WolfCH hat geschrieben:Hallo Cyrill
Einzig gestört hat mich dass er den Fallschirm 20sekunden zu früh gezogen hat. Oder war dies extra so gedacht um wenigstens ein Rekord bei Kettler zu lassen? Aber lieber zu früh als zu spät öffnen.
Gruss
Dominic
Hoi Dominic
hat mich jetzt nicht unbedingt gestört; bis zum Exklusivinterview mit dem Journalisten von Servus-TV - gleich nach dem Sprung -, war dies aber eine ungelöste Frage, weshalb Baumgartner Joe Kittinger (er heisst nicht Kettler) einen seiner beiden Rekorde (den längsten Freiflug) beliess und den Schirm 20 Sekunden früher öffnete. Im breitesten Österreicherdialekt meinte dann der Moderator halb fragend, halb ihm "unterstellend", dies sei sicher geschehen, weil Österreicher "Tschääntelmään" (Gentleman) seien. Baumgartner meinte darauf trocken und sachlich, dass er nach rd. 4 Minuten 20 Sekunden die kritische Höhe von rd. 3'400 Höhenmeter erreicht habe. Weder bestätigte er diese Meinung, noch dementierte er sie; dies ist reine Spekulation - aber falls ein solches Motiv mitgespielt haben sollte, doch eine schöne Geste an diesen hilfsbereiten und vorallem uneitlen Rekordveteranen, der mit Baumgartner während der ganzen Zeit am Funk begleitete und Anweisungen gab, sowie Checklisten abarbeitete.
Joe Kittinger ist seit Jahrzehnten, nicht nur durch seine Rekorde in den 60er-Jahren, in den USA ein Held und gefeierter Kriegsveteran, der inzwischen 84 Jahre alt ist. Als Air-Force-Pilot und hochdekorierter Staffelkommandant mit Vietnam-Erfahrung, habe er nicht weniger als 95 verschiedene Flugzeugtypen geflogen - beachtlich! Kittingers Vorfahren stammen aus Zürich und sind anfangs 18. Jh. aus der Schweiz in die USA ausgewandert.
Um aber noch einmal auf die Frage des Motivs des etwas früher gezogenen Fallschirms zurückzukommen, wodurch Baumgartner Kittingers Rekord des längsten Freiflus nicht gebrochen hat. Chrigi's Argument, nicht vor den Augen der Familie sterben zu wollen, ist sicher berechtigt. Doch aus dem Interview mit Baumgartner, bzw. aus einer Bemerkung von ihm, wird ein anderes Motiv deutlich: a. nach 7 Jahren Vorbereitungszeit und zwei Verschiebungen des Termins, wollte er alles richtig machen, quasi nichts dem Zufall überlassen. Der Aufstieg gelang perfekt, fast alles lief perfekt, ausser die Störungsmeldung der Helmvisierheizung, wegen dem das Unternehmen beinahe gescheitert wäre. Aber im Kontrollzentrum gab man grünes Licht zum Absprung und betrachtete dieses Problem als marginal. In der Stratosphäre auf der Höhe von 39 km herrschte beim Ausstieg eine Temperatur von rd. -4,2° Grad Celsius. Nach rd. 2 Min. freien Fall im Überschallbereich, traf Baumgartner im oberen Bereich der Troposphäre ein, wo er durch die zunehmende athmosphärische Dichte abgebremst wurde, aber dort auch eine Temperatur von - 64° Grad Celsius herrschte. Die Helmvisierheizung sollte in dieser kritischen Phase den Beschlag durch Kondenswasser verhindern, wobei diese Zone nur innerhalb weniger als 30 Sekunden durchflogen wurde. Vor Eintritt in diese Zone begann Baumgartner, wie vorausberechnet, zu trudeln (Spin), was höchste Konzentration verlangt, den Flug wieder zu stabilisieren. Ich glaube, er wollte einfach auf der sicheren Seite sein und das Unternehmen nicht durch eine Fehlentscheidung, oder durch Übermut gefährden.
b. der wenn auch kleine, aber entscheidende Hinweis gab im Interview Baumgartner selbst, indem er auf den Unterschied der Fallschirme von Kittinger und ihm hinwies. Hätte er einen Fallschirm verwendet, wie ihn damals Kittinger benutzte, wäre ihm der Rekord geglückt, da er ihn stärker abgebremst hätte und er ihn auf tieferem Niveau hätte auslösen können. Zudem kam Kittinger damals "nur" mit 900 km/h an. Mit einem herkömmlichen Fallschirm hätte Baumgartner aber auch kaum zu dem vorgesehenen Landeplatz fliegen können, wie er es auf beeindruckende Weise gestern, in perfekter Basejumpermanier, demonstrierte. Der moderne, kleinere und lenkbare Fallschirm kann nur beim Unterschreiten einer Geschwindigkeit von rd. 370 km/h gezogen werden, welche vermutlich bei 3'400 Höhenmeter erreicht wurde. Meines Wissens erreichen "normale" Fallschirmspringer, die in Höhen von rd. 4'000 Metern aus dem Flugzeug aussteigen Geschwindigkeiten von rd. 240 km/h. So gesehen ist in Baumgartners Fall noch eine Differenz von rd. 130 km/h zusätzlich abzubremsen. Ob dies beim Ausreizen der fehlenden 20 Sekunden zum Weltrekord gelungen wäre ist letztlich die Frage, die über Erfolg und Misserfolg entschieden hätte.
Mir wurde ja zuhause vor dem Fernseher schon schwindlig, als die Kamera kurz vor dem Absprung senkrecht nach unten gerichtet diesen immensen Abgrund zeigte

Aber jeder hat ja seine persönliche Art literweise Adrenalin durch die Adern fliessen zu lassen: die einen springen in die Tiefe und die andern lassen sich vom Core einer blitzintensiven Superzelle überrollen....
Gruss Cyrill