Im Wesentlichen kann gesagt werden, dass die Wetterentwicklung, die sich über das bevor stehende Wochenende anbahnt, eine eigentliche Zäsur in diesem September darstellt. Der erste Herbstmonat hat in weiten Teilen der Schweiz eher sommerlich begonnen. Die Grosswetterlage war geprägt von zwar nassen, aber eher warmen Südwestlagen. In den Alpen gab es bereits die erste markante Südföhnlage. Daraus resultiert beispielsweise hier in der Zürichseeregion bis zum heutigen Tag eine positive Abweichung der Durchschnittstemperatur von der langjährigen Norm um mehr als 3 °C.
In den kommenden Tagen stellt sich die grossräumige Zirkulation über Mitteleuropa nun aber um. Lange rede, kurzer Sinn: Die Entwicklung der nächsten drei Tage wird dafür sorgen, dass wir alle spätestens am kommenden Montag nicht mehr mit Flip-Flops, sondern mit Pullovern raumlaufen werden. Aber der Reihe nach.
Werfen wir einen Blick auf die Grosswetterlage, wie sie sich heute Abend präsentiert. Auf der 500hpa-Karte lassen sich zunächst zwei markante Höhentröge ausmachen: Ein Höhentrog liegt über dem Atlantik vor Irland und zeigt mit seiner Achse in Richtung Biskaya. Dieser Höhentrog wird uns bis Sonntag noch nachhaltig und sehr direkt beschäftigen. Ein zweiter Höhentrog finden sich mit seinem Kern über Fennoskandien. Dieser Trog hat sehr kalte Höhenluft im Gepäck und erstreckt sich über den grössten Teil des „europäischen“ Russlands. Auch dieser Trog ist für die weitere Entwicklung unseres Wetters nicht unbedeutend. Sein Einfluss wird jedoch auf andere Weise spürbar sein, als jener des Höhentroges vor Irland:

In der Nacht auf Freitag tropft der Höhentrog über Westeuropa aus. Das heisst das südliche Ende der Höhenkaltluft schnürt sich weitgehend vom Rest der über dem Atlantik verbleibenden Trogstruktur ab und beginnt seinen Weg durch Mitteleuropa. Im Gepäck hat dieser Batzen Höhenkaltluft eine Kaltfront, die vom Trog ausgehend ostwärts voran kommt. Über die möglichen konvektiven Erscheinungen, die heute und in der Nacht auf Freitag mit dieser Kaltfront einher gehen könnten, möchte ich keine weiteren Worte verlieren. Eine entsprechende Behandlung dieses Themas findet sich im Thread von @Christian: Thread 10. und 11. September
Die Front dürfte die Schweiz in den Mittagsstunden des Freitags überqueren. Glaubt man GFS, so ist der Frontdurchgang zum Zeitpunkt 12 UTC (14 MEZ) weitgehend gelaufen:

Auf der 500hpa-Höhenkarte sieht man jedoch, dass der Cut-Off Prozess des Höhentiefs am Freitagabend noch nicht ganz abgeschlossen ist. Ob der Loslösungsprozess überhaupt komplett erfolgen wird und ob man dementsprechend von einem klassischen Kaltlufttropfen sprechen kann, wird die Entwicklung der nächsten Tage zeigen. Interessant ist auch der Blick auf den Höhentrog über Osteuropa. GFS wie auch ECMWF, welche die Entwicklung der nächsten drei Tage relativ ähnlich zeigen, lassen dieses mit reichlich kalter Höhenluft angereicherte Gebilde in Richtung Südwesten wandern. Der östliche, „kältere“ Höhentrog nähert sich also ähnlich wie sein westlicher "Zwilling" Mitteleuropa an:

Bis Samstagmittag drückt das (fast) abgeschnürte Höhentief noch stärker nach Osten. Im Vorfeld des Höhentiefs setzt über dem südlichen Alpenraum Zyklogenese ein. Es bildet sich ein Bodentief. Dieses Tief schaufelt warme Luft um den Alpenbogen herum. Daraus folgen Aufgleitprozesse, was wiederum heisst, dass es zu Niederschlägen kommen wird, die orografisch bedingt, im Alpen- und Voralpenraum am stärksten ausfallen dürften. Auch hier lohnt sich wieder ein Blick auf den Höhentrog über Osteuropa: dieser kommt nämlich noch weiter nach Süden voran.

Am Sonntagmorgen ist die Zyklogenese über dem Alpenraum weitgehend abgeschlossen. Das Höhentief hat das Bodentief „eingeholt“, beide Systeme liegen mit ihren Kernen übereinander, das Bodentief füllt sich auf. Warnrelevante Niederschläge dürften im Verlauf des Sonntags keine mehr auftreten. Zwar schaufelt das Tief immer noch feuchte Luft aus Osten in den Alpenraum. Weil das Höhentief über Norditalien aber eine Verbindung zum Höhentrog über Osteuropa eingeht (erkennbar an der nun durchgehend hellgrünen Fläche auf der Karte), wird mehr und mehr kühlere Luft aus Osten angezapft. Durch die kühlere Luft wird die Atmosphäre nach und nach stabilisiert, auch wenn im Alpenraum nach wie vor Aufgleitniederschläge gerechnet werden.

In der Nacht von Sonntag auf Montag wird das Richtung Ungarn wandernde Höhentief vom Höhentrog über Osteuropa aufgesogen. Die Strömung über Mitteleuropa dreht auf Nordost. Nun kommt die bereits angesprochene kalte Höhenluft des ehemaligen Fennoskandien-Troges ins Spiel: Gemäss GFS flutet sie im Verlauf des Montags den Alpenraum. Gemäss heutiger Einschätzung sinkt die Schneefallgrenze am Montag auf unter 2000 Meter ab. Im östlichen Mittelland werden die Temperaturen kaum viel mehr als 10 °C erreichen. Hallo Herbst, Adieu Sommer.

Hoffentlich können wir diese Wetterphase in den nächsten Tagen noch zusätzlich vertiefen. Speziell die Niederschlagsmengen sollte man im Auge behalten. Ich freue mich auf Kritik, Anregungen und Diskussionen!
- Editiert von Tinu (Männedorf) am 11.09.2008, 15:55 -




