Hoi zäme
Da braust der erste nennenswerte Herbststurm heran und niemand scheint sich dafür zu interessieren

. Naja, eigentlich normal für diese Jahreszeit im Forum. Da muss zuerst der Nach-Gewitter-Saison-"Hänger" überwunden werden.
Egal. Fakt ist, dass uns diese Nacht und auch noch Morgen herbstlich-windiges und dann in den Folgetagen immer kühleres Wetter erwartet.
"Schuld" an dieser Entwicklung ist eine ziemlich beachtliche und auch wunderbar-klassische Austrogung über Mittel- und Nordeuropa. Während über Westeuropa und der Iberischen Halbinsel ein mächtiger Höhenkeil für warmes und weitgehend trockenes Wetter sorgt, geschieht in unseren Breitengraden das exakte Gegenteil. Über der Nordsee installiert sich ein kräftiges Höhentief/Langwellentrog. Dieses Höhentief aktiviert die für unsere Breitengrade typische Kaltluftpumpe, indem es an seiner Westflanke, also der "Schnittstelle" zum Keil über dem Atlantik, in den folgenden Stunden zuerst kühl-feuchte und dann in den kommenden Tagen auch immer trocken-kältere Luft polaren Ursprungs heranführt.
Sonntag, 18UTC präsentiert(e) sich die Grosswetterlage gemäss GFS folgendermassen:

Sehr schön auszumachen ist die massive, beulenhafte Austrogung über Nord- und Mitteleuropa.
In einer ersten Phase ist primär der Wind von Interesse. Während der Nacht von Sonntag auf Montag gerät die Schweiz in eine sehr zügige nordwestliche Höhenströmung.

Die Niederschläge sind bei dieser Wetterlage meines Erachtens eher irrelevant, weil zu unauffällig.
Gleichzeitig schiesst im Verlauf der ersten Nachthälfte eine Kaltfront heran. Die Front ist auf der ThetaE-Karte sehr gut auszumachen (siehe in etwa die blaue Linie zum Zeitpunkt 00UTC:
Ebenso lehrbuchhaft ist die Windentwicklung. Vor der Front bläst im 850hpa-Niveau ein kräftiger Westwind. Mit der Frontpassage dreht der Wind aber schlagartig auf Nordwest. Zwar simulieren die Modelle die kräftigsten Höhenwinde im "warmen" Westsektor vor der Front. Allerdings dürften die Höhenwinde erst mit dem Windsprung und dem Einfliessen kälterer Luft aus Nordwesten so richtig bis an den Boden runtergeholt werden. Ich erwarte die stärksten Winde deshalb eher in der zweiten Nachthälfte und dem frühen Morgen (so um 80 km/h-Böen dürfte es da verbreitet auch im Flachland geben).
Insgesamt also eine sehr dynamische Angelegenheit: Des Herbstes würdig!
Auch die weitere Entwicklung von Montag bis Mittwoch ist äusserst sehenswert. Unser Kaltluft-Ausbruch erweist sich nämlich nicht als Eintagsfliege: Im Gegenteil. Gestützt durch einen Höhenrücken über dem Nordatlantik meridionalisiert (stabilisiert) sich die vorherrschende Höhenströmung über Nordeuropa. Dadurch wird der Weg frei für wiederholte Ausbrüche kalter Polarluft Richtung Süden. Auf einer Bildabfolge von Montag bis Mittwoch der grossräumigen Theta-E-Karte wird diese Entwicklung wundervoll sichtbar:
Heute Nacht:

Dienstag:

Mittwoch:
Theoretisch sind bei idealen Bedingungen (Aufklaren, Windstille) in diesen Luftmassen schon Mittwochfrüh morgendliche Fröste möglich. Aus heutiger Sicht sind dann spätestens Donnerstagfrüh zumindest im Osten für den Herbst durchaus bissige Frostwerte zu erwarten.
Alles in allem also eine absolut geniale Herbstlage. So stelle ich mir den Herbst vor: Schon bei der aufziehenden Bewölkung heute Nachmittag und dem beginnenden, leichten Säuseln des Westwinds habe ich Gänsehaut bekommen. Mehr davon!
Tinu (Männedorf ZH, 422 m ü. M)
Gewitter und Sturm = erhöhter Pulsschlag
Föhn-fasziniert