der von den Autoabgasen der Uferstrasse her führt, wenn diese warme 'Luft' steigt.

Was mich mehr interessiert, ist wie der Wind auf dem See bläst, verteilt, wirbelt. Wie sehen diese oben angesprochenen Windstreifen in '3D' aus (nicht nur auf dem Wasser) ? Farbe in die Luft geben und dann schauen, wie solch ein Streifen ausschaut ?
Reliefmodell vom Zürichsee in den Windkanal heben und Strömungsmuster davon erstellen? *dummstell*

Kann man überhaupt mehr darüber erfahren/hat man sich damit schon mal befasst? Gibt es Infos über Windströmungen im allgemeinen?

Grüsse
basis

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Marco (Hemishofen)
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Beitrag von Marco (Hemishofen) »

Hallo basis,

zu den Streifen ein paar Gedanken: ich denke, Streifen wo sich das Wasser etwas kräuselt
sind schmale Zonen, wo "Luftschläuche" oder "Zungen" absinken (durch Turbulenz) und erhöhte Reibung
auf die Wasseroberfläche ausüben.

Im Zentrum der Absinkbewegung zeigt der Windvektor senkrecht auf die Seeoberfläche hin, der Wind
kommt quasi von oben. Rundherum fliesst die absinkende Luft immer mehr horizontal weg, darum
erfährt der Segler dort mehr Vortrieb als in der Mitte des gekräuselten Streifens.

Wir haben es hier mit einem Phänomen zu tun, das sich auf einer Längenskala von 1-100m abspielt,
dennoch möchte ich versuchen, eine Analogie zu Microbursts aufzuzeigen. Letztere spielen sich auf
einer Kilometerskala ab und sind im Querschnitt idealerweise von eher kreisrunder, anstatt länglicher Natur.
Dennoch denke ich, die Strömung der Luft am Rande dieser Erscheinung könnte ähnlich sein (falls wir
Fluiddynamiker hier im Forum haben, so mögen sie mich bitte auf allfällige Fehlüberlegungen hinweisen,
ich weiss nicht ob man die Skalen einfach so tel quel übertragen kann...)

Wenn ein Microburst auf den Boden klatscht, sieht das horizontale Windfeld etwa so aus:

Bild

Im Zentrum kein Wind, radial gegen aussen immer mehr, bis zum Rand der sich ausbreitenden Luftmasse.
Wäre das Teil über dem Wasser, so würde sich wohl der Bereich innerhalb des Randes "kräuseln".
Als Segler fährst du offensichtlich am besten/schnellsten, wenn du den Kurs dem Rand entlang legst.

Das ganze von der Seite:

Bild

Hier wird klar ersichtlich, dass man im Kern des MBs nicht gut segelt, denn der Wind kommt von oben. Dennoch wird
sich die Wasseroberfläche vermutlich kräuseln, denn die auftreffende Luft wird eine gewisse Kraft ausüben.
Je mehr man am Rand es MBs ist, desto schöner kommt die ganze Energie von der Seite, und nicht mehr von oben.
Ausserhalb des MBs ist es ruhig, glattes Wasser, kein Vortrieb zum segeln.

Man stelle sich jetzt den obigen MB nicht kreisrund,sondern (horizontal) in die Länge gezogen vor, zu
einem Streifen Luft halt, der zum Wasser herabsinkt. Die Grössenordnung der Windgeschwindigkeiten und
Strecken kann man durch einen Faktor 10 dividieren, dann hat man vielleicht einen Prozess konstruiert,
der die "Streifen" erklärt, die basis uns geschildert hat? Das vorausgesetzte Absinken von Luft kann durch
die Topographie (mechanische Turbulenz) oder sommerliche Konvektion (thermische Turbulenz) ausgelöst werden.

Dies wäre jedenfalls mein Erklärungsansatz...

Gruss Marco


P.S.: hier noch die Quelle der Grafiken -> Microburst and their numerical simulation, von Mark R. Hjelmfelt
Gruss Marco
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Chrigu Riggisberg
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Beitrag von Chrigu Riggisberg »

Hallo zäme

Die Absinkbewegung, wie sie von Marco super beschrieben wird, könnte doch die Zone darstellen, wo Luft zum Ausgleich der bodennahen Seewindzirkulation von oben nachgesogen werden muss. Ich bin mir aber nicht sicher, ob dieser Effekt zur Erklärung des Phänomens ausreicht. Wurden evtl. schon tageszeitliche Schwankungen des Streifens beobachtet?

Gruss Chrigu
Riggisberg BE (800 m.ü.M.), zwischen Schwarzenburg und Thun am Fusse des Gurnigels gelegen

danii
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Beitrag von danii »

@marco

ich denke nicht dass das modell eines microburst an dieser stelle viel bringt. die unterschiede zu der von basis beschriebenen situation sind einfach zu gross. da wären zum beispiel:

bei microburst (wie du gezeigt hast) ist die strömung radial, man müsste wohl eher flecken als streifen vorfinden. ausserdem ist der wind wenn ich das richtig verstanden habe parallel zu den streifen orientiert (offenbar nutzt der alte hase diese streifen über längere zeit, sodass wir von einer längenskala von mehreren 100 m bis zu km ausgehen können).

basis hat auch noch beschrieben dass es sowohl eine windbegünstigte aber auch eine windbenachteiligte seite gibt. auch diese beobachtung lässt sich mit einem microburst nicht beschreiben.


obwohl ich am zürichsee aufgewachsen bin, kenne ich die winde zu wenig, resp. habe mich nie wirklich damit beschäftigt :-/

grüsse
Stäfa, 460m ASL


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Marco (Hemishofen)
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Beitrag von Marco (Hemishofen) »

@danii:

deine Einwände sind durchaus berechtigt, das microburst Modell passt sicher nicht 1:1 auf das Phänomen,
das basis beschreibt - man muss das von oben gezeigte symmetrische Modell quasi im Kopf strecken, in die
Länge ziehen, seitlich verflachen ... was auch immer, um von den rein radialen Strömungen weg zu etwas
länglichem zu kommen. Einfach ein Bisschen die Fantasie walten lassen :-)

Eine windbegünstigte Seite kriegt man, wenn man die absinkende Strömung nicht einfach senkrecht auf den
See runterlässt, sondern geneigt -> dann gibt's eine Seite mit günstigerem Wind, und eine mit weniger
günstigem.

Und: ich kann mir nicht vorstellen, dass der Wind parallel zum Streifen weht. Wie könnte dann der alte
Segler-Fuchs einen schnellen Kurs am Rand des Streifens segeln? Mit Schmetterling in der Scherzone, das
Gross auf der windarmen Seite und das Vorsegel im Streifen?? Wäre der Wind parallel zum Streifen, mittendrin
stark und rundherum schwach, dann würde der alte Fuchs in der Mitte des Streifens segeln.
Nein, der Wind kommt doch irgendwie quer zum Streifen, optimalerweise kann der Segler dann leicht raumschot
am Rand entlang heizen ... so stell ich mir das irgendwie vor.

Gruss Marco
Gruss Marco
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Alfred
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Beitrag von Alfred »

Sali zäme

Der gedanklich langgestreckte microbust von Marco, wenn er sich dann über der Seeoberfläche
wohl oder üblich horizontal weiterbewegen muss, wenn er auch schwach ist, erzeugt doch an den
Rändern der gedanklichen Windzunge Turbulenzen, wobei dort die Windgeschwindigkeit höher sein
könnte, als in der Mitte der Zunge in der, der Luftstrom mehr laminar ist.

Gruss, Alfred
[hr]

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